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LAIBACH UND NSK - Die Inquisitionsmaschine im Kreuzverhör (2014)
von Alexei Monroe, erschienen im Ventil Verlag

Das Phänomen Laibach, Teil des im damaligen Jugoslawien entstandenen Künstlerkollektivs NSK alias "Neue Slowenische Kunst", ist ein Quell jahrzehntelanger Inspiration und zugleich hartnäckiger Missverständnisse. Geboren aus dem künstlerischen Konzept der "Retro-Avantgarde" entstehen Musik und Kunst mit Potenzial zu großer Kontroverse. Immer wieder sollen Laibach erklären, dass sie weder einem plumpen Uniformfetisch erlegen sind, noch dass sie affirmativ totalitären Ideologien wie dem Faschismus huldigen.

Laibach enthüllen, indem sie sich selbst (scheinbar) verschleiern: Besonders in den Achtzigern ist für Unwissende die Versuchung allzu groß, sie im Feld der Neuen Rechten anzusiedeln, wenn Laibach mit Stiefeln und im Jägersmanngewand durch ihre Videoclips marschieren - untermalt von schmissiger Musik, garniert mit angeblich rechtslastigen Texten, die in ihrer Schärfe so eindeutig klingen und letztlich doch nur ins Deutsche übertragene Popsongs von Queen oder der österreichischen Formation Opus sind.

Bei genauerem Hinsehen wird schnell klar, dass Laibach eine sehr analytische Beziehung zu dem pflegen, was sie in ihren Texten, Bildern und Videos collagieren: Propagandamaterial aus dem Dritten Reich in Kombination mit sozialistischer Erbauungskunst oder sorglos konsumierte Massenware der angloamerikanischen Pop-Industrie, die in ihre Einzelteile zerlegt und neu zusammengesetzt wird. Beispiel dafür ist das Queen-Stück "One Vision", das in deutscher Übersetzung und mit harter Marschmusik-Attitüde in manchen ein Gefühl auslöste, als zögen sie gerade inmitten einer Kolonne Verblendeter zum nächsten Reichsparteitag.

Der Autor und Medientheoretiker Alexei Monroe beschäftigt sich mit dem Themenkomplex Laibach und NSK bereits seit vielen Jahren, 2005 z.B. erschien dazu seine Arbeit "Interrogation Machine" in englischer Sprache. Ganze sieben Übersetzer haben sich des Werks angenommen, das hier in deutscher Erstausgabe vorliegt. Dabei handelt es sich um eine aktualisierte Fassung, die bis in die jüngste Vergangenheit reicht, um so dem komplexen Kosmos des Themas von Laibach bis zum NSK-Staat gerecht zu werden.

Aber auch künstlerische Arbeiten, die bis in die Achtzigerjahre zurückreichen, flossen in erweiterter Form mit ein. Die akademische Herkunft der Texte und der Ansatz des Autors lassen erkennen, dass hier eine äußerst profunde und kenntnisreiche Lektüre entstanden ist, welche allerdings (im Grunde zwangsläufig) auch eine hohe Bereitschaft seitens des Lesers erfordert. Monroes ausführliche Abhandlung ist keine Bandbiographie im üblichen Sinne, sondern eine kulturhistorische und kunsttheoretische Beschreibung und Einordnung dessen, was Laibach und NSK mit all ihren vielfältigen Wurzeln und Einflüssen bis heute ausmacht.

Taucht man ein in diese Welt, zeigt sich bald, wie enorm umfangreich das Netzwerk der Beziehungen zwischen Geschichte und Politik, Kunst und Mensch im NSK-Universum ist, wie sehr die Entwicklung Jugoslawiens dabei eine Rolle spielt, aber auch die Spielarten populärer Unterhaltungskunst von John Heartfield bis zu den Beatles. Monroe erweist sich als enorm belesen und spannt den Bogen daher sehr weit - was den Leser im ersten Moment durchaus überfordern kann. Jedoch erschlägt der Autor uns nicht mit übertrieben akademischem Vokabular, sondern weiß den Gegenstand seiner detaillierten Analysen verständlich zu vermitteln.

Ist man bereit, dem enorm anspruchsvollen Thema zu folgen, offenbart sich in Monroes Werk ein Füllhorn an Erkenntnissen und auch in neuem Licht gesehenes, bereits bekanntes Wissen. Wer Laibach und NSK schon immer mit mehr Interesse als nur an den musikalischen Erzeugnissen jenes Kollektivs gegenüberstand, wird den Kaufpreis von 25 Euro für knapp 400 Seiten als keineswegs zu hoch gegriffen empfinden. Dieses Buch bietet reichlich Gelegenheiten zum erneuten Studium alter Laibach-Alben und dem Erforschen intertextueller Bezüge, die man bislang vielleicht nur intuitiv wahrgenommen hatte.

Fazit: Schwere Kost, welche die volle Aufmerksamkeit des Lesers verlangt, ihn aber mit hohem Erkenntniswert für seine Mühen belohnt. Für am Thema Interessierte ist dieses Standardwerk daher ein Muss!

- Stefan - 04/2014