Oder:
Neulich beim Herumzappen
wieder mal
wurde ich auf irgendeinem Regionalprogramm der ARD des ergrauten (was allerdings stark untertrieben ist: gäbe es das Wörtchen erweißt, wäre es wohl weit zutreffender ) Jimmy Page gewahr, der gerade in unnachahmlicher Manier eine Mandoline bearbeitete. Vom allerersten Ton an groovte es da aus dem Fernseher, daß es eine wahre Pracht war. Also: Dranbleiben und schauen, was da noch so kommt, hieß die Devise. Und es kam noch so einiges!
Am folgenden Tag googelte ich in der vagen Hoffnung auf eine baldige Wiederholung dieser absolut herausragenden Sendung, wurde aber bitter enttäuscht, denn der Film war anscheinend bereits auf allen nur erdenklichen ARD-Kanälen gezeigt worden, so daß ich mich schließlich genötigt sah, die DVD beim Mailorder unser aller Vertrauens käuflich zu erstehen, um dieses Machwerk in voller Länge genießen zu können.
Was soll´s? Gedacht, getan, und wenige Tage später konnte ich endlich
die DVD mit dem verheißungsvollen Titel It might get loud in den
Player schieben. Und habe es seither noch einige weitere Male getan. Denn selten
hat mich eine Rockumentary dermaßen begeistert!
Aber der Reihe nach
Freilich hatte ich irgendwann einmal- was ich zwischenzeitlich möglicherweise
auch verdrängt hatte - in irgendeiner Gazette das Foto der 3 Hauptakteure
des Films gesehen, die damit verbundene Rezension aber geflissentlich und wohl
auch ein wenig borniert ignoriert.
Denn was soll man auch erwarten, wenn sich drei anscheinend völlig gegensätzliche
Stargitarristen zum Plausch versammeln? Werbung für den jeweiligen Backkatalog?
Oder für irgendeinen Klampfenhersteller, der händereibend ein paar
neue Heroes als Endorser ins Rennen schickt? Daß sie sich gar gegenseitig
die Fresse polieren könnten, wie einer der drei Protagonisten gleich zu
Beginn unumwunden zugibt? Weit gefehlt
Zuallererst - noch vor dem Vorspann - sieht man den Ex-White Stripes-Gitarrero Jack White, wie er sich in ländlicher Idylle auf der ziemlich ramponierten Veranda eines Farmhauses aus ein paar Utensilien eine Art Minimalklampfe zusammennagelt (!) und nach erfolgtem lautstarken Funktionstest stolz verkündet: "Wer sagt, man muß eine Gitarre kaufen?"
Weiter geht´s mit Lobpreisungen des geliebt-geheiligten Instruments,
über dessen Ästhetik, Energie, Seele und Ausstrahlung, etwas pseudo-philosophisches
Geplänkel über das Selbstverständnis der Gitarristen als Klangarchitekten
oder gar Yoga-Eleven etc.
Aber sobald die Drei in einem Raum sind und zwanglos drauflosklampfen und -plaudern
und so nach und nach deren Motivationen und Hintergründe deutlich werden,
beginnt der Film, seine unwiderstehliche Magie zu entfalten. Spätestens
wenn der doch recht schräge Jack White in einer Spielsequenz seinem juvenilen
Alter Ego auf sehr spezielle Weise erklärt, wo es lang geht, spätestens,
wenn Altmeister Page ganz locker aus der Hüfte groovt oder anschaulich
zu seinen Idolen von anno dunnemals mitswingt, oder wenn U2s The Edge
in seiner Küche alte Demos in einem völlig neuen Licht erstrahlen
läßt oder ganz verklärt von seiner allerersten E-Gitarre schwärmt,
ist man mitten drin in einem Generationentreffen, das einen so schnell nicht
mehr losläßt. Vorausgesetzt, man zählt sich - ebenfalls - zum
Kreis der Rock´n´Roll-Verrückten
Denn so unterschiedlich die Biographien der drei gefeatureten Musiker (Page
ist Jahrgang 1944 (btw: Wer hätte gedacht, daß der Riffmeister mit
einem derartigen Stimmchen "gesegnet" ist?), The Edge 1962 und White
1975) auch sein mögen; Interessantes zu berichten und zu zeigen habe sie
allemal. Und gerade dann, wenn sie ihre unterschiedlichen Hintergründe
verschmelzen, wenn beim gemeinsamen Jam Classic Rock auf grungig-anarchischen
Blues und wavig-hektische Stakkato Single Notes trifft , oder wenn Altfuchs
Page z.B. konzentriert versucht, die Akkorde seiner Kollegen zu ergründen,
tritt die eigentliche Message des Streifens zutage. Nämlich, daß
es im wesentlichen eigentlich nur auf gut gemachte, ehrlich gefühlte, ja
gelebte Musik ankommt (was durch einen kurzen Schlenker auf den Kultfilm
Spinal Tap noch verstärkt wird; gerade Page, der mit seinen Led
Zep Seventies-Auswüchsen ja diesbezüglich nicht gerade als integer
gelten dürfte, gibt zu, daß er angesichts dieses Streifens alles
andere als erheitert war
). Und darauf, daß man authentisch ist und
bleibt und sein Ding auch auf Gedeih & Verderb durchzuziehen bereit ist.
Zentral hierbei: Die Klampfe und die individuelle musikalische Vision, die -
zumindest im Falle der Drei - wohl über so manche Widrigkeit hinweghelfen
konnte
It´s only Rock´n´Roll jumping off into the unknown sometimes you feel like a complete idiot but I like it!
Freilich ist It might get loud in gewisser Hinsicht ein Film über
Freaks. Oder über Besessene.
Aber halt auch über Leidenschaft. Und darüber, wie es ist - O-Ton
Page - der Familie der Geschichtenerzähler anzugehören. Weshalb die
Rezension hier bei Stromgitarrenmusik und mehr auch bestens untergebracht
sein dürfte
Der Film ist natürlich ein Muß für jeden Gitarristen, der auch
nur ansatzweise etwas mit der Musik (eines) der drei Protagonisten anfangen
kann. Aber auch "normale" Rockfans sollten einmal ein Auge riskieren;
immerhin erfährt man doch so einiges über die jeweiligen Hauptbands
der Musiker. Und vor allem groovt es von vorne bis hinten. Absolut sehenswert!
- Klaus - 06/11