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AMON DÜÜL II
[22. April 2009 - Hirsch, Nürnberg]

Manche Konzerte bleiben in Erinnerung. Das von AMON DÜÜL II vor fünf Jahren im Nürnberger Musikclub Hirsch zum Beispiel, zu dem ich mich damals aus reiner Neugier verlaufen hatte. Zu jung für den Krautrock jener revolutionären Tage in den späten 1960er Jahren, sank mit unserem Eintreten das Durchschnittsalter im nur luftig gefüllten Saal gleich mal um gefühlte zwanzig Jahre. Und was da damals für ein buntes Völkchen zugegen war …

Schnell fanden wir einen Platz unmittelbar am linken Bühnenrand. Irgendwann begann die Band zu spielen, und nach dem dritten Song zupfte mich meine Freundin sachte am Ärmel und raunte mir ins Ohr: „Sag mal, was machen denn die da oben?“ Und ich musste echt passen.

Nichtsdestotrotz war ich angefixt und habe ich mir gleich ein paar Tage später einen ersten Tonträger der nimmermüde musizierenden Münchner Hippie-Kommune zugelegt – woraufhin prompt auch in der heimischen Grotte die Lemminge tanzten. Weil mich das Thema nicht losließ, nahm ich Kontakt zu DÜLL-Gitarrist John Weinzierl auf und besuchte ihn für ein Interview bei sich zu Hause in München (siehe Interview). Damals erwähnte er schon etwas von einer neuen Tour. Entsprechend groß war die Freude, als die DÜÜLs wenig später tatsächlich für ein weiteres Hirsch-Gastspiel bestätigt wurden …

Nach wie vor ticken die Uhren anders auf dem Planeten Düül. Ich mag das Tempo dieser ewigen Hippies, die auch nach über vier Jahrzehnten noch immer nicht müde geworden sind, zu kämpfen. Die sich einen Mäusedreck darum scheren, ob ihr Psychedelic Underground-Sound ein marktfähiges Produkt abgibt oder nicht. Die es damals anders angehen wollten als all die teutonischen Abziehbildchen der übermächtigen angloamerikanischen Vorbilder und dieses Vorhaben auch konsequent in die Tat umgesetzt haben, eigene Wege gegangen sind und damit zumindest ein kleines Kapitel Musikgeschichte geschrieben haben.

AMON DÜLL II schwammen und schwimmen beständig gegen den (Haupt)Strom. Ist das Ergebnis nun genial oder verrückt? Progressiv, schrullig oder einfach nur schrecklich antiquiert? Haben AMON DÜLL II im neuen Jahrtausend noch etwas zu sagen? Im Hirsch vor übersichtlichem Publikum verharrt der Blick dann doch weitgehend im Rückspiegel. Doch das Wiederhören mit frühen deutschen Avantgarde-Rock-Perlen wie „Surrounded By The Stars“, „All The Years Round“, „Deutsch Nepal“ und „Archangel’s Thunderbird“ offenbart auch im neuen Jahrtausend einen knorrigen, wunderbar staubigen Charme.

Die Spielfreude ist unerschüttert, und weil Renate Knaup-Krötenschwanz’ Mikro an diesem Abend am Stück Rückkopplungen produziert (und auf ihrer Monitorbox ständig ein fieser Feindsender läuft), rappt sie irgendwann mittendrin einfach so ins Blaue hinein los. Die Band schnappt den Köder und folgt ihr ohne Umschweife nach - der nächste Monster-Jam nimmt seinen Lauf. Ich für meinen Teil hätte ihnen ewig dabei zusehen können.

Fossile wie AMON DÜLL II stehen unter Artenschutz. Und das ist auch gut so.

- Stefan Gnad - 04/09
Veröffentlicht im ZWNN: 08/11