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AIR GUITAR NATION (2006)

Die reine Freude, sich diesem Film anzuvertrauen.
Seit 1996 findet in einer kleinen Stadt im nördlichen Finnland "The Annual Air Guitar World Championship Contest" statt, ein ganz spezielles musikalisches Festival, ein modernes kleines Nerd-Woodstock.

Da bis 2003 kein Wettbewerber aus Amerika, schließlich die offizielle Heimat des Rock'n'Roll, dabei war, wurde diesem unhaltbaren Umstand umgehend Rechnung getragen und an der Ost- und Westküste einige Vorausscheide organisiert. Das alles natürlich von Anfang an von einem Kamera-Team begleitet. Wie man das in Amerika halt so macht. Glücklicherweise. Denn dieses historische Ereignis mußte einfach für die Mit- und Nachwelt festgehalten und dokumentiert werden.

Eine Reihe sympathischer Verrückter wird hier bei Auftritten und in Interviews vorgestellt, bis sich der ewige Zweite, aber dennoch in seiner Motivation unbeugsame Bjorn Turoque und der geborene Entertainer C-Diddy als die Hauptprotagonisten herauskristallisieren. Es geht bei allen Beteiligten, das kommt ganz klar rüber, vor allem um den gemeinsamen Spaß und die Begeisterung an der Sache, kaum um irgendwelche überzogenen Ego-Nummern. Das zeigt sich beispielsweise deutlich am Verhalten des Serien-Champions Zac, der sich aufgrund des übermäßigen Fokus auf seine Person aus dem Rampenlicht der Bühne in die Jury zurückzog. Der japanstämmige Amerikaner David S. Jung, wie C-Diddy mit bürgerlichem Namen heißt, ist nicht nur ein faszinierender Charakter und wahnsinnig netter Mensch, er läßt auch die zwei interessantesten Statements vom Stapel. Und zwar, daß es beim Luftgitarrespielen nicht darum ginge, möglichst cool rüberzukommen oder blenderisch Eindruck zu schinden, sondern schlicht um den natürlichen Drang zum Ausagieren, wenn man einen wahnsinnig geilen Rocksong hört. Dann möchte man unwillkürlich loslegen und einfach auch körperlich ein Teil der Musik werden, um auf jeder nur denkbaren Ebene damit zu verschmelzen. Dann meinte er noch, daß, falls er die Weltmeisterschaft gewönne, ihm dieser Triumpf sein Leben lang erhalten bliebe. "At least, at one point I was the best in ... something." Jeder hat das Bedürfnis, eine befriedigende Leistung zu vollbringen, etwas Besonderes zu erreichen, zumindest einmal vom Kelch des Triumpfes zu kosten, eine herausragende Fähigkeit zu entwickeln. Worin, ist dabei gar nicht mal das Entscheidende. Wichtiger als ein eventueller Weltmeistertitel war für David Jung letztlich wohl, daß seine sehr konservativ eingestellten Eltern mit nach Finnland kamen und diese Erfahrung sie ihre Reserviertheit gegenüber den seltsamen künstlerischen Anwandlungen ihres Sohnes mehr oder weniger ablegen lies.

Okay, zugegeben, eine Olympische Disziplin wird Luftgitarrespielen wahrscheinlich niemals werden. Aber dessen ursprüngliches Motto "Dabeisein ist alles" hat zumindest das kleine finnische Pendant sich bewahrt und mit nur ein klein wenig gutem Willen könnte man das, was die Jungs und Mädels hier auf der Bühne veranstalten, durchaus als Performance Art bezeichnen. Mancher Beobachter mag das lächerlich finden. Andere es als legitimen Zweig der Popkultur anerkennen. In jedem Fall bringt es Menschen, hier die Performer und Besucher des Contests, zusammen und begeistert sie. In jedem Fall ist es ein lebendiger Ausdruck von ekstatischer Freude und totaler Enthemmung.
Denn, Leute, wenn jemand beim Hören eines energetischen Gitarren-Akkords selbst noch nie das Bedürfnis in sich verspürte, spontan ein imaginiertes Instrument zu schreddern, so dann, hey, werfe derjenige das erste Plektrum.

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Rock on!
=)

- Heiko - 08/13