Heiko und Klaus haben ihre Hör-Sessions des Jahres 2015 aufbereitet und präsentieren hier konzentriert und kommentiert ihre persönlichen Bestenlisten, welche einen schönen Eindruck des musikalischen Gemischtwarenladens geben, den wir mit unserer kleinen Publikation betreiben.
Afternoons In Stereo - Retrospective
Zum Geschirrspülen und Wohnungputzen gibt's nix besseres.
Ja. Ganz genau. Das war ein Kompliment.
Lebhafter, loungiger, smoother Jazz. Ganz großer Sound, der einem geradewegs
in Hände und Beine fährt, die Hüften grooven und dabei, mit
seinen fulminanten Arrangements wie solistischen Einlagen, das Gehirn swingen
läßt.
Fantastische tiefenreinigende Rhythmen und blitzsaubere Melodien galore!
Getestet und empfohlen von Ihrem regionalen Meister Proper-Impersonator.
Alpha Wave Movement - Earthen
Nach einigen klanglich eher weniger zufriedenstellenden Versuchen hier nun
ein durchweg brillantes, stilistisch herzerfrischend oldschooliges, ambientes
Werk von diesem Electronica-Tüftler. Power up your celestial Synthsizers
and set the Sequencers to stun!
Ampacity - Superluminal
Einnehmend vom hyperspacerhythmisierenden progressivmetallischen Opener "42"
bis zum abschließenden, hypnotischhymnisch durchdieeingeweideeineswurmlochsgroovenden
spacerockigen Titelstück.
Instrumentalrock, der neue Adjektive und mehr Hörer verdient.
Anekdoten - Until All The Ghosts Are Gone
Symphonic Space Prog par excellance!
DAS Album des Jahres. Keine Frage.
Schön, daß die Norweger zurück sind, um dem Klangkosmos mit
ihrer ganz ureigenen Art zu bereichern, um ihn mit weite Spannungs- und Melodiebögen
schlagender und kunstvoll verwobener introspektiver Melancholie zu erweitern.
Zwar werde ich immer die partielle Schroffheit, Wildheit und Schrägheit
(und den verzerrten Monsterbass) der Anfangstage vermissen, aber hey, dies
hier ist gar göttliche Musik! Ich liebe dieses Werk, von der ersten bis
zur letzten Note.
Anna von Hausswolff - The Miraculous
Klassik, Post Rock, Folk, Electronica, Ambient, Drone.
Durchdringendbombastische Kirchenorgel und sirenenhafte Gesangsstimme.
Betörend und gelegentlich verstörend, dunkel und enigmatisch, übergibt
diese schwedische Künstlerin auf ihrem Drittwerk die Grenzen der verschiedensten
Genres und orthodoxen Strukturvorstellungen dem vereinenden Feuer der Transzendenz.
Arcane - Known/Learned
Auf der Suche nach den gleichnamigen texanischen Proggern aus den Achtzigern
stolperte ich über diese spannende Progressiv Metal Entdeckung. Erfreulich
nicht allein, weil die Burschen spielen und komponieren können wie die
Weltmeister, sondern, keine Selbstverständlichkeit in einem Genre mit
der naturgegebenen Neigung zum Prätentiösen, das Ergebnis authentisch
und das Erlebnis emotional aufrichtig klingt.
Black Oath - To Below and Beyond
Epic Metal. Klasse Gesang, Riffs, Soli, Leads. Viele ruhigere Passagen und
ein generell sehr transparenter Sound. Griffige Melodien und energieaufladende
Songaufbauten.
Einziges Werk in meiner Liste, welches mit einer fiesen DR5 belastet ist.
Normalerweise kommentiere ich sowas höchstens mit einem bedauernden,
ignoranten Schulterzucken. Alleine, daß sie hier auftauchen, zeigt,
wie gut diese Doomster aus Italien sind.
Creepoid - Cemetery Highrise Slum
Scheiße, sind die cool. Es gab ja schon allzu viele Bands, die sich
anschickten, The Jesus And Mary Chain oder My Bloody Valentine zu beerben.
Aber selten so überzeugend, laidback dahinrockend und shoegazend, mit
die fuzzig-distortive Kruste aufbrechenden, verführerischen Hooklines
um sich werfend.
Deafheaven - New Bermuda
Black Metal ist nun eigentlich so gar nicht mein Genre. Dieses Album entfaltet
jedoch eine derart musikalisch in gegensätzlicher Komplexität dahinwütende,
atmosphärisch dichte hypnotische Intensität, welcher man sich nur
schwerlich entziehen kann. Eine rückhaltlose Nachtfahrt der traumatisierten
Seele durch schmerzhafte Katharsis hineingleitend in entladene Erlösung
- und das, wiederholt, in mehrdimensionalen Moebiusschleifen.
Entheogenic - A Singularity Encoded
Relaxt und umtriebig zugleich. Ideenreicher, betörender Psychill.
Failure - The Heart Is A Monster
Neben Anekdoten die willkommensten (Non-Metal) Comebacker. "I Can See
Houses" ist die episch-melancholische Entrückung des Jahres, der
Rest ebenfalls superber und eigenwilliger Alternative Rock.
From The Mouth Of The Sun - Into The Well
Kammermusikalischer Trip in ambiente Dimensionen, akzentuiert mit vereinzelten
dissonant-postrockigen Einsprengseln. Auf's Wesentliche reduziert und von
naturalistischem Klang schimmert die Hingegebenheit an die Unbegrenztheit
fühlbar hinter allen Tönen.
Godspeed You! Black Emperor - Asunder, Sweet and Other Distress
Ein Behemoth von einem Album.
Selten war das Hinabblicken in den Abgrund verlockender und der Ausblick auf
die Apokalypse hoffnungsvoller.
Grave Pleasures - Dreamcrash
Post Punk der Nachfolger von Beastmilk.
Wie die Editors oder Interpol in gut. Also, ihr wißt schon, deren ganz
frühe Sachen, als sie noch so richtig begeisterten.
Kamasi Washington - The Epic
Exakt was der Titel behauptet.
Nicht, daß ich nun vorgeben wollen würde, der weltgrößte
Genrekenner zu sein, aber ich behaupte einfach mal so aus der hohlen Hand
heraus, daß dies ein moderner Klassiker des Jazz ist.
Ein kreativer Mount Everest.
Mind = blown.
Koan - Retrospective Tapes: Elegy
Psychill vom Allerfeinsten; verziert mit geschmackvollen jazzigen und weltmusikalischen
Touches.
Myrkur - M
Atmospheric Black Metal von einer blonden dänischen Sängerin, die
zuvor Pop gemacht hat. Erscheint seltsam, ist aber so.
Die Begegnung engelsgleicher und dämonischer Stimmungen machen den Reiz
dieser Scheibe aus. Die dichte, herbstlich-nebelverhangene, von lichten Wolkendurchbrüchen
durchsetzte, geheimnisvolle Szenerie läßt einen, einmal in ihrem
Bann, so bald nicht wieder los.
offthesky - Light Loss
Ambient Soundscapes ...
offthesky - The Serpent Phase
... der weltüberragenden Klasse ...
offthesky and Pleq - A Thousand Fields
... der dem Bewußtsein ein neues Gefäß gibt und es in einen
weitläufigen nirwanischen Raum verschifft.
Ozric Tentacles - Technicians of the Sacred
Die tiefschürfende, reinigende und erquickende Klangtechnik der Ozrics
erreicht Stellen des Geistes, da kommen herkömmliche Klangbesen gar nicht
hin.
Pauw - Macrocosm Microcosm
Unwiderstehlicher Sixties Pop und Psychedelic Rock. Dem mehr als einmal ausgesetzt
und man ist diesen ohrwurmigen kleinen Songs willenlos verfallen.
Highly addictive.
Pinnacles - Convolve & Reflect
Wer von euch vermißt ebenso sehr die großartigen Oceansize?
Port St. Willow - Syncope
Minimalistische jazzige Popmusik mit einem wunderbaren, fragil-verletzlichen
Sänger. Innerhalb der rahmengebenden Percussions tupfen verspielte elektronische
Elemente, E-Piano, Gitarre, sporadisch Vibraphon, Trompete und Saxophon, ihre
sparsamen Klanglichtflecken in die schwarzen endlosen Weiten der Stille.
Ach ja, hatte ich eigentlich schon den Sänger erwähnt? Hach. Diese
Stimme.
Professor Kliq - The Scientific Method, Vol. III
He did it again.
Dieser junge Elektro-Künstler aus Chicago brilliert erneut mit prachtvollem
Audio-Design, infektiösen Rhythmen und geschmackvollen Harmonien.
Lightyears ahead of the pack.
Public Service Broadcasting - The Race For Space
Der Aufbruch der krautrockenden Electronica-Hipster in den Weltraum. Klarer
Fall, da bin ich dabei. :)
Queensryche - Condition Human
Ebenso wie bei Slayer wurde es mir ab Mitte der Neunziger relativ zügig
sehr schnuppe, was die in ihrer ersten Dekade zu meinen Lieblingen zählenden
Seattler so von sich gaben. Viel musikalisch Beachtenswertes war's nicht.
Stattdessen durften die verbliebenen Fans einem peinlichen, handfesten bandinternen
Zerwürfnis beiwohnen. Nach einem rüden FU in Titel und Cover-Art
und vergessenswertem Inhalt durch Geoff Tate, reagieren nun Queensryche ihrerseits
nonchalant mit brillanten Songs im alten Stil und einem neuen Sänger,
der ein ähnliches Timbre, sowie das verloren gegangene Talent seines
Vorgängers miteinbringt.
Was Chris DeGarmo & Co. hier vom Stapel lassen, ist eine unerwartete Wiedergeburt.
Rama - Rama
Formidabler Stoner-, Psychedelic Rock. Es darf nach dieser halbstündigen
Debut-Mini-LP auf weitere Großtaten gehofft werden.
Rivulets - I Remember Everything
Slowcore, Singer/Songwriter, Alt-Folk, Minimalistischer Indie - nennt es,
wie ihr wollt. Jenseits aller nach Verständnis ringenden Kathegorien
und wortreichen Definitionen bleibt das schlichte Mitempfinden tröstender
Traurigkeit und schmerzhafter Schönheit.
Royal Headache - High
Die Stooges haben lange nichts von sich hören lassen und die neue LP
von Ty Segall ist zur Abwechslung mal wieder scheiße? Dann könnte
dies vielleicht Ihre garagenrockigen Bedürfnisse befriedigen. Kurzgefaßt
und hymnisch intensiv aus der Hüfte geschossen. Zehn Kracher, zehn Hits.
RPWL - Plays Pink Floyd
Hatten als Floyd-Coverband schon immer ihre stärksten Momente. Aber das
hier ... ist einfach nur sprachlosmachend monumental! Die perfekt dargebotenen,
nur als neu definierend zu bezeichnenden Live-Versionen früher Klassiker
der britischen Psychedeliker, gereichen dem Original mehr als nur zur Ehre.
Nicht nur ihre fantastische, einfühlsame Interpretation von "Embryo"
sollte man mal gehört haben.
Die eigenkomponierten Alben von RPWL sind ihrerseits ja durchaus gelungen
und beachtenswert, aber letztlich einfach zu nett und gefällig. Um ganz
große Kunst und intensivst fühlbare Musik auszubluten, das macht
dieser Live-Mitschnitt in der Gesamtschau irgendwie klar, sind die Jungs wohl
zu ausgeglichen, zufrieden, glücklich. Oder anders ausgedrückt,
es fehlt ihnen ein Roger Waters. Das ging den Floyds lange Zeit natürlich
ganz genauso.
Slayer - Repentless (vinyl rip)
Das schaffen nur Slayer: zugleich auf der Shit- und der Top-Liste aufzukreuzen.
Musikalisch grandios, wenn auch nicht ganz an die glorreiche erste Dekade
heranreichend. So wirklich genießbar allerdings, aufgrund der kaum gestauchten
Dynamic Range, nur in der Vinyl-Variante.
Slowly Rolling Camera - Slowly Rolling Camera
Jazz meets Soul meets Trip Hop.
Dunkel, samtig, in sich ruhend ekstatisch.
(Hatte leider zu spät bemerkt, beim anschließenden Lesen ihrer
Bio, daß das Album bereits im Jahre 2014 erschien. Nein. Ich lösch'
das jetzt nicht mehr weg. ;) Deshalb also noch reingeschmuggelt, als kleine
Zugabe aus noch weiterer Vergangenheit)
Spock's Beard - The Oblivion Particle
Schlappe eineinhalb Dekaden her, seit mich eine neue LP der Bärte so
richtig an den ... äh ... Hörnern zu packen vermochte. Hier wurde
mir die perfekt getroffene Mischung aus Ambitioniertheit und Eingängigkeit
zum Verhängnis. Als ob ein sich grobschlächtig ranschmeißender
Stadion-Rock die Ehe mit feinsinnig grannuliertem, von höchsten ästhetischen
Ansprüchen geprägtem Prog-Rock eingeht. Beide blicken sie optimistisch
in die Zukunft.
Spurv - Skarntyde
Neben GY!BE die einzige Post Rock Band in der diesjährigen Liste.
Fein ziselierte Gitarren-Arrangements, herrliche Harmonien und Atmosphären.
Klingt ein bißchen wie die immer noch schwer vermissten Tracer AMC,
erreicht tatsächlich ein ähnliches Niveau wie diese und hat leider
ebenso kaum Zuhörer. Dabei verdienen solche Mini-Sinfonien es außerordentlich,
beachtet und verinnerlicht zu werden. Hach, alleine schon diese himmlischen
Tremolos!
Steven Wilson - Hand. Cannot. Erase.
Der Mann ist ein verdammtes Genie.
Mehr bleibt nicht zu sagen.
Ansonsten müßte man ganze Essays alleine für dieses Prog-Meisterwerk
verfassen.
The Leisure Society - The Fine Art Of Hanging On
Astreiner britischer Sixties-Pop. Als ob direkt aus der Gegenwart von vor
einem halben Jahrhundert herübergefluxkompensatoriert. Good times.
Tribulation - The Children Of The Night
Fiese Black Metal Stimme über einem morbide schimmernden, schwarzmetallisch
illuminierten Hardrockbreitleinwandsound, welcher die Gitarren eine Harmony-
und Hookline nach der anderen beschwören und materialisieren läßt.
Hexenwerk!
Bei Gott, hier geht es nicht mit rechten Dingen zu!
Aber hey, so ein kleiner netter Heidenspaß darf doch gelegentlich auch
mal sein.
Oder?
Zum guten Schluß, die Auswahl nochmals rigoros eingedampft. Diesmal
auf die Top Ten - und diese sogar noch durchnummeriert:
1. Anekdoten - Until All The Ghosts Are Gone
2. Steven Wilson - Hand. Cannot. Erase.
3. RPWL - Plays Pink Floyd
4. Ozric Tentacles - Technicians of the Sacred
5. Anna von Hausswolff - The Miraculous
6. Kamasi Washington - The Epic
7. Godspeed You! Black Emperor - Asunder, Sweet and Other Distress
8. Professor Kliq - The Scientific Method, Vol. III
9. From The Mouth Of The Sun - Into The Well
10. Port St. Willow - Syncope
[Hier die GROSSE LISTE von Heiko]
Motörhead - Bad Magic
Nun hat sich leider auch der last man standing für immer verabschiedet,
was diesem letzten und starken Lebenszeichen von Mr. Kilmister einen gewissen
Sonderstatus verleiht- have a drink or few on Lemmy!
21 Octayne - 2.0
Noch stärker und differenzierter als das ohnehin schon bemerkenswerte
letztjährige Debütalbum. Hier reift eine Band von internationalem
Status heran.
Soldier - Defiant
Nach über 30 Jahren endlich das Debütalbum der NWOBHM-Veteranen:
Klasse Songs präsentiert von einer in allen Belangen stimmigen Band.
Halt etwas für Traditionalisten. Bzw.: Was lange währt´, ward
endlich gut!
Architects of Chaos - League of Shadows
Maiden-Paules Return - und sein mit Abstand bestes Album seit dem Killers-Debüt
von 1992 - unerwartet stark!
Queensryche - Condition Hüman
Genau SO wollen ihre Fans sie haben! Es geht also doch noch
Zwar nicht ganz die Klasse von "Operation: Mindcrime" oder "Empire",
aber durchaus beachtlich.
Steven Wilson - Hand.Cannot.Erase
Das Progressive Rock Highlight des Jahres! Dynamisch, sphärisch, eingängig
und komplex ohne jedoch eine gesunde Portion Power vermissen zu lassen - Wilson
pilgert diesmal etwas im Kielwasser von seiner (Ex-?)Band Porcupine Tree,
Rush oder Pink Floyd.
Bear Bone Company - Bear Bone Company
Zeitgemäßer, deswegen aber noch lange nicht "moderner"
Metal mit teilweise großartigen Hooks. Nicht mehr, aber eben auch nicht
weniger.
Maverick - Quid pro Quo
Die Neuentdeckung in Sachen Hard Rock/Melodic Metal: Keine großartigen
Schnörkel, direkt auf den Punkt gespielte, überzeugende & griffige
Songs. Kommt halt nur rund 35 Jahre zu spät
Gentlemans Pistols - Hustler´s Row
Erfrischend mitreißender Retro Rock abseits der in diesem Sektor angesagten
Klischees. Am ehesten lassen sich aus dieser recht eigenständigen Mixtur
noch Einflüsse von The Who oder Aerosmith herausahnen.
The Clan - This is a Thing called
Und zum Abschluß noch etwas aus der rock´n´rolligen Rumpelecke:
Live, rauh & schnörkellos, bodenständig, hemdsärmelig &
sympathisch: Tut einfach nur gut!