"Any attempt to reproduce these musical statements in our own words is
necessarily doomed to failure."
(Aldous Huxley)
Ein wilder Ritt durch die Ewigen Jagdgründe der Pop-Musik
Teil 1
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Fuck Buttons - Tarot Sport (2009)
>>> noise, experimental, drone, electronic, post-rock <<<
Zwar wird auf dem neuen Klang-Monolithen zumindest nicht mehr unmotiviert
herumgeschrien, die Gleichförmigkeit und Monotonie bleibt jedoch erhalten.
Wirkt ähnlich den schlechten Sachen von Tangerine Dream oder Klaus Schulze
nicht trippig, sondern einfach nur laaaaaaaaaang-weiiiiii-liiiiiiiiiiiiiiiiiiiiig.
Mag sein, daß manche nun völlig darauf abfliegen mögen, und
grundsätzlich finde ich es schon mal sympathisch, wenn Künstler
beherzt daran gehen, die bestehenden Konventionen in Frage zu stellen - oder
gleich völlig auszuhebeln. Problematisch wird's, wenn einige wenige Ideen
breitgewalzt werden und einen trotz toller Klangdesigns das Gefühl beschleicht,
das hätte man, einen Monat mit dem entsprechenden Equipment in einem
Studio eigeschlossen, doch auch selber so hinbekommen.
Ben Frost - By The Throat (2009)
>>> ambient, experimental, electronic, noise, drone <<<
Wie man gewollt monochrome, distortive Gitarren- und Elektronik-Kaskaden kreativ
und spannend mit Folk- und Klassik-Einsprengseln zu einem verstörend-faszinierenden
Kunstwerk verbindet, zeigt uns Ben Frost hier auf beeindruckende Weise. Eine
Pracht mitzuerleben, wie dieser Mann vor unseren Sinnen einen dunkel-frostigen,
wolfsbehausten Wald von morbiden Klang-Skulpturen hinsampelt!!
And So I Watch You From Afar - And So I Watch You From Afar
(2009)
>>> post rock, instrumental, alternative <<<
Nicht schlecht, aber ich hätte mir mehr von erwartet, nach den ersten
EPs. Daß die davon stammenden beiden neu aufgenommenen Stücke "I
Capture Castles" & "The Voiceless" die eindeutigen Highlights bleiben,
sagt vieles. Das neue Material läßt es zu häufig an Subtilität
mangeln, geriert sich hingegen weit eher als musikalisches Äquivalent
einer zünftigen Kneipenschlägerei.
Das surreale Front-Pic hinterläßt noch den nachhaltigsten Eindruck.
Good ol' Dali läßt schön grüßen!
Communic - Payment Of Existence (2008)
>>> progressive metal, power metal <<<
Die handwerklichen Skills anerkennend bleibt letztlich nur ein unbeeindrucktes
Schulterzucken. Eine dunkel-dramatische Metal-Operette ohne wirkliche Empfindung.
Erstarrung im theatralischen Pathos.
Zudem scheint mir das Album zu den Opfern des sogenannten "Loudness War"
zu gehören, die ja gerade im Heavy Metal, in welchem man dem Drang zum
größer-fetter-lauter naturgemäß nahe steht, zahlreich
sind. Das hat schon beispielsweise Dance Of Death von Iron Maiden oder
Death Magnetic von Metallica zu nahezu ungenießbaren Angelegenheiten
werden lassen. Bei youtube gibt's viele aufschlußreiche Beiträge
zum Thema. Eine Unsitte, wirklich. Ja, klar, der Sound ist so richtig schön
massiv - aber die Klänge haben zu wenig RAUM um zu wirken, sie können
nicht atmen, werden zum Teil regelrecht erstickt, zu einer undurchdringlichen
Wand. Von verlorenen Höhen oder Dynamiken einmal ganz zu schweigen.
Ich merke gerade, bei Payment Of Existence läßt sich mit
dem Equalizer, die Höhen und Bass betreffend, noch ein bißchen
was regeln.
Wahrscheinlich bin ich diese überissenen Produktionen im modernen Heavy
Metal einfach nicht mehr gewohnt. =)
The Mercury Program - Chez Viking (2009)
>>> post-rock, instrumental, math rock <<<
Um einmal in der Sprache unserer Zeit zu bleiben: TMP - FTW !!
Russian Circles - Geneva (2009)
>>> post-rock, instrumental, post-metal, experimental, math rock
<<<
Hm, ich finde es etwas bedauerlich, daß die Band von Album zu Album
die Testosteron-Pipeline mehr verengt und die totgeilen, schneidenden Leads
und explosiven Riff-Ausbrüche herunter drosselt. Vieleicht ist es als
Dilemma anzusehen, wenn man mit einem Senstions-Debut wie Enter den
ur-eigenen Stil bereits vollständig ausdefiniert und perfektioniert hatte.
Geneva sieht jedenfalls eine Formation, welche die Weiterentwicklung
mutig anstebt. Die cinematographischen, ambienten Anteile wurden, u.a. unter
Hinzunahme von Streichern und an zwei, drei Stellen auch Bläsern, verstärkt.
Eine Neuorientierung, welche bei den ersten vier Songs noch gelingt, bleibt
beim versumpften "Malko" und den zwei abschließenden, kompositorisch
relativ orientierungslos mäandernden und halbherzig vor sich hin schlingernden
Longtracks noch zu sehr in guten Ansätzen stecken.
Trotz drohendem Profilverlust und vermehrtem Abgleiten in die postrockige
Mittelmäßigkeit ist Geneva unterm Strich ein hörenswertes
Album geworden. Natürlich.
Ich hoffe, daß man beim nächsten Mal wieder etwas mehr am Gas hängt
- nicht, daß sich dieser wahnsinnige, furiose Schlagzeuger noch beginnt
zu langweilen:
God Is An Astronaut - God Is An Astronaut
>>> post-rock, instrumental, ambient, experimental <<<
Hängen nicht unbedingt der Überzeugung an, sich zwanghaft weiterentwickeln
zu müssen.
Sind allerdings auch alles andere als ein One Trick Pony.
Geil.
Was auch sonst.
Blueneck - The Fallen Host
>>> post-rock, ambient, atmospheric <<<
Grundierendes Piano; geflügelte Streicher; vielschichtige Gitarren; sichindieselbstauflösunghineinsteigern;
oberlippentiefes Sentiment; Gesang aus den in Vergessenheit geratenen Bereichen
der Zeit; Melan & Cholie; Feingliedrigkeit; geborene Musiker ......
"People who like to lose themselves in the place within will like our music"
Long Distance Calling - Avoid The Light (2009)
>>> post-rock, instrumental, progressive rock <<<
Satellite Bay war schon eine Demonstration der Klasse - Avoid The
Light setzt da jedoch glatt noch einen drauf! Vorzüglicher Instrumental-Rock
von der derzeit besten Band aus deutschen Landen. Sollten nur noch mehr Leute
mitbekommen.... man höre etwa das eröffnende zwölfminütige,
vielschichtige "Apparitions" und überzeuge sich von dieser überbordenden
Fülle an Talentiertheit.
Ach ja, sogar der Titel mit Gesang ist gelungen!
Grizzly Bear - Horn Of Plenty (2004)
>>> indie, experimental, folk, lo-fi, freak folk <<<
Möglicherweise die Beatles der Neuzeit.
Wundervoller, psychedelischer, abgepfiffener Pop / Folk / Rock.
Unprätentiös und wahrhaftig. Zurückgezogen und introvertiert.
Unverhärtet und verletzlich. Zugleich bewandert und abgeklärt weltkundig.
Berührend, und dabei fast gänzlich ohne große Gesten auskommend.
Umweglos zu Herzen gehend.
Eine liebenswerte Ausnahmeband.
Da ihr Sound erst mal relativ unscheinbar, unspektakulär wirkt, benötigt
es etwas Geduld und Aufmerksamkeit, um schließlich hinter das Geheimnis
der Bären zu kommen, um sich den Zugang zu diesem so ganz eigenen, verschobenen,
minimalstischen Klang-Multiversum zu verdienen.
All dies gilt selbstredend nicht exklusiv für dieses Album.
Außerdem, das MUSS ich noch loswerden, machen sie VOIDODs Version
von "Astronomy Domine" oder Jimmy Hendrix' "All Along The Watchtower" ernsthafte
Konkurrenz um den Pokal des hinreißendsten Cover-Songs aller Zeiten,
mit ihrer zugequarzten, brustraumerwärmenden Fassung von "Owner Of A
Lonely Heart":
Nun sagt mal selbst - wie geil ist das denn?!!
Eloy - Visionary (2009)
>>> progressive rock, space rock, krautrock, psychedelic rock <<<
Das höre ich mir kein zweites Mal an.
Warum nur Frank, warum??
Elf Jahre nach dem gebührenden Abschluß Ocean 2 - The Answer
erscheint unmotviert dieses Auf-Nummer-Sicher-Album, welches einzig auf harmloseste
und banalste Weise wieder aufwärmt was man bereits in der Vergangenheit
ausreichend, jedoch vor allem besser und inspirierter Hören durfte. Das
hier ist öder Verwaltungsbeamten-Rock/Pop und allenfalls eine Beschädigung
des eigenen Legenden-Status!
Kein Abenteuer, keine Experimente, keine Reibungspunkte, keine Kreativität!!
Ein glattes, steriles NICHTS.
Zugegebenermaßen haben sich meine stilistischen Vorlieben seit damals
sehr gewandelt, gefreut habe ich mich auf das Werk trotzdem.
Grand Letdown.
A Place To Bury Strangers - Exploding Head (2009)
>>> shoegaze, post-punk, noise rock, noise, indie rock <<<
Für den Bandnamen gibt's schon mal einen Sympathie-Bonus und der Albumtitel
erweist sich als absolut programmatisch.
Joy Division-, Nine Inch Nails-, My Bloody Valentine-, oder auch The Jesus
& Mary Chain-Fans dürfen hier aufhorchen und sodann einfach mal spontan
völlig aus dem Häuschen geraten!
Düster-knallige, verzweifelt-dissonante, unterkühlt-aufrüttelnde,
MASSIVE Rock-Hymnen haut einem dieses amerikanische Trio mit hingebungsvoller
Verve um die Ohren.
Das selbstbetitelte Debut litt unter einer etwas schwachen Produktion (kaputter
frühe 80er-Style) - dieser hybride Bastard hingegen, geboren aus einladender
Harmonie-Seligkeit und mühsam gebändigtem dissidentem Krach, entfacht
eine windgepeitschte, orkanhafte Qualität.
Lustvoll-lakonisches Wühlen im Herzen der Finsternis.
Er hat's natürlich geschafft, mich mit dem Joy Division name
dropping zu ködern, wohl wissend, daß ich selbst Säcke
mit alter Wäsche durchstöbere, wenn Joy Division drauf steht.
Selbstverständlich paßt der Vergleich. Teilweilse klingen APTBS
wie die Wave/Punk/Goth-Ikonen im Luftschutzbunker bei Flächenbombardement
an der Oberfläche. Vielleicht manchmal einen Tick zu lärmig und
bewußt mit den Grenzen zur Unhörbarkeit und dem Throbbing Gristle-Motto
"Entertainment Through Pain" kokettierend. "In Your Heart"
hab' ich als Beispiel für "einladende Harmonie-Seligkeit"
unten angeklebt; für den ausufernden Krach gibt's "I Live My Life
To Stand In The Shadow Of Your Heart", welches in dieser grobpixeligen
Live-Aufnahme (im Bunker?) besonders gut kommt.
Nachtrag: Video Nummer 1 ist nur noch die bekannten Umwege in Deutschland
zu sehen...
- Martin -
Grails
>>> post-rock, instrumental, experimental, ambient <<<
... erschaffen einen ganz eigentümlichen, ureigenen Sound: erdig und
doch abgehoben, von enormer unmanifester Weite und doch mit dichter Atmosphäre,
gelegentlich improvisiert und ebenso gelegentlich einmündend in ekstatisch-mitreißende
Crescendos. Machmal mit Western-Soundtrack- oder Stoner-Rock-Feeling oder
aber gerne auch mal, wie in diesem Fall, arabischen Anklängen:
Ein sehr schöner Live-Mitschnitt.
Hat bei mir tatsächlich etwas gedauert, zu erkennen, wie genial
diese psychedelischen Klanglandschaftsgärtner tatsächlich sind.
Erschließt sich beim eher oberflächlichen Hören nicht wirklich.
Grails gehören zu den unumschränkten Meistern der subtilen Ausgestaltung
harmonischer Raumtexturen.
"Gregor Samsa
lassen auf ihrem aktuellen und dritten Album "Rest" durch
die Verfeinerung minimalistischer und klassischer Instrumentation neue Klangsphären
entstehen, die mit vertrackten und manipulierten Soundelementen kombiniert
werden. Durch unkonventionelle Instrumente wie Celesta, Klarinette oder Vibraphon
erzeugen die vielen Musiker auf der Bühne den besonderen Sound, bei dem
die Gitarren fast vollständig durch das Klavier ersetzt wurden. Harmonie,
Zurückhaltung und leise Töne sind es, was den "neuen, verwandelten"
Sound von Gregor Samsa ausmachen."
Keine Ahnung, wo ich das Zitat nun wieder her habe. Ich dachte, da es
relativ passend ist und ich mich selbst außerstande fühle, hierzu
die adäquaten Worte zu finden, verwende ich's einfach mal. Immerhin leben
wir ja im Zeitalter des Copy & Paste-Journalismus. =)
Die selbst betitelte EP, "27:30" und "55:12" oftmals gehört und die Band
zumindest einmal live gesehen zu haben, sollte dringlich zu den 1000 Dingen
addiert werden, die man unbedingt noch getan haben sollte, bevor man stirbt.
Feingesponnene, tiefenwirkende, melancholische Schönheit.