(1988)
...die kenne ich jetzt nicht - und das war nun wirklich die einzige
Scheibe der amerikanischen Melodic-Punk-Rocker, welche Martin damals unterließ
mir auf's Auge bzw. Ohr zu drücken und zu diesem Zwecke aufzunehmen,
harhar! Dafür bin ich halt mit dem Nachfolger "No Control", sowie "Against
The Grain" und "Stranger Than Fiction" mehr oder weniger vertraut; und das
genügt dann eigentlich auch. Letzteres lief gerade während meiner
Fitnessübungen (!) und ich konnte mich kaum auf meinen Muskelaufbau (?!...
- na ja, wegen übler Rückenbeschwerden halt) konzentrieren, sondern
bin dazu, zu diesem hochenergetischen Sound mitgezuckt ohne Ende - einfach
nur geil, diese unwiderstehlichen Gitarren- und Gesangsmelodien! Supermelodische
Abgehmusik mit intelligenten Texten.
Als Manko muß man die begrenzte Variabilität des Punkrocks sehen,
da fragt man sich, wie denn die Jungs selbst, beim produzieren eines neuen
Stückes, sich nach zehn, zwölf oderwasweißichwievielen Alben
im absolut gleichen Stil sicher sein können, in etwa dasselbe nicht bereits
zuvor schon einmal hervorgebracht zu haben...
Als einer der hinweg zu fernen, beseeligten Räumen berufenen Intergalactic
Couch Crusaders, welcher die innere Versenkung bevorzugt, um zu den dortigen
wundersamen Klangwelten aufzusteigen und in diesen beglückt zu driften
und zu resonieren, ziehe ich zwar zum konzentrierten Zuhören im Allgemeinen
ganz andere Musik vor, aber dies hier ... also, wenn man nicht gerade die
steifste, verintellektualisierte Spaßbremse sein sollte, ja, dann muß
man das hier einfach mögen!!!
Mein Lieblingssong von Bad Religion ist übrigens - unter vielen anderen
tollen - ganz klar "Anasthesia", ahh, seufz, diese Leadgitarre....
Geile Band!
- Heiko - 11/02
Hab' ich doch tatsächlich vergessen, dir die zu überspielen...
Soll ich das nachholen? So 'ne klassische Tape-Kopie (ohne Dolby versteht
sich), gezogen von einer schon leicht knisternden Schallplatte.
An den Tag bzw. Abend, an dem ich zum ersten Mal Bad Religion hörte,
es war die besagte "Suffer"-LP, kann ich mich noch gut erinnern.
Das war vor ziemlich genau elf Jahren, nachmittags war ich auf einer Weihnachtsfeier
meiner Schulklasse (eine der seltenen Gelegenheiten, wo man mich auf einer
Weihnachtsfeier sehen konnte), und als wir so gegen sechs aufbrachen, fing
es an, leicht zu regnen, was es nur zu einer Frage der Zeit machte, bis die
Straßen spiegelglatt wurden. 15 Kilometer durch das oberpfälzer
Hinterland waren zu bewältigen, Autofahren im Winter fand ich schon immer
zum Kotzen. Eine Bekannte, die sich heute als selbständige Wirtschaftsprüferin
einen Audi-Sportwagen leisten kann, mit dem ich im Winter mit einem noch mulmigeren
Gefühl fahren würde, mußte ich noch in ein Dorf fünf
Kilometer und ca. 30 Höhenmeter weiter nach Hause bringen. Im Schneckentempo
und mit den Nerven am Ende kam ich schließlich zu Hause an.
Zumindest war das Päckchen vom "Frontline"-Mailorder gekommen,
damals bekannt für sein umfangreiches Punk- und Hardcore-Sortiment. Heute
werden da übrigens keine Platten mehr verkauft, sondern Klamotten für
trendige Jugendliche.
Und die bestellte "Suffer" für, glaube ich, 18,90 DM war auch
dabei. Ich hatte Matthias Herrs Urteil in seinem "Heavy Metal Lexikon
Band 2" (zu finden zwischen "Autopsy" und "Battle Brat")
blind vertraut: "Ich kenne wirklich keinen, dem die Scheibe nicht
gefällt. Sowas ist sehr selten, hat jedoch seine guten Gründe. Hochgradig
melodiöses Songmaterial, das sich nicht so leicht einordnen lässt,
wie es hier und da zu lesen war (z. B. Melodic Hardore, das schließt
sich doch irgendwie aus)." Über Matthias' Ansichten in seinen
Lexika kann man oft geteilter Meinung sein, zum Schluß fuhr er ja total
auf Black-Metal ab, und verschwand danach irgenwie von der Bildfläche,
aber hier hatte er uneingeschränkt Recht. Kurze, durchschnittlich 1:45
Minuten lange Songs, die scheinbar nur aus dem Refrain zu bestehen schienen,
mit einem genialen Greg Graffin als Sänger und Texter. Jener war damals
meines Wissens schon wissenschaftlicher Mitarbeiter an eine Universität
(weshalb die Band in den Semesterferien tourte)und hat später in Biologie
über irgendwelche Fische promoviert (dem Nonkonform #3 war das ein ganzer
Artikel wert, müßig zu fragen, wer ihn geschrieben hat). Mit seiner
akademischen Vorbildung hielt er nicht hinter dem Berg, weshalb man manche
Ausdrücke im Standard-Langenscheidt gar nicht fand. Unvergessen der Titelsong
(fast ohne Wörterbuch zu bewältigen): "People blow their
minds (they choose to resign), this deformed society is part of their design.
It'll never go away (it's in the cards that way)- The masses of humanity will
always have to SUFFER!" Oder auch "1000 More Fools", ohne
Rücksicht auf Copyright-Verletzungen oder die Geduld des Lesers in voller
Länge (1:43):
"I heard them say that the meek shall reign on earth, phantasmal myriads
of sane bocolic birth. I've seen the rapture in a starving babys eyes, inchoate
beatitude, the lord of the flies. So what does it mean when your mind starts
to stray? Kaleidoscopic images of love on their way, brother you'd better
get down on your knees and pay, 1000 more fools are being born every fucking
day. They try to tell me that the lamb is on the way, with microwave transmissions
they bombard us every day. The masses are obsequious, contented in their sleep,
the vortex of their minds ensconsed within the murky deep."
Und so weiter. Binnen kurzer Zeit war das BAFÖG nicht bestimmungsgemäß
für den Backkatalog verbraten worden. Drei Bad-Religion-LPs paßten
auf eine 90er-Kassette und liefen u. a. wenn ich im Zivildienst aushilfsweise
Essen in ein anderes Altenheim liefern mußte und dabei der Inhalt des
Suppenbehälters in den Kofferraum schwappte (die Flecken waren bis zur
Verschrottung vor drei Jahren dort zu sehen). Alternativer Soundtrack: "Trust
live" von TRUST oder "Bedtime For Democracy" von den Dead Kennedys.
Natürlich konnte man so eine Kassette auch liebevoll für ein mit
hohen Sympathiewerten versehenes weibliches Wesen zusammenstellen und beschriften
(was bei gut 40 Titeln nicht so einfach war). Das hatte schon mehr , als heute
so eine schnell zusammengebrannte Silberscheibe, denn man mußte mit
dem Taschenrechner vor der Platte sitzen und ausrechnen, ob und in welcher
Reihenfolge die meisten Songs (im Idealfall alle) auf das Tape paßten
- gerade habe ich den Zettel mit den Berechnungen in der Plattenhülle
gefunden. Und dann mußte man natürlich während des Aufnahmevorgangs
persönlich vor der Stereoanlage anwesend sein und gegebenenfalls das
Band anhalten und den Tonarm weiterführen. Von wegen "mit der Maus
markieren und einfach ins andere Fenster rüberziehen", nix da. Viel
bringen tut das aber nicht, soweit meine Erfahrung. Dabei bin ich mir fast
sicher, daß sie Kassette heute immer noch hat...
Bad Religion heute sind ein anderes Thema. Ich kauf' mir schon seit Jahren
nichts mehr Neues von denen (HIER
dazu mehr, und ich merke gerade, daß ich mich in ein paar Punkten wiederholt
habe), denn es stimmt schon, hört sich alles irgendwie ähnlich an,
und trotzdem waren sie früher besser.
"Suffer" bleibt, zusammen mit allem, was Bad Religion bis etwa Mitte
der 90er gemacht haben, definitiv ein Klassiker. Und mein Lieblingssong
befindet sich auch nicht auf "Suffer" sondern auf "No Control"
von '89, nämlich "I Want To Conquer The World" ("...
give all the idiots a brand new religion, put an end to poverty, uncleanliness
and toil, promote equality in all of my decisions..." - OK, reicht.)
Bestes Cover war natürlich "Against The Grain", das habe ich
sogar heute noch als verwaschenes T-Shirt, welches nur zu besonderen Anlässen
getragen wird, auch wenn's unter dem Pullover keiner sieht.
Gut, jetzt reicht's dann wirklich.
- Martin - 12/02