Hm, zugegeben, es bereitet schonmal grimmige Genugtuung, beizeiten die
Gelegenheit nutzend, einmal nicht mit einem schweigenden, milde-nachsichtigen
Lächeln das als unerquicklich Wahrgenommene zu betrachten, sondern mit
barbarischem Gebrüll der innewohnenden Destruktivität nachgebend,
rüde mit dem (Kritiker-)Breitschwert dazwischen zu gehen und blindlings
alles kurz und klein zu hauen, wenn die verehrten Herren Musiker es wagen
sollten, die eigenen Erwartungshaltungen nicht zu bedienen...
Aber dies will sich ja keineswegs nur als gemeiner Selbstzweck, sondern
ebenso als gutgemeinte, freundliche Aufforderung, sich doch auf seine ureigenen
Tugenden wieder zu besinnen, verstanden wissen.
Außerdem sollte man als Künstler, wenn man seine Schöpfungen
in die Öffentlichkeit stellt und sie nicht nur mit anderen Menschen teilen,
sondern damit bestenfalls noch Geld verdienen und nebenbei sein Auskommen
bestreiten möchte, mit den ebenso neben dem Applaus berechtigten Unmutsäußerungen
umzugehen wissen.
Nicht nur die einstigen Faves Metallica haben mit ihren neuesten Kreationen
einen schweren Stand bei mir, weshalb wir dieses Kapitel nach meinen ausschweifigen
einleitenden Worten titulieren wollen mit
SOME MORE FALLEN HEROES...
Bereits etwas älter, ich habe es aber vor kurzem erst in die Finger
bekommen. Ist trotz zwei, drei krassen Ausfällen insgesamt ganz ok eigentlich,
für FNM-Verhältnisse muß man es zweifellos als eher schwach
und ideenlos bezeichnen. Jim Martins Abgang wog doch schwerer, als man vermuten
konnte. Verwundert mich nicht, daß dies das (vorerst?) letzte "Album
Of The Year" einer einst wegweisenden Gruppe war...
(etwa 63 von 100)
Eine weitere vor Jahren noch hochgeschätzte Band, die es leider verpaßt
hat, sich zu einem angemessenen Zeitpunkt ihrer Karriere aufzulösen.
Dann wäre ihnen zumindest ihr Kultstatus erhalten geblieben. Aber mit
dem, was sie auf ihrem neuesten Longplayer zum besten geben, ebnen sie diesen
zusehends ein, denn King's X 2003 befinden sich künstlerisch inzwischen
hart an der Armutsgrenze, bleiben ihrer selbstgenerierten musikalischen Identität
vieles schuldig. Alles auf "Black Like Sunday" klingt allenfalls noch nach
gelangweilter Routine, die man alljährlich halt mal wieder abspult, weil
man keine andere Wahl hat, weil man eben beruflich keine andere Möglichkeiten
hat. Bei McDonalds die Patties zu wenden ist nun mal keine Alternative.
Wie weggeblasen sind der Einfallsreichtum und die völlige Eigenständigkeit
der ersten fünf, sechs Alben, stattdessen blubbert man mit meist äußerst
gewöhnlich zu bezeichnenden Hardrockstandards vor sich hin, verfällt
gar bei einigen Dreiminütern in grausig-banalen, fröhlichen Surfer-Poprock,
zu dem einem dann wirklich gar nix mehr einfällt! Auch der Versuch eines
elfminütigen Longsongs namens "Johnny" ist mißraten, im lang gezogenen
solistischen Mittelteil wird zumindest die allgegewärtige durchschnittliche
Gleichförmigkeit mal durchbrochen. Ansonsten: kaum Leidenschaft, kaum
Feuer, keine Überraschungen, kein Wagnis. Selbst die wenigen guten Ansätze
erscheinen wie vergilbte Abziehbilder der früheren unnachahmlichen Chorgesänge
oder brillanten Gitarrenriffs und -melodien. Seit der ersten vollständigen
und erschütternden Katastrophe "Tapehead" hat sich sichtlich kaum etwas
zum besseren gewendet. Die neue King's X? - Noch nicht mal geschenkt!
(geschätzte 55 / 100)
Gaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz schwaches Bild!!!
Was für ein undurchdringlicher, abstoßend düsterer Klangsumpf,
der nur bei zwei, drei ruhigeren Stellen andeutet, daß das hier einmal
Sanctuary gewesen sein könnten, welche Ende der 80er zwei fantastischste
Heavy Metal Alben herausbrachten und vor allem mit "Into The Mirror Black"
eines der göttlichsten musikalischen Werke überhaupt erschufen!
Nevermore hingegen wußten bisher allenfalls mit vereinzelten Stücken
zu überzeugen. Mit einem wundersamen Gitarrenduo wie Sean Blosl und Lenny
Rutledge hingegen wäre solch eine totale Katastrophe und Bankrotterklärung
wie "Enemies Of Reality" gar unmöglich gewesen!
Ein wirklich ganz schwaches Bild!!!!
(geschätzte 25 / 100)
Hier ist der Plattenname auch gleich Programm... Und auf diesen Mist
haben wir also nun 12 Jahre lang sehnsüchtig gewartet? Gleichförmiger,
düster-monotoner Gothic-Industrial-Rock, bei dem man sich unwillkürlich
fragt, ob das hier tatsächlich Carl McCoy & Co. sein sollen. Dagegen
waren sogar Rubicon, welche ihre zwei Alben zumindest zur Hälfte mit sehr
guten, eindringlichen Stücken zu versehen wußten, ein Ausbund an
Genialität!
(geschätzte 45 / 100)
I'll take the dream.....
Ganz und gar entbehrlich entpuppte sich ebenfalls der Comebackversuch dieser Band vor ein, zwei Jahren. Nicht eine einzige brauchbare Melodie vorweisend, klingt "Group Therapy" wie in einer durchzechten Nacht zusammengestoppelt und gleich umgehend mit morgenlicher Katerstimmung aufgenommen. Wirklich nicht zu fassen!
(geschätzte 20 / 100)
Zugegeben, in der Vergangenheit lieferte die Formation um die kraftvolle Soulstimme
Johnette Napolitanos (hoffe, ich habe den Namen richtig im Gedächtnis...)
ebenfalls schon mal schwächere Rockplatten ab, wie etwa "Walking In London",
auf welcher nur ein Drittel der Stücke überzeugen konnten. Aber
wenn sie ihr durchaus vorhandenes Potential auszuschöpfen in der Lage
sind, zeigen sie sich - fast - durchweg begeisternd. Laßt uns also lieber
nochmal "Mexican Moon" oder die gute Zusammenstellung "Recollection" (leider
ohne die bitter-süße, fein ziselierte elegische Ballade "Love Is
A Blind Ambition", eine ihrer gelungensten Kompositionen) auflegen...
Nach brillanten Werken wie "The Visitor" und "Immortal?" nun sowas...
Ein bombastrockiges Einerlei von erschreckender Eigenschaftslosigkeit, das man
einem Komponisten wie Clive Nolan (Keys) so nicht wirklich zutrauen würde.
Nolan und sein versierter Gitarrist John Mitchell bleiben auch rein instrumentell
um einiges unter ihren eigentlichen Fähigkeiten, da läßt kaum
mal etwas aufhorchen. Nur gegen Ende der CD, so etwa bei den letzten vier Songs,
ist eine Steigerung spürbar, während "Ascension" schließlich
einen wundervollen elegisch-enthobenen, schwelgerischen Abschluß und Aufstieg
in himmlische Höhen bedeutet, in perfekter Unison von Bookletgemälde,
Text und Musik.
Doch selbst das kann "Contagion" nicht mehr retten - von Ansteckungsgefahr keine
Spur...
(geschätzte 60 / 100)
Better luck at the next attempt, Clive....
Puh, hoffe mal, das hört sich nun nicht alles zu bitter an. Aber gerade bei Künstlern, von denen man sehr viel mehr als lustlose, halbgare Produktionen sich erwarten durfte, die bereits hinlänglich bewiesen, daß sie das ärmliche Dasein Verzauberndes, die Vergänglichkeit Überwindendes in der Lage sind zustande zu bringen, sollte man seine Enttäuschung einmal mitteilen dürfen.
- Heiko - 07/03