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TRIO - … und dann kannst du mich von vorne sehen (2012)

Doppel-DVD (83 Min. / 60 Min.)
Bild: 1,33:1 (4:3) / 1,78:1 (16:9)
Extras: Booklet, Sticker, Fotoprints
Label: Universal Music

Ist das ZWNN jetzt komplett verrückt geworden? TRIO? Warum denn nicht gleich Dschingis Khan oder Mike Krüger? Ausgerechnet Musik also, die vor 30 Jahren allzu schnell in der Blödel-Ecke eingeordnet wurde. Ältere Semester werden sich erinnern: Da war ein Welthit namens "Da Da Da", in mehreren Ländern Nummer 1. Doch ebenso sehr, wie der Song einschlägt, wird er auch zu einer großen Belastung: TRIO stehen kurz vor dem Durchbruch, bevor der Abstieg folgt. Die Einheit in der Band zerbricht, ihre WG in Großenkneten löst sich auf, auch musikalisch zerfasert der rote Faden. Dieser Werdegang, im Zeitraffer nacherzählt, unterscheidet TRIO nicht von zahlreichen anderen Bands, denen das gleiche Schicksal widerfuhr. Warum also ausgerechnet TRIO an dieser Stelle? Ganz einfach: Weil die Band auf den zweiten Blick weit mehr auf der Pfanne hatte, als man es anno dazumal (in Kindertagen) aus Dieter Thomas Hecks "Hitparade" kannte. Mehr als "Da Da Da" oder "Herz ist Trumpf", mehr als die ulkigen Gestalten mit ihren knuffigen Liedern, die im Gegensatz zu bösen Formationen wie DAF auch dem Hitparade-Publikum gefallen konnten.

Etwas aufgeblasen ist ja schon, die vorliegende Doppel-DVD, bestehend aus zwei Single-Layer-Scheiben, deren Inhalt auch locker auf eine DVD-9 gepasst hätte. Aber Schwamm drüber, der Inhalt kann überzeugen: Die erste DVD enthält das Rockpalast-Konzert vom Februar 1982, auf Scheibe Nr. 2 ist eine einstündige Dokumentation zu finden, die der Geschichte hinter DEM Song nachspürt. Also allem, was vor und nach "Da Da Da" war, wie die Band sich formierte, sich schrittweise der minimalistische TRIO-Sound herauskristallisierte. Die musikalische Reise reicht von punkigem Geschepper bis hin zu dem gequält wirkenden Comeback-Versuch des Jahres 1985, als TRIO neben einer neuen Platte unbedingt auch noch einen Film machen mussten, der trotz namhafter Figuren hinter den Kulissen (Regie: Dominik Graf, Produktion: Bernd Eichinger) ebenso wie die LP ein Reinfall wurde. Ein leider misslungenes Kapitel in der TRIO-Historie.

12. Februar 1982: Auf der Bühne der Hamburger Markthalle steht Elvis, der King of Rock'n'Roll. Das Licht ist heruntergedimmt, erwartungsvolles Gemurmel des Publikums durchzieht den Saal. Die Bildregie schaltet in den Backstage-Bereich, wo TRIO auf ihren Auftritt warten. Elvis, so hat das Kennerauge längst entlarvt, ist nur ein Pappkamerad in Vertretung seiner Kollegen, die kurz darauf die Bühne entern. Um die Stimmung schon zu Beginn gnadenlos anzuheizen, verliest Sänger Stephan Remmler erst einmal (Fake-)Fanpost. Dann dürfen auch die Kollegen Kralle Krawinkel (Gitarre) und Peter Behrens (Standschlagzeug) ran: Die ersten flotten Songs wie "Lady-O-Lady" (in der schnellen Version, die am Ende als Rausschmeißer noch einmal zum Einsatz kommt), "Ya Ya" oder "Los Paul" werden munter in die Menge gerockt, wobei letzterer mit den grandiosen Textzeilen "Los Paul, du musst ihm voll in die Eier hau'n, das ist die Art von Gewalt, die wir sehen wollen" neue Dimensionen der pazifistischen Lyrik erschließt (tatsächlich entstand der Text während einer Fußball-Übertragung im Fernsehen und mit dem titelgebenden Paul war natürlich Paul Breitner gemeint).

Weitere Highlights in dem Konzert, das wie die anderen TRIO-Auftritte einem detailliert konzipierten Ablauf folgte, sind das Punk-Stück "Ja Ja Ja" (mit Remmlers Kehlkopfmikro-Einlage, bei der er ein MG imitiert), das mit doomigen Sounds angereicherte "Kummer", der krachig-epische Blues "Broken Hearts For You And Me" (inklusive Kralles blind gespieltem Gitarrensolo), und einer der besten Pogo-Songs dieses Planeten: "Ja ja wo geht's lank Peter Pank schönen Dank" fetzt knapp über zwei Minuten lang mit Vollgas durchs Publikum. Hätten TRIO das in der "Hitparade" gespielt, wären vermutlich die Scheinwerfer von der Studiodecke gefallen und Teile des Rentnerpublikums hätten einen Kabelbrand im Herzschrittmacher davongetragen.

Aus dem Rahmen fällt das textlich derbe "Oder doch - wird nicht so schlimm sein", in dem rüde Porno-Sprache und die "Neue Deutsche Fröhlichkeit" aufs Korn genommen werden. Etliche Jahre später wurde Remmler auf einer Solo-Platte in dem Stück "Schweinekopf", das sich mit dem Thema Kinderprostitution befasste, noch deutlicher, wobei das (bewusst!) unpassende, lustig-leichte Element der Musik dem Inhalt des Songs völlig zuwiderlief. Remmler brachte das (natürlich) den Vorwurf der Verharmlosung ein, obwohl der kaum gezeigte Videoclip zu dem Stück in seiner Aussage eindeutig genug war.

Hier geht's lang: Punk Rock made by TRIO
"Lesemappen-Paul" und der Kapuzen-Blues

Die beiden Clips stammen aus einem TV-Mitschnitt, vermutlich im Juli 1982 in München aufgezeichnet, der es leider nicht mit auf die vorliegende Veröffentlichung geschafft hat.. Sehr schade, denn damit wäre die Doppel-DVD um ein erstklassiges TRIO-Livedokument reicher. Spätestens bei diesen beiden Nummern hätte sich auch das ewige Image, eine Blödelcombo zu sein (was die Band allerdings teilweise durchaus bediente), rein musikalisch gesehen schnell erledigt. Der stark aufs Wesentliche beschränkte Sound entsprang ja nicht fehlendem Können, was auf diese Weise mehr schlecht als recht kaschiert worden wäre, sondern vielmehr dem Wunsch, die Rockmusik wieder zur Essenz zurückzuführen. Das klingt groß und wichtig, aber wie der Beatles-Freund und zeitweilige TRIO-Produzent Klaus Voormann in der Doku ausführt, ging es um nichts weniger als genau das. Seiner Meinung nach waren TRIO etwas ebenso Einmaliges wie etwa die Beatles oder die Rolling Stones. Kennt man nur zwei oder drei der bekannten Songs, mag das reichlich übertrieben wirken, aber das liegt sicher zum Teil auch an den nicht nur positiven Folgen, die der Riesenhit "Da Da Da" nach sich zog.

Der einstündige Rückblick gräbt tief in der Vergangenheit: Remmlers Versuch, als "Rex Carter" durchzustarten (weit kam er damit nicht), ist ebenso dokumentiert wie seine Jahre als "Mick Jagger von der Unterweser" und die Krautrock-Ambitionen seiner Bandkollegen. Nach langer Durststrecke, während der Remmler und Krawinkel sogar einem seriösen Beruf (Lehrer) nachgehen, ist es um 1980 herum endlich soweit: Das TRIO findet sich. Erst notgedrungen, weil nicht alle Musiker regelmäßig zu den Proben erscheinen, dann ganz bewusst entsteht der Gedanke, Band und Sound ganz minimalistisch zu halten. Schlagzeug-Burg, große Instrumentierung und anderer musikalischer Pomp werden eliminiert. Neben humoristischen Live-Einlagen, bei denen Behrens und Remmler schon mal eine Runde Tischtennis spielen, während Krawinkel im Hintergrund einen Hendrix-Verschnitt zum Besten gibt, steht auch die Energie des Punk bei TRIO Pate.

Demo um Demo wird verschickt, aber die Resonanz ist ernüchternd. Keine Plattenfirma springt auf TRIO an, Musik und Konzept sind zu ungewöhnlich, werden offensichtlich als zu unausgegoren empfunden oder einfach nicht verstanden. Erst die Begegnung mit Leuten wie Klaus Voormann oder Dieter Meier von Yello, der das Video zu "Da Da Da" drehen wird, sorgt für die Wende. Der schnelle Erfolg stellt sich zwar noch nicht ein, aber zumindest ist der ersehnte Plattenvertrag endlich da. Der Rest ist bekannt: "Da Da Da" geht ab wie eine Rakete, auch und gerade im Ausland. Nach der zweiten LP zeigen sich allerdings Verschleißerscheinungen: Die frühere Unbekümmertheit weicht beginnenden Spannungen hinter den Kulissen. Der Versuch, sich 1985 mit Platte und Film zurückzumelden, gerät offensichtlich mindestens eine Nummer zu groß. Hits bleiben nun aus, und auch der Film "Drei gegen Drei" kann kommerziell nicht viel reißen.

Während Kralle und Stephan, der als einziger als Solo-Künstler größeren Erfolg hat, von den Einnahmen aus der TRIO-Zeit gut leben können, verpulvert Drummer Peter seine Kohle. In den vergangenen Jahren durfte er immer wieder mal für TV-Storys à la "Gestrandeter Rockmusiker lebt jetzt von Hartz IV" herhalten. Allzu viel Bitterkeit scheint sich in seinem heutigen Leben allerdings nicht breitgemacht zu haben, schließlich ist die TRIO-Zeit längst Geschichte und nicht mehr wiederholbar. Ein kurzzeitiger Versuch, die Band erneut aufleben zu lassen, ging etwa um das Jahr 2000 herum in die Binsen, wobei nicht viel dazu bekannt ist. Den wenigen Äußerungen zufolge war einfach die musikalische Chemie von einst schlichtweg nicht mehr gegeben.

Hightech-Puristen werden bei DVD 1 einen Gang zurückschalten müssen, denn Bild- und Tonqualität haben eher historischen Standard (was absolut in Ordnung geht, denn Blu-ray-Niveau und HD-7.1-Soundgewitter wird ja wohl keiner erwartet haben). Die Doku, von der auch noch eine längere Version als die auch im TV ausgestrahlte Fassung existieren soll, ist sehr kurzweilig und geht durchaus ins Detail, spricht also mehr den wirklichen Fan an und weniger das Publikum, das TRIO nur von diversen NDW-Hit-Compilations her kennt. Klaus Voormann hat Recht, wenn er meint, dass das wahre Potenzial von TRIO nicht vollends zur Geltung kam bzw. der breiten Masse angesichts des übermächtigen "Da Da Da" verborgen blieb. Sehr schade drum, denn in ihren besten Momenten war die Band überaus originell und von einer Qualität, dass z.B. bei den Promo-Gigs in den USA die anwesende Musikerpolizei vor Erstaunen ihren Ohren nicht traute.

Natürlich war nicht jeder Schuss ein Treffer, nicht alles ist heute ein vergessenes Juwel. Die richtig guten Stücke verdienen es aber, wiederentdeckt zu werden und nicht in einer Schublade mit Spaß-NDW à la "Tretboot in Seenot" zu landen. Die DVD ist zwar nicht ganz billig, macht aber richtig Lust auf die Musik und könnte vielleicht sogar dafür sorgen, dass die aktuell vergriffenen TRIO-Scheiben wie z.B. das 1982er Live-Album mal wieder neuaufgelegt werden und zu zivileren Preisen erhältlich sind. Zeit wird's!


- Stefan - 06/2012