Lange
bevor ich den Film sah, kam ich über Last.fm in Kontakt mit dessen wunderbarem,
schwermütigem Soundtrack von Nick Cave & Warren Ellis. Stücke
wie das entrückt-trauervolle "Song for Bob" liefen anschließend
in Dauerrotation. Der dazugehörige melancholische Western "Die Ermordung
des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" ist ebenfalls erwartet
fantastisch und läßt die vielen überschwänglichen Lobpreisungen
als tatsächlich gerechtfertigt erscheinen. You better believe the hype.
Bereits der sperrige Titel und das Poster, das zwei verlorene Personen in
einer weiten und leeren Landschaft zeigt, deuten an, daß es sich hier
nicht um einen Genrefilm von der Stange oder eine konfektionell erzählte
Geschichte handelt. Keine eindeutigen Helden, keine hassenswerten Schurken,
keine wilden Verfolgungsjagden oder Schießereien. Vielmehr finden wir
uns in einer nuancierten Charakterstudie wieder, welche vor allem die beiden
Hauptfiguren immer weiter entfaltet, weitere Schichten ihrer persönlichen
Entwicklungsgeschichte freilegt. Sie läßt sich dabei Zeit. Viel
Zeit. Der bedrohlich-undurchsichtige Jesse James, mit seinem stechend-abschätzenden
Blick, und der verdruckst-ambitionierte Robert Ford, mit seinem gezwungenen
Grinsen, enthüllen in mannigfaltigen ruhigen und in ihrer unterschwelligen
Anspannung sich steigernden Szenarien ihre inneren Brechungen, ihre emotionalen
und motivativen Vielschichtigkeiten. Die fabulösen, subtilen Performances
von Brad Pitt und Casey Affleck verleihen ihnen dabei eine tiefbewegende Vitalität.
Es ist dies eine Parabel über Vertrauen und Verrat, Paranoia und Isolation,
Geltungswillen und Desillusion, sowie die Schattenseiten des Ruhms und die
Macht der Mythenbildung. Die Tragik der Sackgassen des Schicksals im Rahmen
eines historischen Kontexts, betrachtet jenseits der verzerrten öffentlichen
Wahrnehmung durch die detailierte Wahrhaftigkeit des individuellen Vergrößerungsglases.
Eine Parabel über die Zerbrechlichkeit und die Ausgesetztheit der Existenz,
über die flüchtige Natur des persönlichen Glücks.
All dies eingefangen in wundervollen, schwelgerisch-elegischen Bildern, der
perfekten Vermählung von naturalistischem Realismus und purer magischer
Bildsprache.
Prachtvoll.
- Heiko - 11/2013