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anacrusis - screams and whispers
(1993)

Und wieder einmal tanzt Redakteur Klaus aus der Reihe, indem er der Leserschaft im Rahmen der Classics-Rubrik eine Scheibe unterjubeln will, die - streng genommen - eigentlich gar keiner ist (?) - siehe MORE. Allerdings ist die Etikettierung eben als "Klassiker" meiner Meinung nach auch sowas von dermaßen subjektiv, daß man gerade im Zine über solchen Dingen stehen sollte, oder? Und wer weiß? Vielleicht gelingt es mir im Rahmen dieses Reviews ja gar, einen "Klassiker" zu etablieren?

Die Rede ist von Cutty Sark, einer unter… ja, eigentlich vielen Teutonen-Metal Bands, die in den achtziger Jahren in Deutschland nur so wie die Pilze aus dem Boden sprossen. 1976 u.a. von Bassist Helge Meier in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn gegründet, benannt nach einem Whisky, den ein Fan der ersten Stunde gerne zu trinken pflegte (welcher wiederum nach einem Tee verschiffenden Viermaster aus dem 19. Jahrhundert benannt war), im Laufe der Jahre um die Gebrüder Conny (Vocals) und Michael Schmitt (Drums) verstärkt und schließlich komplettiert durch den Gitarristen Uwe Cossmann, gelang es der Band, sich im Sog des herrschenden Metal-Booms so nach und nach einen Namen zu machen.

Im Jahre 1983 lieferten Cutty Sark mit der 4-Track-EP Hardrock Power ein erstes - durchaus beachtliches - Lebenszeichen ab, das für Freunde des melodischen und abwechslungsreichen Heavy Metal ein kleines Schmankerl darstellen dürfte. Schon damals fiel das tighte, groovende Zusammenspiel der Musiker auf sowie der unverwechselbare Stil von Cossmann, der sich zwar deutlich von Heroes wie Gallagher oder Schenker inspiriert zeigte, aber dennoch äußerst eigenständig und filigran tönte. Einzig Sänger Conny Schmitt fiel da ein wenig aus dem Rahmen. Aber nicht, weil seine Stimme nichts taugte - ganz im Gegenteil! -, sondern einzig aufgrund seiner etwas "eigenwilligen" Phrasierung, die es nicht gerade einfach machte, seine Sangesdarbietungen auch phonetisch nachvollziehen zu können. Da half es auch nichts, daß seinem Gesang teilweise unnatürlich viel Hall hinzugefügt wurde.
Wohl mit ein Grund dafür, daß es die Combo letztendlich doch nicht packen sollte…

Denn mit dem 1984er Werk Die tonight brachte man ein echtes Juwel an den Start: Abwechslungsreicher, versierter Metal, weitestgehend klischeefrei und mit einem musikalischen Potential, das der Band internationale Türen hätte öffnen müssen. Auch die Plattenfirma Mausoleum schien dies so zu sehen, spendierte sie doch das damals als revolutionär geltende Direct Metal Mastering-Verfahren, welches die Produktion klanglich erstklassig dastehen ließ. Zumindest für meine Wenigkeit zählten Cutty Sark zu dieser Zeit (neben Talon aus Bayreuth) zu den absoluten Hopefuls nicht nur der deutschen Metalszene!

Somit müßte eigentlich auch Die tonight für diesen Artikel titelgebend sein, wenn nicht… aber dazu später. Das Album strotzt nur so von eingängigen, einfallsreichen Songs, und besonders herausragend ist die Gitarrenarbeit von Cossmann, am besten nachzuvollziehen im Instrumental October Holidays, welches für mich auf Augenhöhe mit Riots Narita, Maidens Losfer Words oder Schenkers Captain Nemo steht!

Das 1985er Nachfolgealbum Heroes fiel dann im direkten Vergleich ein bißchen ab; zwar hatte man immer noch Klasse-Songs am Start (ganz stark: Das Gitarrensolo in Love the World away!), aber irgendwie fehlt dem Album ein wenig der Glanz des Vorgängers.

Danach schien alles gelaufen; man hörte nichts mehr aus Bonn, die Musiklandschaft veränderte sich allmählich und die Zeit - nicht nur für den - Teutonen-Metal war wohl vorüber…

Allerdings nicht für immer. Denn leise, still und heimlich, meines Wissens auch ohne allzu großes Presse-Tamtam, rauften sich Cutty Sark anno 1997 noch einmal zusammen und spielten mit Regeneration ein Album ein, das all ihre Stärken noch einmal hervorzauberte und auch einige neue Einflüsse durchschimmern ließ. Und zu meiner allergrößten Schande muß ich gestehen, daß auch ich Regeneration erst vor kurzem eher zufällig entdeckt habe… Asche über mein Haupt!

Beginnend mit dem schleppend-groovenden Opener A Trip to nowhere, welcher durch ein bluesiges Gitarrensolo veredelt wird, zeigt Regeneration, daß Cutty Sark nichts, aber auch rein gar nichts von ihrem Handwerk verlernt haben; die hier angedeutete Marschrichtung aus variablem Songwriting, tighter Rhythmus-Sektion und einerseits solider, unspektakulärerer, nichtsdestotrotz aber ungeheuer einfallsreicher Gitarrenarbeit setzt sich über die gesamte Spieldauer der CD hinweg fort. OK… Sänger Schmitt versteht man immer noch nicht zu 100%, aber er hat sich gesanglich noch einmal gewaltig gesteigert und erinnert phasenweise sogar etwas an Rob Halford.

Cutty & Roll kommt als Rock´n´Roller in der Tradition von Songs wie Jam to the Ramp (Die tonight) oder Firebird (Heroes) daher, fährt einem sofort ins Gebein und will schon nach nur einmaligem Hören nicht mehr aus dem Ohr entweichen.

Fainted Heart groovt unwiderstehlich, Fashion War packt den - intelligenten - Dampfhammer aus, ohne allerdings auf abwechslungsreiche Breaks zu verzichten, in Just for our Love erscheint die - megaintensive - Ballade schon relativ früh in der Running Order…

Out in the Streets kommt anfangs etwas bieder daher, steigert sich aber in puncto Heavyness zur Bridge hin (genialer Baß!), und der Refrain selbst ist dann einfach nur zum Niederknien!
Ähnlich Regeneration, der Titelsong: Pompöses Intro, geiles Riff, Hammer Drumming - und ein Song für die Ewigkeit! Wäre aber wohl an anderer Stelle der Tracklist etwas besser plaziert, da, was Tempo und Groove anbelangt, in eine ähnliche Kerbe schlagend wie Out in the Streets

Es folgt das speedige Sooner or later, klein (bzw. kurz), aber fein!

The Devil inside ist wiederum eine urtypische Cutty Sark-Nummer; spontan fällt mir keine andere Band ein, die einen derart "verzahnten" Rhythmus so schlüssig in einen Song verpacken kann. Sonderlob an Herrn Cossmann!

Das Schlußduo bilden dann die Songs The Fool and the Priest und Wargame Lover. Hier erinnern Cutty Sark wieder ziemlich stark an vergangene Zeiten: Speedig, polternd, aber groovend wie sonstwas! Ersterer besticht durch ein herrliches Gitarrensolo, letzterer durch einen intelligent gemachten melodischen Break.

Alles in allem: Für mich eine der besten Hard Rock-/Metal-Scheiben, die mir jemals untergekommen ist! Wer auf wirklich gut gemachte Heavy-Mucke in der Schnittmenge zwischen alten TRUST und Judas Priest steht, sollte unbedingt mal hier reinhören und dem oft verkannten und sogar belächelten Teutonen-Stahl abseits von Accept & Co. eine Chance geben.

- Klaus - 10/11