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GARMARNA – Vedergällningen (1999)

garmarna"Vedergällningen" ("Vergeltung") ist nach der selbstbetitelten Debüt-EP und den Alben "Vittrad" und "Guds Spelemän" das neueste und nach meinem bisherigen Eindruck (nach 30 Durchläufen) auch bis-lang beste Werk der schwedischen Band Garmarna. Ähnlich wie auch schon auf den Vorgängern sind die Texte fast ausschließlich und die Musik immerhin noch zu ca. 40% traditionellen Ursprungs. Freundlicherweise hat man neben den schwedischen Texten auch wieder die kompletten deutschen Übersetzungen abgedruckt, was das Verständnis doch sehr erleichtert. Mit "Gamen" hat man das recht baßbetonte sowie musikalisch lebhafteste und härteste Stück des Albums gleich an den Anfang gestellt. Teilweise ist es schon durchaus metalkompatibel. Mit "Euchari" folgt ein sehr schöner und entpannender Song, bei dem es inhaltlich um das gegenseitige Verlangen eines Paares geht und dessen lateinische Zeile "O Euchari in leta vita" ebenso wie ein Teil der Gesangsmelodie von Hildegard von Bingen stammen dürfte, was zumindest der in den Credits mitgenannte Name Bingen vermuten läßt. Sehr ruhig und entspannend ist auch das nachfolgende "Halling Jåron". Das Titelstück beginnt ebenfalls sehr ruhig, doch steigt der Spannungsbogen zur Mitte hin, flacht dann wieder ab, steigt erneut und endet schließlich in richtig schön verzerrten Gitarren. Das sehr getragene "Nio år" ist mit einem schönen Streicherarrangement unterlegt und das nachfolgende "Sorgsen ton" ist (inhaltlich) eine Ballade im klassischen Sinn (nix Schunkel...äh, Kuschelrock!), in der als warnendes Beispiel vor Hochmut die Geschichte einer Bauerstochter erzählt wird, die wegen ihres Stolzes und Undankes gegenüber der eigenen Mutter schließlich von der Erde verschlungen wurde. Beim nachfolgenden "Herr Holkin" ist vor allem der zauberhafte Gesang von Emma Härdelin im Mittelteil hervorzuheben. Wer jetzt denkt: "Ach, wieder so´n säuselndes Fräulein mit Piepsstimmchen.", der ist völlig auf dem Holzweg. Zwar steigt Emma teilweise schon in recht hohe Regionen, bewegt sich mit ihrer teils schon fast schneidend klaren, kräftigen und deutlichen Stimme aber überwiegend in einem Bereich, bei dem auch diejenigen, die vielleicht bei Liv Kristine schreiend aus dem Haus laufen, ruhig auf ihren Stühlen sitzen bleiben dürften. Nach "Bläck", das nun absolut nichts mit selbigem Metal zu tun hat (sondern "Tinte" heißt und das Thema "Liebe" behandelt), folgt mit "Polska" ein Instrumentalstück, daß musi-kalisch zwar am stärksten nach traditioneller Folklore klingt, aber eine Eigenkomposition ist. Den Abschluß des Albums bildet "Brun", das ich persönlich von der Atmosphäre her weitaus düsterer finde als das, was man so im allgemeinen von den Vertretern des Rampant Rumpelstilzchen Metal (von einigen auch Black Metal genannt) als angeblich "dark" oder "düster" vor den Latz geknallt bekommt. Zu dieser Stimmung paßt dann auch der Text, der von einem Mann erzählt, der eine Jungfrau entführt, ihr erzählt, daß er schon 15 anderen den Garaus gemacht habe, und dann aber von ihr im Schlaf gefesselt und erstochen wird. Und im Refrain heißt es: "Der heulende Wind und der Sturm peitschten die nördlichen Berge, drei Nordmänner liegen dort tot." Insgesamt ist zu den Texten zu sagen, daß die darin erzählten Geschichten meist recht blutig oder traurig enden, was aber auch schon auf den vorangehenden Alben der Fall war. (Wer auf "Sommer, Sonne, Sand und Meer" steht, sollte sich besser nach etwas anderem umschauen.) Stilistisch ist die Musik schwer einzuordnen. Sicherlich sind – nicht zuletzt auch durch Instrumente wie Drehleier und Geige – folkloristische Einflüsse auszumachen, die aber seit der Debüt-EP, wo sie noch dominierten, immer mehr in den Hintergrund getreten sind. Vielleicht fallen sie auch wegen der recht modern klingenden Arrangements nicht mehr so stark auf. Rockeinflüsse spielen eine nicht unbedeutende Rolle und auf dem neuen Album werden noch stärker als auf den Vorgängern Samples eingesetzt. Die Songs auf "Vedergällningen" leben vor allem von der Atmosphäre. Fest steht für mich, daß Garmarna einen sehr eigenständigen Stil entwickelt haben und mit Emma Härdelin über eine exzellente Sängerin verfügen, deren Stimme einen hohen Wiedererkennungswert hat.

- Burkhard - 04/99