Stefan
hatte mich, als wir uns an einem kühlen Sommertag in der Kneipe trafen
gefragt, ob mir die Band INTERPOL was sagen würde. Er hatte eine Ausgabe
des VISIONS dabei, in der ein Interview mit der Band zu lesen war. Und in dem
starke Parallelen zu JOY DIVISION gezogen wurden, was mich natürlich in
erhöhte Rezeptionsfähigkeit versetzte. Solche Vergleiche sollten nicht
leichtsinnig angestellt werden, schon gar nicht als plumpes Verkaufsargument.
Die Band verzichtete jedoch darauf, vom Mythos zu profitieren und die vier Musiker
gaben sich im Interview als völlig normale Zeitgenossen, zudem kam sie
aus New York und nicht aus England, geschweige denn aus Manchester. "Turn
On The Bright Lights" war ihr erstes vollständiges Album.
Mich ganz auf mein Gefühl verlassend, kaufte ich mir die CD einige Wochen
später ohne Probehören.
Texte liegen der CD keine bei (wie bei Joy Division), man kann sie aber im Netz
finden (siehe unten), Bandfoto ist auch zu sehen (gab's bei JD nie, zumindest
nie in den Alben) und sogar die Namen der Bandmitglieder kann man erfahren.
Gut, der Sänger erinnert schon manchmal an Ian Curtis, doch
auch an David Bowie oder an den Sänger der Talking Heads, David Byrne.
Klingt auch alles sehr britisch, und die vier Jungs haben sicher einige Platten
aus den frühen Achtzigern im Schrank stehen.
Während ich das hier schreibe, steht Weihnachten kurz vor der Tür,
und es mag sein, daß mich deshalb und aufgrund des Albumtitels solche
Assoziationen beschleichen: "Turn On The Bright Lights" verbreitet
eine wohlig-warme Stimmung, wie wenn man dem Schneetreiben auf der Straße
drunten vom Fenster aus zusieht. Ja, die Stimmung eines Wintertags, wenn Autos
mit gedämpftem Licht fast lautlos durch den Schnee schleichen und man
selber in eine dicke Jacke gepackt durch die knirschende weiße Pracht
stappft.
Sehr melancholisch ist das alles, aber keineswegs trübsinnig.
Interpol sind der Wunschtraum von Joy Division-Fans, in dem Ian Curtis noch
lebt und die Band sich so weiterentwickelt hat (und zwar mal in dem Sinn, daß
sie ihrem Stil nicht total umkrempelt), daß sie in etwa so klingt, wie
New Order auf "Get Ready" (2001), also durchaus modern (Vergleiche
mit Placebo wurden da gezogen) und mit deutlicher Gitarrendominanz. Ein Wunschtraum,
doch mit Interpol...
Stop, damit wird man der Band eigentlich nicht gerecht. Bloße Kopien langweilen
nach kurzer Zeit, und "Turn On The Bright Lights" läuft hier
nun schon seit ein paar Wochen regelmäßig.
Innerhalb kurzer Zeit waren Interpol nun, zusammen mit Godspeed You! Black Emperor,
eine Band, die ich rein nach Gefühl nach dem Lesen eines kurzen Artikel
entdeckt habe und absolut richtig gelegen bin. Bin gespannt, was noch nachkommt,
von Interpol und an neuen Entdeckungen.
- Martin - 12/02