Zur Rubrik "Hören"
Kommentieren
Zur Hauptseite
Zur Hauptseite
Worum's geht...
Musikmacher
Bewegte Bilder
Lesen
Anderes

DIE TOTEN HOSEN - Bis zum bitteren Ende (1987)
(CD-Neuauflage mit Bonustracks)

Haben wir hier schon einmal was zu den Toten Hosen gebracht? Heiko hat sie mal ganz nebenbei erwähnt, ansonsten sind die Düsseldorfer bei uns auffallend unterrepräsentiert. Wenn ich so zurückdenke, war "Auf dem Kreuzzug ins Glück" (1990) das letzte Album, das es bei Erscheinen in die Sammlung schaffte, nachgekauft wurden später (second hand) nur noch die CDs "Learning English Lesson One" und die Compilation "Love, Peace & Money" mit englischsprachigen Fassungen von Hosen-Songs. Das spätere Schaffen von Campino & Co. hat also bei mir nur recht wenig Spuren hinterlassen.

Aber Ehre, wem Ehre gebührt: Mit der 1987er Live-Scheibe "Bis zum bitteren Ende" haben die Hosen einen Klassiker im Repertoire, den ich immer wieder mal mit Genuß auflege. Zwar fehlen logischerweise die Songs von "Ein kleines bißchen Horrorschau" (auch ein Kracher, kam aber erst im Jahr danach), dafür entschädigt jedoch die ungebremste Live-Atmosphäre, die soundtechnisch gut konserviert durch die Boxen donnert. Ruhigere Momente sind eher selten, überwiegend regiert das Gaspedal.

"Ein bunter Abend für eine schwarze Republik" – dieses Tourmotto war Programm: Helmut Kohl ist Kanzler und ein Ende noch lange nicht in Sicht, aber resignieren gilt nicht. Nach dem Einstieg "Rock’n’Roll" (Gary Glitter) folgt Hymne auf Hymne: Eine Huldigung an hoffnungslos optimistische Rennbahn-Zocker ("Liebesspieler"), Teenager-Ängste ("Warten auf dich"), apokalyptisches Gesellschaftsszenario ("Armee der Verlierer") – eine Wahnsinnsenergie, gepaart mit purer Leidenschaft in angemessener Lautstärke. Durchschnitt bleibt Mangelware, lediglich Songs wie "Schwarzwaldklinik" oder "Die Rosen geben ´ne Party" wirken ein wenig blaß im Vergleich zum munter heruntergeprügelten Restprogramm oder einer etwas nachdenklicher gehaltenen Nummer wie "Das Wort zum Sonntag".

Auch der Rest der CD gibt kaum Anlaß zum Verschnaufen: Mit der dreiteiligen Geschwindigkeitsbolzerei "Happy Metal" werden auch Metaller ihren Spaß haben und Freunde morbider Texte kommen bei "Freitag der 13." auf ihre Kosten. Unterm Strich also eine exzellente Live-Platte, die die stilistische Bandbreite jener Tage einfängt: schöner Unfug ("Disco in Moskau"), klassischer Punk Rock (wie einst bei The Clash eine Coverversion von "Police on my back") und "zum Abschließ" (O-Ton-Ansage von Campino) eine im Lärm kollabierende Version von "Eisgekühlter Bommerlunder".

Die CD-Neuauflage ist keine reine Geldmacherei, das muß man der Band lassen: schönes Klappcover, ein Fotoheftchen und ein zweites Booklet mit schriftlich festgehaltenen Erinnerungen – hat man auch nicht alle Tage. Zumal die Interviews mit den Jungs wirklich interessant sind: Wir erfahren, daß sich der damalige Drummer Wölli übel verletzte, als er bei einem Auftritt in Roskilde den Fönfrisuren-Rockern von Europe (Zitat: "Eine Kotzbrockenband, absolut fürchterlich") in die Monitorboxen pinkeln wollte, und Gitarrist Kuddel ein ernsthaftes Problem mit seiner Spielsucht hatte, die ihn dazu brachte, allzu viel Geld auf Nimmerwiedersehen in Spielautomaten zu versenken. Zusätzlichen Mehrwert für die Hab-ich-ja-eigentlich-schon-Zweitkäufer gibt es in Form von acht Bonus-Livetracks (Edinburgh 1992).

"...fühle mich wieder wie 16!! Und die morgendlichen Autofahrten zur Arbeit verbringe ich jetzt mit Mitschreien. Klasse! Da kann der Tag beginnen!" (aus einer Kundenrezension bei Amazon, wo man auch Videos mit weiteren Hosen-Anekdoten anschauen kann - HIER und HIER).

- Stefan - 04/2010