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Jimmy Page/The Edge/Jack White - It Might Get Loud (2008)


Oder: Neulich beim Herumzappen… wieder mal…

… wurde ich auf irgendeinem Regionalprogramm der ARD des ergrauten (was allerdings stark untertrieben ist: gäbe es das Wörtchen erweißt, wäre es wohl weit zutreffender…) Jimmy Page gewahr, der gerade in unnachahmlicher Manier eine Mandoline bearbeitete. Vom allerersten Ton an groovte es da aus dem Fernseher, daß es eine wahre Pracht war. Also: Dranbleiben und schauen, was da noch so kommt, hieß die Devise. Und es kam noch so einiges!

Am folgenden Tag googelte ich in der vagen Hoffnung auf eine baldige Wiederholung dieser absolut herausragenden Sendung, wurde aber bitter enttäuscht, denn der Film war anscheinend bereits auf allen nur erdenklichen ARD-Kanälen gezeigt worden, so daß ich mich schließlich genötigt sah, die DVD beim Mailorder unser aller Vertrauens käuflich zu erstehen, um dieses Machwerk in voller Länge genießen zu können.

Was soll´s? Gedacht, getan, und wenige Tage später konnte ich endlich die DVD mit dem verheißungsvollen Titel It might get loud in den Player schieben. Und habe es seither noch einige weitere Male getan. Denn selten hat mich eine Rockumentary dermaßen begeistert!
Aber der Reihe nach…

Freilich hatte ich irgendwann einmal- was ich zwischenzeitlich möglicherweise auch verdrängt hatte - in irgendeiner Gazette das Foto der 3 Hauptakteure des Films gesehen, die damit verbundene Rezension aber geflissentlich und wohl auch ein wenig borniert ignoriert.
Denn was soll man auch erwarten, wenn sich drei anscheinend völlig gegensätzliche Stargitarristen zum Plausch versammeln? Werbung für den jeweiligen Backkatalog? Oder für irgendeinen Klampfenhersteller, der händereibend ein paar neue Heroes als Endorser ins Rennen schickt? Daß sie sich gar gegenseitig die Fresse polieren könnten, wie einer der drei Protagonisten gleich zu Beginn unumwunden zugibt? Weit gefehlt…

Zuallererst - noch vor dem Vorspann - sieht man den Ex-White Stripes-Gitarrero Jack White, wie er sich in ländlicher Idylle auf der ziemlich ramponierten Veranda eines Farmhauses aus ein paar Utensilien eine Art Minimalklampfe zusammennagelt (!) und nach erfolgtem lautstarken Funktionstest stolz verkündet: "Wer sagt, man muß eine Gitarre kaufen?"

Weiter geht´s mit Lobpreisungen des geliebt-geheiligten Instruments, über dessen Ästhetik, Energie, Seele und Ausstrahlung, etwas pseudo-philosophisches Geplänkel über das Selbstverständnis der Gitarristen als Klangarchitekten oder gar Yoga-Eleven etc.
Aber sobald die Drei in einem Raum sind und zwanglos drauflosklampfen und -plaudern und so nach und nach deren Motivationen und Hintergründe deutlich werden, beginnt der Film, seine unwiderstehliche Magie zu entfalten. Spätestens wenn der doch recht schräge Jack White in einer Spielsequenz seinem juvenilen Alter Ego auf sehr spezielle Weise erklärt, wo es lang geht, spätestens, wenn Altmeister Page ganz locker aus der Hüfte groovt oder anschaulich zu seinen Idolen von anno dunnemals mitswingt, oder wenn U2s The Edge in seiner Küche alte Demos in einem völlig neuen Licht erstrahlen läßt oder ganz verklärt von seiner allerersten E-Gitarre schwärmt, ist man mitten drin in einem Generationentreffen, das einen so schnell nicht mehr losläßt. Vorausgesetzt, man zählt sich - ebenfalls - zum Kreis der Rock´n´Roll-Verrückten…

Denn so unterschiedlich die Biographien der drei gefeatureten Musiker (Page ist Jahrgang 1944 (btw: Wer hätte gedacht, daß der Riffmeister mit einem derartigen Stimmchen "gesegnet" ist?), The Edge 1962 und White 1975) auch sein mögen; Interessantes zu berichten und zu zeigen habe sie allemal. Und gerade dann, wenn sie ihre unterschiedlichen Hintergründe verschmelzen, wenn beim gemeinsamen Jam Classic Rock auf grungig-anarchischen Blues und wavig-hektische Stakkato Single Notes trifft , oder wenn Altfuchs Page z.B. konzentriert versucht, die Akkorde seiner Kollegen zu ergründen, tritt die eigentliche Message des Streifens zutage. Nämlich, daß es im wesentlichen eigentlich nur auf gut gemachte, ehrlich gefühlte, ja gelebte Musik ankommt (was durch einen kurzen Schlenker auf den Kultfilm Spinal Tap noch verstärkt wird; gerade Page, der mit seinen Led Zep Seventies-Auswüchsen ja diesbezüglich nicht gerade als integer gelten dürfte, gibt zu, daß er angesichts dieses Streifens alles andere als erheitert war…). Und darauf, daß man authentisch ist und bleibt und sein Ding auch auf Gedeih & Verderb durchzuziehen bereit ist. Zentral hierbei: Die Klampfe und die individuelle musikalische Vision, die - zumindest im Falle der Drei - wohl über so manche Widrigkeit hinweghelfen konnte…

It´s only Rock´n´Roll… jumping off into the unknown… sometimes you feel like a complete idiot… but I like it!

Freilich ist It might get loud in gewisser Hinsicht ein Film über Freaks. Oder über Besessene.
Aber halt auch über Leidenschaft. Und darüber, wie es ist - O-Ton Page - der Familie der Geschichtenerzähler anzugehören. Weshalb die Rezension hier bei Stromgitarrenmusik und mehr auch bestens untergebracht sein dürfte…
Der Film ist natürlich ein Muß für jeden Gitarristen, der auch nur ansatzweise etwas mit der Musik (eines) der drei Protagonisten anfangen kann. Aber auch "normale" Rockfans sollten einmal ein Auge riskieren; immerhin erfährt man doch so einiges über die jeweiligen Hauptbands der Musiker. Und vor allem groovt es von vorne bis hinten. Absolut sehenswert!

- Klaus - 06/11