Die
reine Freude, sich diesem Film anzuvertrauen.
Seit 1996 findet in einer kleinen Stadt im nördlichen Finnland "The
Annual Air Guitar World Championship Contest" statt, ein ganz spezielles
musikalisches Festival, ein modernes kleines Nerd-Woodstock.
Da bis 2003 kein Wettbewerber aus Amerika, schließlich die offizielle
Heimat des Rock'n'Roll, dabei war, wurde diesem unhaltbaren Umstand umgehend
Rechnung getragen und an der Ost- und Westküste einige Vorausscheide
organisiert. Das alles natürlich von Anfang an von einem Kamera-Team
begleitet. Wie man das in Amerika halt so macht. Glücklicherweise. Denn
dieses historische Ereignis mußte einfach für die Mit- und Nachwelt
festgehalten und dokumentiert werden.
Eine Reihe sympathischer Verrückter wird hier bei Auftritten und in Interviews
vorgestellt, bis sich der ewige Zweite, aber dennoch in seiner Motivation
unbeugsame Bjorn Turoque und der geborene Entertainer C-Diddy als die Hauptprotagonisten
herauskristallisieren. Es geht bei allen Beteiligten, das kommt ganz klar
rüber, vor allem um den gemeinsamen Spaß und die Begeisterung an
der Sache, kaum um irgendwelche überzogenen Ego-Nummern. Das zeigt sich
beispielsweise deutlich am Verhalten des Serien-Champions Zac, der sich aufgrund
des übermäßigen Fokus auf seine Person aus dem Rampenlicht
der Bühne in die Jury zurückzog. Der japanstämmige Amerikaner
David S. Jung, wie C-Diddy mit bürgerlichem Namen heißt, ist nicht
nur ein faszinierender Charakter und wahnsinnig netter Mensch, er läßt
auch die zwei interessantesten Statements vom Stapel. Und zwar, daß
es beim Luftgitarrespielen nicht darum ginge, möglichst cool rüberzukommen
oder blenderisch Eindruck zu schinden, sondern schlicht um den natürlichen
Drang zum Ausagieren, wenn man einen wahnsinnig geilen Rocksong hört.
Dann möchte man unwillkürlich loslegen und einfach auch körperlich
ein Teil der Musik werden, um auf jeder nur denkbaren Ebene damit zu verschmelzen.
Dann meinte er noch, daß, falls er die Weltmeisterschaft gewönne,
ihm dieser Triumpf sein Leben lang erhalten bliebe. "At least, at
one point I was the best in ... something." Jeder hat das Bedürfnis,
eine befriedigende Leistung zu vollbringen, etwas Besonderes zu erreichen,
zumindest einmal vom Kelch des Triumpfes zu kosten, eine herausragende Fähigkeit
zu entwickeln. Worin, ist dabei gar nicht mal das Entscheidende. Wichtiger
als ein eventueller Weltmeistertitel war für David Jung letztlich wohl,
daß seine sehr konservativ eingestellten Eltern mit nach Finnland kamen
und diese Erfahrung sie ihre Reserviertheit gegenüber den seltsamen künstlerischen
Anwandlungen ihres Sohnes mehr oder weniger ablegen lies.
Okay, zugegeben, eine Olympische Disziplin wird Luftgitarrespielen wahrscheinlich
niemals werden. Aber dessen ursprüngliches Motto "Dabeisein ist
alles" hat zumindest das kleine finnische Pendant sich bewahrt und mit
nur ein klein wenig gutem Willen könnte man das, was die Jungs und Mädels
hier auf der Bühne veranstalten, durchaus als Performance Art bezeichnen.
Mancher Beobachter mag das lächerlich finden. Andere es als legitimen
Zweig der Popkultur anerkennen. In jedem Fall bringt es Menschen, hier die
Performer und Besucher des Contests, zusammen und begeistert sie. In jedem
Fall ist es ein lebendiger Ausdruck von ekstatischer Freude und totaler Enthemmung.
Denn, Leute, wenn jemand beim Hören eines energetischen Gitarren-Akkords
selbst noch nie das Bedürfnis in sich verspürte, spontan ein imaginiertes
Instrument zu schreddern, so dann, hey, werfe derjenige das erste Plektrum.
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Rock on!
=)
- Heiko - 08/13
Sollte es
die komplette Doku auf einem Videoportal zu sehen geben,
wäre das sicher nicht legal