Also...
schon seit geraumer Zeit fühlt man sich als 80er Metalhead ja sowas von
gebauchpinselt angesichts all der starken Neuveröffentlichungen von Uralt-Bands,
daß es schon fast nicht mehr auszuhalten ist!
Ich nenne hier nur mal exemplarisch Bands wie Elixir, Witchfynde,
Keel, Vicious Rumors, Anvil, Warrant oder
mit dezenten Abstrichen Iron Maiden, Saxon und Y&T,
die in letzter Zeit mit superben Releases aufwarten konnten
und nun
krabbeln auch die NWOBHM-Veteranen von Hell wieder aus der Versenkung
hervor bzw. aus irgendwelchen finsteren Höllenschlünden ans
Tageslicht!
Das Bangerherz jauchzt!
NWOBHM-Insider erinnern sich vielleicht noch an deren Demo namens Who the Hell are Hell? aus dem Jahre 1983, welches neben der schauderhaften Aufnahmequalität vor allem durch den nervtötend-quiekigen Gesang von Dave Halliday auffiel, der wie eine hyperneurotische Neuauflage des ganz frühen Geddy Lee (Rush) klang aber auch nur mit sehr viel Wohlwollen! Daß die Burschen allerdings spielen konnten und zu durchaus abwechslungsreichem Songwriting fähig waren, erschloß sich damals wohl nur den wenigsten, mit extremster Geduld gesegneten Hörern. Es folgten noch ein paar selbstfinanzierte Singles, und als Hell schließlich 1984 vom belgischen Kultlabel Mausoleum unter Vertrag genommen wurden, schien alles in bester Ordnung. Indes zwei Wochen vor Beginn der Aufnahmen zur Debüt-LP ging die Plattenfirma pleite, Hell lösten sich frustriert auf und Sänger Dave Halliday beging 1987 schließlich auch noch Selbstmord.
Was blieb, war die Erinnerung der Fans an dem Vernehmen nach - bemerkenswerte und aufsehenerregende Live-Gigs; zu einem auch nur halbwegs repräsentativen Tonträger hatte es leider nie gereicht
Der allerdings dank der Intervention von Ex-Sabbat-Gitarrist und Halliday-Klampfenschüler Andy Sneap dann doch noch mit reichlich Verspätung realisiert werden konnte: Der inzwischen als Produzent aktive Musiker trommelte einfach die verblieben Ur-Mitglieder zusammen, und unter seiner Federführung spielte die Band ergänzt um den hauptberuflich als Schauspieler tätigen Bruder des Gitarristen am Mikro endlich das alte Material neu ein, das wohl auch nicht ungehört hätte verhallen sollen.
Human Remains als Ergebnis dieser Zusammenarbeit und, nebenbei bemerkt, herrlich doppeldeutiger Albumtitel - beginnt furchtbar theatralisch, mit an Das Omen erinnernden Chorälen und um es vorweg zu nehmen: Es bleibt auch theatralisch! Allerdings im positiven Sinne Schon der speedige Opener On Earth as it is in Hell zieht alle Register: Im Prinzip eine Mischung aus bestem NWOBHM-Stoff und leichten US-Metal-Anleihen, durchsetzt von Breaks, Tempowechseln und Double Bass Drum Gewummere dazu der wie schon angedeutet immer noch relativ extreme Gesang, der allerdings im Vergleich zu früheren Zeiten nun auch wirklich hörbar ist WOW!
Nach diesem Strickmuster geht es weiter, mal schneller, mal schleppender, mal treibender furiose doppelläufige Gitarrenleads treffen auf düster-atmosphärische Passagen die einzelnen Songs gehen alle nahtlos ineinander über oder werden teilweise mit Hilfe von Soundcollagen aneinandergereiht es tönt dicht und unheimlich intensiv voilà wir lauschen hier tatsächlich nicht nur einem Konzeptalbum, sondern einem Hörspiel! Und zwar dem besten seit Queensryches Operation Mindcrime!
Einzelne Songs hervorzuheben erspare ich mir einmal; Human Remains ist
eine Scheibe für Albumhörer, was Aufbau, Dramatik und Fluß betrifft.
Zwar sind die einzelnen Stücke natürlich auch stark genug um jeweils
für sich selbst stehen zu können; andererseits würde man dem
Potential dieser CD nicht einmal ansatzweise gerecht, wenn man hier via Skip-Taste
herumhüpfen würde. Nein
hier muß man komplett und am Stück
durch, man ist zugegeben auch ziemlich geschafft,
wenn man es nach einer guten Stunde schließlich geschafft hat
(da sage noch mal jemand, Metal an sich sei nicht kathartisch
) , aber
nach einer kurzen Erholungspause drängt es einen förmlich dazu, wieder
von vorne zu beginnen.
Eigentlich ja eher etwas für düstere Herbstabende, aber nichtsdestotrotz:
Ganz, ganz stark!
- Klaus - 07/11