BLACK SABBATH: Master Of Reality (1971)
Ein einsames Farmhaus. Einige Überlebende haben sich darin verschanzt.
Vor dem Haus tauchen seltsam herumschlurfende Gestalten auf, die ihren Gräbern
entstiegen sind. Es wird Nacht, die "Nacht der lebenden Toten".
Als erstes Album für unsere Klassiker-Runde habe ich kürzlich "Master
Of Reality" von BLACK SABBATH wieder aus der Plattenkiste gekramt, als
spät nachts im WDR Romeros Horrorklassiker gezeigt wurde. Ohne Ton, nur
mit der instrumentalen Begleitung der englischen Düsterkönige, gewann
der ohnehin megagruselige Streifen ganz neue Qualitäten.
Über den musikalischen Status des "Schwarzen Sonnabends" muss
ich wahrscheinlich nichts schreiben, gehen wir also gleich über zur Musik.
Mit herrlich knarzendem Gitarrensound in Szene gesetzt, fährt "Master
Of Reality" die ganze Palette auf: Friedhofsballade ("Solitude"),
Zeitlupen-Doom, Gerumpel à la "Children Of The Grave". Genial
und immer wieder faszinierend die eigenartige Rhythmik der Sabbath-Songs,
gegossen in einen harten, klaren Sound, darüber thronend der Muezzin
des Morbiden, ein singender Edgar Allan Poe: Ozzy Osbourne.
Mag sein, dass die vier Musiker solo keine Meisterwerke geschaffen hätten,
zusammen in einer Band wurden sie zu einer Einheit, die ganz nebenbei den
Heavy, Doom und sonstigen Metal erfand, Maßstäbe in Sachen Düsternis
setzte und ein neues musikalisches Zeitalter anbrechen ließ. Passend
zur Jahreszeit, zu Dauernebel und Allerheiligen ein Auszug aus "Solitude":
"My name it means nothing
My fortune is less
My future is shrouded in dark wilderness
sunshine is far away, clouds linger on
Everything I possessed – now they are gone."
Morbide Schönheit, musikalisch zeitlose Substanz, Härte, Stil, Heaviness: Black Sabbath haben mit dieser Platte alles komprimiert, was ihre Musik so hörenswert macht. Welches Album denn nun das beste ist oder ob wirklich nur die Ozzy-Ära gut war (sehe ich etwas differenzierter), das mögen die Fanatiker entscheiden. Einen schönen Gruß posthum an Cozy Powell, den ich zu "Headless Cross"-Zeiten (1990) zufällig am Nürnberger Hauptbahnhof traf. Der damalige Sabbath-Drummer sagt "Ja" zu deutscher Currywurst, damit konnte man im jugendlichen Fankollegenkreis schon angeben. Das artig erbetene Autogramm habe ich übrigens später tatsächlich irgendwie verbummelt. Rechte Tür, jeder nur ein Kreuz.
- Stefan - 10/02
BLACK SABBATH - "Ozzy-Ära" (1970-1979)
Ataxie: Gestörte Bewegungsabläufe bei mangelnder Koordination
der Gliedmaßen - auffallend vor allem beim Gehen; der Mensch hat Probleme,
sein Gleichgewicht zu halten. Auch die Koordination der Augenbewegungen und
die Artikulation sind erschwert.
Ursachen: Ursache kann eine Schädigung des Kleinhirns sein, in
dem sich das Koordinationszentrum befindet, oder der Nervenbahnen, die Informationen
von und zum Kleinhirn leiten. Verletzungen des Gehirns oder des Rückenmarks,
bei Erwachsenen auch Drogenmißbrauch oder - am häufigsten - Alkoholvergiftung
kommen als Ursache in Frage.
So steht's im Medinzinlexikon - praktisch beobachten kann man dies bei öffentlichen
oder medialen Auftritten von Ozzy Osbourne. Kürzlich zappte ich in einen
Live-Auftritt neueren Datums hinein, bei dem Ozzy u. a. den Black Sabbath-Klassiker
"Paranoid" zum Besten gab. Begleitet wurde er dabei von zwei extrem peinlich
herumposenden Muskelmännern an Bass und Gitarre (möglicherweise
sollte man deren Namen kennen) und Faith No More-Drummer Mike Bordin (der
mit seiner Band auch mal "War Pigs" coverte). Des öfteren begann er von
einem Rand der Bühne zum anderen zu laufen, und ließ dabei wohl
manchen Zuschauer beten, daß er noch schaffen würde rechtzeitig
abzubremsen. Die meiste Zeit stand er jedoch irgendwie ataktisch herum und
klatschte dann und wann leicht unbeholfen in der Luft in die Hände. (Unfreiwillig?)
komisch war dann eine Bewegung, die an das Hüpfen eines Frosches gemahnte
("Hoffentlich kippt er nicht nach hinten um!").
"Paranoid" bekam er aber immer noch so gut hin, wie vor 32 Jahren.
Klingt das nun alles bösartig oder zynisch, wie man mir das manchmal
unterstellt? Ich denke, Ozzy ist gehirnorganisch noch nicht so stark abgebaut,
daß er nicht um seine neurologischen Defizite wüßte und tritt
freiwillig auf, denn finanziell scheint er es nicht mehr nötig zu haben.
Genaus verhält es sich mit "The Osbournes" - und vielleicht sieht er
es genauso wie George W. Bush, der die Serie deshalb als pädagogisch
wertvoll befindet, weil sie in aller Deutlichkeit die Folgen jahrelangen Drogenmißbrauchs
vor Augen führe.
Wie dem auch sei, Ozzy hat sich einen Status als Rock-Legende erworben, den
er selbst nicht mehr demontieren kann, da kann er machen, was er will.
"Ohne den anderen Black-Sabbath-Musikern unrecht tun zu wollen, eine große Ära war damit [nach dem Ausscheiden von Ozzy 1979] zu Ende. Ozzy war bei Black Sabbath der unumstrittene Liebling der Fans, der Mittelpunkt der Formation, Herz und Seele des Vierers, Symbol und Identifikationsfigur in einem (die offenkundigen Probleme steigerten noch die Zuneigung), und nicht zuletzt sein Gesang das Charakteristikum der Band, und Faszinosum zugleich."
So steht's in Matthias Herrs "Heavy Metal Lexikon Vol. 2" von 1990, und ich
seh's genauso.
Von den Alben, die Black Sabbath in den 80ern und 90ern gemacht haben, habe
ich bestenfalls die Titel im Kopf, die Musik fand ich wenig aufregend, irgend
so 'ne Hardrock-Band halt. "Aber 'Heaven And Hell' mit Dio!" werden nun einige
einwerfen. Hm, OK, aber wenn schon Dio dann "Rainbow Rising" von Rainbow (1976),
wobei hier, bis auf die beiden Übersongs am Ende des Albums, "Stargazer"
und "A Light In The Black", auch nur wenig in Erinnerung blieb.
Auch muß man nicht die acht Studioalben, die von 1970 bis 1977 entstanden
sind, im Schrank haben. Ein, zwei Best-Of-Zusammenstellungen tun's auch, um
alle Klassiker zu kennen.
Ohne Black Sabbath mit Ozzy würde es das, was man heute als "Heavy Metal"
bezeichnet, in dieser Form wohl nicht geben, ungeachtet der Alben, die Deep
Purple oder (mit vielen Einschränkungen) Led
Zeppelin hervorgebracht haben; die Cover-Versionen sind ungezählt.
Als bekannteste Epigonen, die durchaus ein eigenes Profil entwickelten, seien
Trouble, Candlemass (von denen in dieser Rubrik noch die Rede sein soll) und
die, zu Unrecht eher unbeachteten, Pentagram genannt.
Hört man immer wieder gerne.
- Martin - 11/02