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The Innkeepers (2011)

Eigentlich hatte ich mir geschworen, mich zukünftig von diesen verstörenden Geisterhäusern fernzuhalten. Nach dem ersten "Paranormal Activity" mußte ich mir erst mal alles selbst-therapeutisch mit einem feuilletonistischen Kommentar von der traumatisierten Seele schreiben. Aber hey, kaum schwärmt einem jeder zweite amerikanische Journalist und Podcaster die Ohren über die Qualitäten des Zweitwerkes des jungen und idealistischen Regisseurs Ti West voll, sieht man sich keine Kosten und Mühen scheuen, um als bald zusammen mit Claire und Luke im "The Yankee Pedlar" Platz nehmen zu können.
Steile These: Beim Geschichtenerzählen ist man nicht zwingend auf Charaktertiefe und -entwicklung angewiesen. Wie beispielsweise "Cloverfield" oder zuletzt "Gravity" unter Beweis stellten. Wenn man selbst zum Protagonisten und vom Geschehen mitgerissen wird, genügen bereits ein paar breite Pinselstriche zur Zeichnung der Schicksalsgenossen. "The Innkeepers" wiederum setzt, neben einer allenfalls mit der Axt zu durchdringenden Atmosphäre, jedoch ganz auf seine Charaktere als Eintrittspforte ins Geschehen. Das Hotel ist einer davon. Dann das als einer der letzten Gäste sehr gelegen kommende Medium Leanne Rease-Jones. Sowie die beiden Angestellten Claire und Luke als perfekte Identifikationsfiguren für's Publikum. Die sind ein grundsympathisches Pärchen, dem man nur zu gerne zusieht beim Plaudern, Albern und Herumhängen. Luke, der ironisierende Klugschwätzer, dessen gewitzte Abgeklärtheit sich sich natürlich mit dem ersten Auftreten von Kontrollverlust verflüchtigt und die junge von sinnkrisenhaften Selbstzweifeln geplagte Claire. Selbst, wenn während der 90 Minuten weiter gar nichts Außergewöhnliches passiert wäre, hätte ich sie nicht als verschwendet empfunden.
Kritisch könnte man anmerken, daß der Film vielleicht ein, zwei mal zu häufig auf Jump-Scares angewiesen war. Aber gleich der erste davon entpuppte sich als ein sich entwaffnend seiner selbst bewußter, genre-referenzieller Gag. Nett. "That works every time, haha!" In der allerletzten Einstellung führt uns Ti West dann abermals und augenzwinkernd vor, wie sehr er sich der Wirkungsmechanismen bewußt ist, wenn er die Vorstellungskraft des Zuschauers herausfordert und zugleich unerbittlich berechnend mit seiner Antizipation spielt.
Die erstaunlich effektive Wirkweise dieses und ähnlicher Filme beruht vor allem darauf, den Imaginationsraum vom Bildschirm zu lösen und ganz dicht an den Zuschauer heranzutragen. Das Geschehen räsoniert unmittelbar mit unseren Instinkten. Wir betrachten den Horror nicht, wir werden ein Teil davon. Die Gefahr lauert nicht irgendwo da draußen, wo sie objektiviert werden kann. Es gibt hier keine Horde Zombies, die man aus seinen äußeren und inneren Räumen aussperren könnte. Das eigentliche Grauen, das ist die Furcht an sich. Wurzelnd in der Ohnmacht gegenüber Mächten, die unser Begriffs- und Wahrnehmungsvermögen übersteigen.
Ti West deckt dabei sein Blatt ganz behutsam auf und läßt die übersinnlichen Phänomene nur punktuell konkrete Formen gewinnen. Die Schockmomente sind sparsam aber effektvoll gesetzt. Noch viel eindringlicher sind die Momente, wenn der sich aufbauende Suspense zum schneiden dicht ist und die Anspannung kaum auszuhalten, wenn man lauschend im dunklen Keller sitzt, bibbernd wie ein Fünfjähriger, und sich dabei fast in die Hosen macht. Wenn man allein und isoliert ist, als zweifelhafte Gesellschaft allenfalls die Geister der Vergangenheit anwesend sind.
Warum sehen wir uns das überhaupt an, was zieht uns zu solchen Erfahrungen?
Vielleicht dient es dazu, unsere Ängste zu nähren. Vielleicht dazu, sich ihnen zu stellen und sie zu verlieren. Am wahrscheinlichsten jedoch sind Horrorfilme schlicht und einfach nur dazu da, um unserem archaischen Reptilien-Gehirn in seinem zivilisatorischen Terrarium zu ein paar gymnastischen Turnübungen zu verhelfen. Der Bursche langweilt sich doch so schnell und wird dann unangenehm quengelig.
Mit zunehmendem Alter verlieren Horror-, Action-, oder Kriegsfilme allerdings an Reiz. Man weiß schon vorher, was einen erwartet, und man sucht zunehmend weniger die entfernten Extremsituationen, sondern nach schlichteren, alltäglichen Szenarien, nach künstlerisch fein aufbereiteten psychologischen und zwischenmenschlichen Wirklichkeiten, die näher an der eigenen angesiedelt sind. Der Mensch in seiner ganzen komplexen Einfachheit bildet nach wie vor die eigentliche Grundlage für die spannendsten Geschichten. Irgendwann beginnt einen das Spektakel zu stören und es scheint vom eigentlich Interessanten abzulenken. Himmel, ich glaube, in meinem kulturell-ästhetischen Reifungsprozess befinde ich mich tatsächlich höchstens fünf Lebensjahre oder zwei Kommentare meiner Filmkunst-Buddies davon entfernt, meinen ersten Film von Ingmar Bergman sehen zu wollen.
Wie dem auch sei, noch hält die Neugier und Faszination nur wenig vermindert an. Neue, geschickt die neuralgischen Angstpunkte massierende Varianten der alten Lagerfeuer-Gruselgeschichten sind weiterhin willkommen. Die erregende, stumme Herausforderung solcher Werke harrt einer Antwort. Wäre ich nicht ein solch furchtbares Weichei, ich würde mir bei nächstbester Gelegenheit, ohne zu Zögern, auch noch "House Of The Devil" ansehen.

- Heiko - 11/2013