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GRAVITY (2013)

Solltet ihr den Film noch nicht gesehen haben, dann kann ich euch nur empfehlen, sich nicht von meinem oder einem anderen Text spoilern zu lassen und umgehend ins Lichtspielhaus eures Vertrauens zu laufen, um ihn auf der großen Leinwand in 3D und mit Ultrasound zu genießen, solange das noch möglich ist.

Jep, Alfonso Cuaron zeigt diesen ganzen bekackten Amateuren mit ihren frenetischen Schnitt-Stakkatos mal eben, wie man einen mitreißenden Action-Thriller dreht. Wie bereits in "Children Of Men" demonstriert, schafft er es wie kaum ein zweiter Regisseur, den Zuschauer von eben diesem objektiv gefärbten Zuschauen loszulösen und rückhaltlos in den gegenwärtigen Augenblick der Handlung hineinzuziehen, ihn ganz unmittelbar an den Ort und die Protagonisten heranzuführen, ihn subjektiv teilnehmen zu lassen. Ihn völlig einzutauchen.
Technisch ist der Film ein Wunderwerk. Da dürften wir uns alle einig sein. Die Bildkompositionen und Kamerafahrten, das fantastische 3D, das Sounddesign und der Score, die brillanten Animationen, denen man ihren künstlichen Ursprung so gut wie überhaupt nicht ansieht.
Beim Drehbuch und den Darstellerleistungen kann man geteilter Meinung sein. Ersteres fand ich zweckdienlich und angenehm ökonomisch, letzeres mehr als nur solide. Es gibt nur zwei Charaktere und man fiebert mit beiden mit. Unberührt von mitunter etwas schlichteren Dialogen oder Backstorys. Als der Schorsch sich schließlich abseilte, trauerte ich tatsächlich ein wenig um ihn und etwas in meiner Brust verkrampfte sich und lies mich für Momente schwerer Atmen. Noch mehr beschlich mich jedoch die Befürchtung und Verzweiflung, wie, um Himmels willen, Sandra und ich denn ohne seine souveräne Führung aus diesem ganzen Schlamassel je wieder herauskommen sollten. So gänzlich alleine und ausschließlich auf uns selbst gestellt.
"Gravity" ist nicht nur ein spektakulärer und atemberaubender Blockbuster, nicht nur ein unterhaltsamer Katastrophenfilm mit unglaublichen Schauwerten. Nein, er besitzt auch noch Herz und Tiefgang.
Der Film bedient sich dabei einer der grundlegendsten der menschlichen Ängste: jener vor völliger Einsamkeit und Isolation. Jener, vollkommen von einem endlosen Abgrund, einer bodenlosen, allumfassenden und unentrinnbaren Dunkelheit verschluckt zu werden.
Das gesamte Geschehen befördert und einige Einstellungen illustrieren die innere Evolution von Ryan Stone. Wir sind immer ganz dicht bei ihr und ihren zunehmend verzweifelten Bemühungen ins lebendige Dasein zurückzukehren, den Anschluß an die Erde und den Rest der Menschheit wiederzugewinnen. Man könnte die Ereignisse, so man denn möchte, als Spiegel ihrer psychischen Verfassung interpretieren. Als Allegorie für Trauer, Sinnlosigkeitsempfindungen, Frustration. Als Depression und Überwindung derselben.
Wir alle müssen etwas finden, das uns trotz aller Widrigkeiten und Schicksalsschläge kämpfen und immer wieder aufstehen läßt. Etwas, für das es sich zu leben lohnt.
Okay, zugegeben, jetzt werde ich genauso pathetisch wie Alfonso beinahe am Ende seines Werkes.
Es war jedenfalls ein höllischer Ritt. Aber ebenso ein prachtvoller. Ich bin froh, an ihm teilgenommen zu haben. Jeder Film, der mich so effektiv in seine Handlung hineinzuziehen versteht, der mich die existenzielle Bedrohung spüren läßt, der mich bis an die Grenze, bis dicht an die im Dunkeln lauernde Präsenz von Tod und Vergänglichkeit heranführt, hat mich eigentlich schon gewonnen (letztes Jahr war's "The Grey"; siehe Besprechung). Da sind mir ein paar lausige Klischees dann doch herzlich egal. Vor allem, wenn sie mit dazu beitragen, die immersive Erfahrung nicht zu behindern. Als ich aus dem Kino stolperte, hatte ich für den Abend und darüber hinaus eine leicht veränderte Perspektive auf die Welt. Ich wußte plötzlich den festen Boden unter meinen Füßen, die frische Atemluft in meinen Lungen ganz neu zu würdigen. Und den Menschen an meiner Seite mit noch einem Spürchen mehr Dankbarkeit als zuvor. Das Leben, die singuläre Existenz. Was für eine total irre und doch unendlich schätzenswerte Sache.

Ansonsten überlasse ich, wie immer, gerne den klügeren Leuten das Wort:

- Heiko - 11/2013