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"Any attempt to reproduce these musical statements in our own words is necessarily doomed to failure."
(Aldous Huxley)

 

 


Ein wilder Ritt durch die Ewigen Jagdgründe der Pop-Musik
Teil 6

 

New Model Army - Winter (2016)

Ganz ehrlich, ich könnte mittlerweile nicht mal mehr ansatzweise definieren, was NMA heutzutage noch von jeder beliebigen halbprofessionellen Alternative-Rockband unterscheidet und allenfalls mutmaßen, was Justin & Co. noch antreibt, regelmäßig Platten zu veröffentlichen. Lust- und hookloses Dahingesinge, uncharakterisches Geschrammel, muffige und totgemasterte Produktion. [1/10]


The Mission - Another Fall From Grace (2016)

Besser als NMA. Zumindest klar erkennbar als die Band, die mir in den 1980 & 90ern mal viel bedeutet hat und deren Klassiker ich noch heute gelegentlich auflege. Leider unterminiert der schwache und unausgeprägte Sound, mit seinen ärgerlich kraftlosen Gitarren, das retrobadgefühlige Plätschern und Dahintreiben in der Zwielichtgrotte der heimeligen Nostalgie.
Als damals Simon Hinkler ausstieg war das der Anfang vom Ende. Rückblickend läßt sich konstatieren, welch zentrales Element sein Spiel und Arrangeurtalent bildete. Danach gab's mit "Masque" noch ein gutes und "Neverland" halbwegs okayes Album. Das war's dann aber auch gewesen mit der düsterrockigen Herrlichkeit.
[4/10]

 


Arena, Blind Guardian, Danzig, Def Leppard, Enya, Faith No More, Heather Nova, Powermad, Black Sabbath, Re-Animator, Symphony X, Overkill, Renaissance, Tesla, The Tea Party, New Order, Threshold, Alice In Chains, Dream Theater, Onslaught, Warlord, Anthrax, Kula Shaker, Megadeth, Vangelis,Vicious Rumors, Yes, Anathema (2013 - 2016)

Da wir gerade so schön dabei sind. Irgendwie freut man sich nicht mehr so wirklich auf neues Material von Gruppen und Künstlern, die mal vor zwanzig, dreißig, vierzig Jahren auf ihrem kreativen Gipfelpunkt peakten, einem persönlich vor Dekaden mal gaaaaanz doll wichtig waren und deren unvergängliche Schöpfungen man sich gerne hin und wieder reinpfeift.

 


Marillion, Death Angel, Flotsam and Jetsam, Kansas, Anekdoten, Ozric Tentacles, Queensryche, Oysterband, Steve Hackett, Monster Magnet, Pearl Jam, Spock's Beard, Neal Morse (2013 - 2016)

Positivliste. Gelegentlich gibt's aber so richtig angenehme Überraschungen von vergangenen, enttäuschten oder verschollenen Liebschaften.Vereinzelt später mehr hierzu.

 

Metallica - Hardwired…To Self-Destruct (2016)

The same wearisome procedure as eight years before.
[4/10]

 


Metallica - Death Magnetic (2008)

Vor allem erinnerungswert wegen des absurd backsteinmauerigen Masterings.
War musikalisch ganz okay bis gut, aber produktionstechnisch selbst in der GuitarHero3-Version eher grottig, schrille Gitarren, allgemein ein zu trockenes Klangbild. Kurz flackerte die Hoffnung auf, Metallica könnten sich noch einmal zu einer beeindruckenden Großtat aufraffen, sie wurde aber genauso schnell wieder begraben. Kreativ sind die Kalifornier heute nur noch die Hülle der Band die sie einst waren und ausschließlich als Live-Attraktion wirklich goutierbar.
[1/10 im Original - 5/10 im GuitarHero3-Mastering]

 

The New Pornographers - Twin Cinema (2005)

Vermutlich meine nachhaltigste Neuentdeckung des Jahres 2016. Kantiger, rhythmischer Power-Pop mit geradezu unwiderstehlichen Hooks. Die angulare Gitarre, das lebhafte Piano und die vorantreibende Bass- und Schlagzeug-Einheit gehen eine reizvolle Symbiose mit den vielstimmigen Gesangsharmonien ein. Subtile Schroffheit und wie an einer Perlenschnur aneinandergereihte Jahrtausendmelodien sorgen für eine ganz besondere Magie, die einen so einfach nicht wieder losläßt. Jeder einzelne Song ein gnadenlos brillanter Hit. Dies ist ein niemals erlöschender, ewiglich strahlender Prachtstern von einer einzigartigen musikalischen Zusammenkunft.
Als Nebenprojekt einiger Indie-Stars gegründet, ereilte die Gruppe spätestens mit diesem Album ein kommerzieller Erfolg und Kultstatus, der die sonstigen Arbeiten von Carl Newman, Dan Bejar (a.k.a. Destroyer) und Neko Case eine zeitlang sogar in den Schatten stellte. Dieses Ausmaß an Indie-Rock- und Power-Pop-Perfektion wurde weder zuvor noch danach jemals wieder erreicht. Auch von den New Pornographers selbst nur bedingt.
Aufmerksam auf "Twin Cinema" wurde ich, nebenbei erwähnt, über den ebenfalls höchst empfehlenswerten The Great Albums-Podcast, die weltweit wahrscheinlich großartigste wöchentliche Gesprächsrunde rund um musikalische Highlights.
Der unbändige Reiz dieses berauschenden Werkes nutzt sich auch nach dutzenden ekstatischen Durchläufen kein bißchen ab. Wenn Rock'n'Roll tatsächlich, wie einst von Fernsehprediger Jimmy Swaggart behauptet, eine neue Form der Pornographie ist - dann möchte ich diesbezüglich keinesfalls jemals wieder enthaltsam leben müssen.
[10/10]

 

Vangelis - Rosetta (2016)

Bei oberflächlicher Betrachtung ein weiteres und, nach all den Jahren der Funkstille, unerwartetes sinfonisches Meisterwerk des großen Griechen.
Leider klingt hier einiges zu künstlich und schwülstig. Mit der Addition des einen oder anderen neuen Sounds hat er niemandem einen wirklichen Gefallen getan. Speziell beispielsweise die artifiziell anmutenden gezupften Violinen und der gelegentliche schräge Sequenzer-Loop dämpfen den Hörgenuß doch spürbar. Kompositorisch absolut okay, fehlt es dem offiziellen Soundtrack zur Asteroiden-Sondenlandung ein wenig an Tiefe und Ausgereiftheit.
Schade.
[6/10]


Anschließend hatte ich Lust, die glorreiche Vergangenheit heraufzubeschwören und eine persönliche Vangelis Top Five zusammenzustellen. Auf nur fünf Alben runterzudampfen gelang allerdings nicht so ganz ...

1492: Conquest of Paradise
El Greco
Oceanic
Alexander
Chariots of Fire
Voices
Antarctica
Blade Runner

 

offthesky - Silent Went the Sea (2016)

Der vielleicht versierteste derzeit aktive Ambient-Künstler. Haut regelmäßig ein harmonisch faszinierendes, prickelnd düsteres, kunstvoll arrangiertes, geschmackvoll ausgestaltetes Klangskulpturgebilde nach dem anderen raus. Filigran in allen Räumen und Distanzen flirrende und hintergründig elektrisierend dröhnende Gitarrenschleifen verbinden sich mit vielfältigsten Violinenstrichen, statische Geräuschkulissen sich mit vereinzelten Klangtropfen von Marimba, Vibraphon, Harfe, Harmonika, Perkussion, Elektronik.
Es ist, als wäre man bei der Geburt des Universums mit dabei. Mittendrin. Ganz kurz nach dem Urknall. Als all die disparaten Elemente sich formen und finden. Als die Grundbausteine von Materie und Leben sich zu einem homogenen Ganzen zusammenfügen.
Man kann s(inf)onisch beiwohnen, wie aus der Leere eine Struktur erwächst, wie anfänglich scheinendes Chaos eine wundersame, naturprinzipiell wirkende Ordnungsarchitektur offenbart.
[10/10]

 

Power Trip - Nightmare Logic (2017)

Einer dieser exemplarischen Fälle, wo ich den Loudness War besonders verabscheue. An sich ein töftes oldschooliges Thrash Metal Album. An frühe Sachen von Dark Angel oder Slayer erinnernd. Geiles Riffing, mitreißende Songs. Und dann dimmen sie den dynamischen Raum bis auf DR4 herunter. Aaaaaaaaaaaaaaaaargh! Hauptsache laut und dröhnend. Das ist gerade bei Musik, die ihrem Naturell entsprechend eh schon aggressiv und meist voluminös ist, absolut tödlich. Snare und Bässe wummern breit, flach und unangenehm drückend vor sich hin, das gesamte Klangbild hat keine Luft zum Atmen, die einzelnen Instrumente und Töne sind ohne verbleibende Zwischenräume zu einem massiven Klumpen komprimiert und zusammengeschmolzen. Bäh.
Sorry, das mußte jetzt einfach sein. Ab sofort aber kein Wort mehr über den Fight Club.
Äh, ich meine, natürlich den Loudness War.
Versprochen.
[3/10; bei angemessenem Mastering (DR7 aufwärts) hätten es locker 7 oder 8 von 10 sein können]

 

Husky - Punchbuzz (2017)

Verdammt schade. Eine der Enttäuschungen des Jahres.
Das ungute Gefühl, das einen gleich beim ersten Durchlauf beschleicht, verfestigt sich zunehmend.
Eine schwächere Produktion und deutliche Hinwendung zu mainstreamigeren Gefilden hat den einst delikaten Indie-Folk/Pop der beiden vorangegangenen Scheiben vewässert und der Band einiges an Charakter geraubt. Zwar ist der Gesang nach wie vor formidabel und so manche Hookline sitzt, aber das reicht nicht aus. Medial gehypte und stilistisch vergleichbare Bands wie The War On Drugs würden auf dem Schwarzmarkt für die hier zuweilen dargebotenen Refrains ein kleines Vermögen verbrennen. Die klangliche Qualität in der Instrumentierung und die Kompositionen bleiben einfach zu schwankend. Die meisten Songs sind okay bis gut, beim Titelstück und den letzten beiden, um die tapsigsten Problembären mal beim Namen zu nennen, fällt die Platte mit einer uneleganten Pirouette glatt von der Klippe.
Ein ähnlicher Fehltritt wie bei den Mumford & Sons auf ihrem letzten Album, wenn auch weniger belanglos.
Hoffentlich ist das nicht die Einleitung des Abgesangs dieser großartigen kleinen Band.
[6/10]


Okay, es ist an der Zeit für noch etwas mehr an unverschämtem Namedropping: Omega Massif, Neurosis, Long Distance Calling, Pelican, Isis, Cult Of Luna, Red Sparowes, Russian Circles, The Ocean - sie alle sind gekommen, mehr oder weniger lange zu Gast gewesen und überwiegend wieder gegangen.
Rosetta dürften gekommen sein, um zu bleiben. Sie tragen den Post Metal schon über eine Dekade hinweg zu nie dagewesenen Höhen und bieten einen Ausblick, den ich sicher noch lange genießen werde.
Baggere mich derzeit enthusiastisch durch ihre Diskographie.
Das eben erschienene
Rosetta - Utopioid (2017)
& das Debut
Rosetta - The Galilean Satellites (2005)
sind schon mal beide fantastisch. Jeweils zehn von zehn.

 

Falloch - Prospice (2017)

Kann nicht glauben, daß dies dieselbe Band sein soll, welche zwei herausragende atmosphärische Post-Rock/Metal Epen veröffentlichte. Produktion ist schwach, Songwriting ist uninteressant, die neue Sängerin eine emotive Naturkatastrophe.
[1/10]

 

Godspeed You! Black Emperor - Luciferian Towers (2017)

Mit Abstand schwächstes Werk der Kanadier. Spannungslos repetitierte und altbekannte Muster, präsentiert in dumpfem Hinterhoftoilettensound. Die Violinen setzen gelegentliche Akzente, doch Efrims sich wimmernd dahinwindende Gitarre geht mir oft nur noch auf den Senkel (vor allem im orientierungslosen letzten Stück) und killt eventuell aufkommende Hörfreude schon im Ansatz.
Die Vorfreude war groß. Schade. Sehr schade.
Die Gruppe war mal einzigartig, mit avantgardistischen Ambitionen, nun aber klingt sie wie eine verwaschene Kopie einer verwaschenen Kopie ihres einstigen Selbst.
Holt euch lieber das neue digitale Vinyl (oder am besten gleich alles) von Balmorhea, die Wiederveröffentlichung von Jambinais "Differance" oder die letzten Arbeiten von Esmerine, wenn ich kurz spontan ein paar Genreverwandte nennen darf. Mir fielen sicher hunderte aufregendere Werke ein, die diesem künstlerischen Rückschritt von GY!BE vorzuziehen wären.
Stimme mit eigentlich fast allem überein, was Anthony Fantano sagt:
https://www.youtube.com/watch?v=-K0wHtAc1t8
[4/10]

 

Forbidden - Twisted Into Form (1990)

Hat fast drei Jahrzehnte gebraucht, um für mich zu einer differenzierten Einschätzung zu gelangen, warum diese damals junge, hoffnungsvolle und immens talentierte Band, bei all den Ansätzen der ersten beiden Alben, es nie wirklich zu was gebracht hat und ich mit ihr, trotz mehrfacher Anläufe und großer Affinität zu ihrem Musizierstil, nur ein eher lauwarmes Verhältnis pflegte.
Sänger Russ Anderson war auf jeden Fall ein grandioses Alleinstellungsmerkmal unter allen anderen (Bay Area-) Thrashern: von melodiös bis aggressiv hatte er alles drauf, dabei einen beeindruckenden Stimmumfang und ein sehr charakteristisches, für sich einnehmendes Timbre. So einen fantastischen Refrain wie etwa beim Titelstück dieser Scheibe zu meistern ist schon rein technisch wirklich nicht jedem gegeben.
Die Probleme liegen vor allem in den unausgewogenen Produktionen der Musik und der überambitionierten Komplexität der Kompositionen. Während "Forbidden Evil" zu rauh und matschig klingt, geriet "Twisted Into From" zu glatt und basslastig (dieser Michael Rosen hat, nebenbei bemerkt, noch einige andere Metal-Platten aufm Gewissen); alles auf Kosten der eigentlich fulminanten Gitarren, die einen guten Teil ihrer Wirkung einbüßen. Das Gesamtbild bleibt somit deutlich zu wenig markant, erregend, einprägsam, zupackend.
[6/10]

 

Flotsam And Jetsam - Flotsam And Jetsam (2016)

Die Renaissance!
Bereits die Neueinspielung von "No Place For Disgrace", zwei Jahre zuvor, hat mich vor Begeisterung aus den Latschen kippen lassen. Dieses letzte selbstbetitelte Album allerdings ist ihr bestes seit ... seit ... ach - jemals! Und das diese fulminante Metal Tour de Force abschließende "Forbidden Territories" ist definitiv einer der mitreißendesten und kunstvollsten Metal-Songs ... überhaupt, jemals!!
Okay, der gute alte Eric hat nicht mehr den gleichen Stimmumfang wie in den 1980-90ern. Klar. Die schweindelerregenden Höhen und völlige Mühelosigkeit sind weg, aber er ist nach wie vor ein exzellenter Sänger, der seine einprägsamen Melodielinien charismatisch zum Leben erweckt. Die Limitierung wird nur im direkten Vergleich mit seinem früheren Selbst überhaupt auffällig.
Der neue Drummer ist der schiere Wahnsinn!
Die Gitarren, sowohl im Solieren als auch im Riffing, famos und von hohem Wiedererkennungswert!
Bin hin und weg.
Haltloser Beifall.
Anspruchsvoller, hochkultivierter Heavy Metal von rasanter Dynamik und oftmals mit wunderbar hymnischen Refrains in Erstaunen versetzend.
[10/10]

 

Pallbearer - Heartless (2017)

Dieses Meisterwerk und einer der aussichtsreichsten Kandidaten auf den Titel "Album des Jahres 2017" der amerikanischen Doomster von Pallbearer hätte bequem auch in unsere, mit recht weltweite Beliebtheit genießende, Herbstmusik-Reihe hinein gepaßt. Denn hier wird eine nebelschwadenverhangene Melancholie zelebriert und gefeiert. In die tiefsten menschlichen Abgründe geschaut und die heraufwallenden Emotionen in ergreifende, wundervolle, tröstende Klänge gegossen. Die Wehmut, die Tragödie, der Weltschmerz in großartigster Kunst sublimiert, erlebbar, begreifbar, verarbeitbar gemacht.
Den Menschen und seine im Dasein verankerten Schattenseiten in seiner gesamten Tiefe ausgelotet.
Wahrscheinlich hat noch niemand zuvor ein solch dichtgewobenes Netzwerk aus schimmernden Harmonien aus den Niederungen der Dunkelwelt emporgehoben.
[10/10]

- Heiko - 11/2017