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PHASE IV

USA 1974
Regie: Saul Bass
Darsteller: Nigel Davenport, Lynne Frederick, Michael Murphy
DVD: Paramount
Bild: 1,78:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Englisch (DD 2.0 Mono)
Untertitel: Deutsch, Englisch
Bonusmaterial: nicht vorhanden

Spät, aber dann doch: In den USA ist PHASE IV, einer der intelligentesten Science-Fiction-Filme abseits von Weltraum-Schlachten und bombastischem Getöse, schon seit Jahren auf DVD zu haben, bei uns hat es bis Januar 2012 gedauert. Natürlich enthält die Scheibe keine Extras, noch nicht mal einen alten deutschen Kinotrailer, und natürlich wurde auch das dämliche Artwork der Ami-Scheibe übernommen, aber tragen wir es mit Fassung. Heutzutage ist man auch mit wenig zufrieden und das heißt in diesem Fall: Froh sein, dass Paramount überhaupt noch einen eher unbekannten Backprogramm-Titel auf DVD auswertet, die Qualität brauchbar ist und zumindest deutsche und englische Untertitel vorliegen.

Zur Geschichte von PHASE IV: In einer sich langsam entvölkernden, später geräumten Gegend entwickeln Ameisen ungewohnte Verhaltensweisen. Sie haben sich offenbar zielgerichtet organisiert und beginnen z.B. mit der Zerstörung von Häusern. Holzwände und Balken werden ausgehöhlt, Menschen verlassen daraufhin ihre baufälligen Behausungen. Zwei Wissenschaftler werden beauftragt, dem Phänomen auf den Grund zu gehen. Sie errichten eine Forschungsstation, um herauszufinden, wie die Ameisen es fertig bringen, ihre Kräfte derart zielorientiert einzusetzen, dass sie zu einer echten Bedrohung werden.

Eine Familie auf einer abgelegenen Farm ignoriert die Aufforderung zur Evakuierung, bis die unterschätzte Gefahr ihre volle Wirkung entfaltet. Nun endlich flüchten die Bewohner, doch ihr Weg führt sie in den Tod: Um den Ansturm der Ameisen abzuwehren, versprühen die in ihrem Labor verschanzten Forscher eine große Menge Gift. In dem tödlichen gelben Regen sterben nun auch die Farmer, die ausgerechnet in der Station Zuflucht suchen wollten. Nur eine junge Frau kann sich verstecken und überlebt.

Damit endet der erste größere Abschnitt des Films. Er beginnt ohne konventionellen Vorspann, beinahe wie eine Dokumentation. In Nahaufnahmen werden Ameisen bei der Verrichtung ihrer verschiedenen Arbeiten gezeigt. Offenbar folgen sie einem ausgeklügelten Plan, der mit dem Angriff auf die Forschungsstation fortgesetzt wird. Obwohl thematisch an die Öko-Schocker der Siebziger angelehnt, verweigert sich PHASE IV bereits im ersten Drittel weitgehend den üblichen Handlungsmustern.

Gerade weil grobe Effekte nur selten bemüht werden, hinterlassen die sparsam eingesetzten Schocks eine um so größere Wirkung. Etwa in jener Szene, als die beiden Wissenschaftler ihre Station verlassen, um das Resultat ihrer Giftattacke zu überprüfen: Dass es auch menschliche Opfer gegeben hat, scheint den älteren der beiden nicht zu kümmern. Für ihn ist dies nur Teil einer Problemstellung, die es zu lösen gilt - ein zwar bedauerlicher, aber eben vernachlässigbarer Faktor. Als er die zusammengeballte Hand eines Toten öffnet, krabbeln aus den Löchern auf der Innenseite Ameisen. Sie haben ihr Opfer allein durch ihre gigantische Zahl getötet, für sich genommen wären sie (fast) harmlos.

Der jüngere der Forscher versucht unterdessen, die Laute der Ameisen aufzuzeichnen und durch digitale Umwandlung ein Kommunikationsmuster zu erstellen. Auf diese Weise erhofft er sich, die Weitergabe von Befehlen und Plänen unter den Ameisen zu entschlüsseln. Diese haben sich erstaunlich schnell auf die neue Situation eingestellt: Fielen etliche von ihnen dem gelben Giftregen zum Opfer, ist die zweite Generation damit schon nicht mehr auszuschalten. Mit beachtlichem Geschick beschädigen die Ameisen Kabelstränge in der Station, die sie zudem mit reflektierenden, spiegelartigen Gebilden umgeben und mittels der heißen Wüstensonne erhitzen. Die drei Überlebenden (neben den Forschern noch die Enkelin der Farmer) sitzen wie in einer gigantischen Mikrowelle fest, nur nachts wird es erträglicher.

Die steigende Angst vor den Ameisen ergibt sich dabei nicht so sehr durch ihre Zahl (sie sind selten in wirklich riesigen Mengen zu sehen) als vielmehr durch ihre eiskalte, gnadenlose Rationalität, mit der sie ihren einmal begonnenen Plan umsetzen. Gezielt setzen sie die Funkverbindung der Station außer Kraft und sind offenbar in der Lage, auch das Verhalten der Wissenschaftler in gewisser Weise vorauszusehen, also methodisch und reflektiert zu handeln. In Phase III antworten sie sogar auf eine Botschaft der Forscher: Ein Kreis mit einem kleinen Punkt darin zeigt der Drucker an, als er die Umwandlung der Signale empfängt. Eine perfekt simple Einschätzung der Situation, die den Eingeschlossenen auch schnell deutlich macht: Ihr Schicksal ist besiegelt, jetzt sitzt die Gegenseite am Drücker. Ein Versuch, die Königin der Ameisen zu töten und ihnen somit vielleicht die Planungszentrale zu nehmen, scheitert.

PHASE IV beeindruckt durch seine Ernsthaftigkeit, die das Horrorpotential der Geschichte schnell hinter sich lässt, dabei aber trotzdem spannend bleibt und zugleich zum soziologisch-biologischen Experiment wird: Was wäre, würde sich eine Spezies tatsächlich in perfekter Einheit formieren und alles unterwerfen, was sich in ihrem Herrschaftsbereich aufhält? Das macht die beunruhigende Wirkung des Films aus, der recht bald erkennen lässt, dass sich der Schrecken nicht mit traditionellen Genremustern wird verbannen lassen. Es kommt kein schneidiger Pilot der Luftwaffe angeflogen, der mit großem Besteck das Viehzeug in die Steinzeit zurückbombt oder die Königin der Ameisen mit Napalm ausradiert. War ein Film wie Jack Arnolds THE INCREDIBLE SHRINKING MAN am Ende zwar traurig, aber im Sinne des Wortes nicht trostlos, ist PHASE IV über das rein individuelle Schicksal hinaus apokalyptischer.

Trotz weitgehender Absenz von grellen Attraktionen kommt in PHASE IV keine Langeweile auf, wozu auch die mal klassisch instrumentierte, mal elektronische Musik und die stilistische Versiertheit von Regisseur Saul Bass beitragen. Seine große Begabung auf verschiedenen Design-Gebieten, die ihn mit Filmregisseuren wie Alfred Hitchcock und Otto Preminger zusammenarbeiten ließ, verleiht den Bildern eine ganz besondere Qualität: PHASE IV wirkt visuell wie durchkomponiert, was den Film zweifellos auf ein anderes Level hebt. Und wie krönt man solche Kunst? Genau, mit einem DVD-Cover, das jeden ästhetisch anspruchsvollen Kunden vor Verzweiflung in den Wohnzimmerteppich beißen lassen muss (falls er einen solchen besitzt). Aber wir wollen uns nicht aufregen, das schadet nur den Nerven ...

- Stefan - 2/2002 (erste Version), 1/2012 (Phase V?)