Magisches
Theater!
Eintritt nicht für jedermann!
Zu Beginn ihrer Karriere waren sie noch recht folkloristisch, fanden im Laufe
der Neunziger zu komplexeren Strukturen, welche ihnen im musikalischen Underground
Europas zu einem guten Ruf verhalfen, und die klanglichen Eskapaden schließlich,
welche die Schweden um ihren kreativen Mittelpunkt Mats Johansson mit "Mind
Vol. 2" inzwischen auf den unbedarften Hörer loslassen, sind rückhaltlos
als begründet Aufsehen erregend, weil ebenso abgepfiffen wie genial zu
bezeichnen. Mit ihrer, gleich einem eruptiven Vulkanausbruch die verkrustete
Oberfläche der konventionellen Hörgewohnheiten hinweg sprengenden
aufregenden Mixtur aus progressivem Rock -Yes, Floyd, ELP oder King Crimson
hinterließen auch hier ihre Wirkung, allerdings nur fragmentarisch eingearbeitet
und subtil in den eigenen Sound integriert-, etwas Jazz, und barocker, sowie
moderner Klassik, verabreichen sie mit ihrem 2001er Doppel-Album eine alles
andere als opportunistische Medizin, welche nicht wirklich jedem Musikfreund
schmecken dürfte. Vor allem jenen nicht, deren Harmonieverständnis
vernehmlich protestiert, wenn gängige Takte und Tonfolgen mal so richtig
genüßlich gegen den Strich gebürstet werden ... auch ich hatte
bei der ersten Begegnung schwer daran zu schlucken, hatte den wohbekannten,
bei anderen Gelegenheiten bereits desöfteren erfahrenen dringlichen Impuls,
zu etwas Einfacherem, Bequemerem, etwas weniger Herausforderndem zurück
zu fliehen - und dabei hielt und halte ich mich in der Grundhaltung keineswegs
für jemanden, der Nonkonformität nicht zu schätzen wüßte;
doch wenn man nur einmal ein Stück wie etwa das 23minütige orchestrale
"Exit Permit" her nimmt, mit seinen vielen Sprüngen, seinen erstaunlichen
Gegensätzen zwischen schönen, getragenen, klassischen Themen und
verqueren, abstrakten und schonmal aufbrausenden expressionistischen Einschüben
-exemplarisch etwa diese kurz angezogenen stakkatoartigen kirmeshaften Motive
am Anfang und Ende-, dürfte es nicht verwunderlich sein, wenn es schon
einiger Durchläufe bedarf, um verstanden und nachvollzogen werden zu
können. Anfangs schüttelt man da, der teilweise zum Schreien schönen
Melodien im langen fließenden Mittelteil zum Trotz, mitunter erstmal
nur ratlos das Haupt .... bevor man erkennt, mit welch wahrlich multi-dimensionalem
Kunstwerk man es denn da tatsächlich zu tun hat.
Die zweite Disc halte ich für etwas zugänglicher, mit vermehrt ruhigen
Passagen, wie im einfach nur wunderbaren zweiten Drittel, wo sanfte Melodien
und zuweilen nur einzelne Töne farbig aufleuchtend in das schattenhafte,
umfangslose Kontinuum der Stille getupft werden. Beim 16minütigen "The
Voyage" wird's dann unter anderem wieder ein wenig wilder, jedoch wird man
auch hier in Bälde vollkommen mitgehen können, befähigt sein,
an jeder noch so übermütigen Kapriole welche die Band vollführt,
mental beteiligt zu sein und zusammen mit ihr furchtlos, vielleicht sogar
schelmisch lächelnd, über den Abgrund der Unmöglichkeiten zu
springen...
Viele der Stücke, von denen die meisten bisher unveröffentlicht
sind, wurden von den Werken mehr oder weniger bekannter bildender Künstler
oder Architekten inspiriert, dokumentiert im üppigen beigelegten Booklet.
Jedoch, auf der CD hätte man sich sowas wie "The Haven" einfach verkneifen
müssen, wo man sich jedes Mal geschlagene vier Minuten von irgendeinem
Dozenten auf französisch über den Postboten Ferdinand Cheval, der
sich in jahrelanger Handarbeit in seinem Garten ein kleines Schlößchen
hinstellte, zulabern lassen muß.
Isildurs Bane's vielfältige und ungewöhnliche Musik auf diesem komplett
live eingespielten und dadurch eine sehr vitale Ausstrahlung erhaltenden Album
ist ansonsten rein instrumenteller Natur - neben Bass, Drums & unterschiedlichsten
Percussions, natürlich auch den unverzichtbaren, doch nur selten die
Szenerie wirklich uneingeschränkt dominierenden E-Gitarren und Keyboards,
vernimmt man weiterhin Trompeten, Hörner, Posaunen, Flöten, Streicher,
Grand Piano, Cello, Marimba, Glockenspiel, Vibraphon undwasweißichnochalles!
Auch in dieser Beziehung kann somit klangliche Vielfalt attestiert werden.
Wer also wieder einmal ein ungemein originelles, den Rahmen der Konvention
deutlich überschreitendes Werk, welches trotzdem nicht ausschließlich
von übersteigerten Intellektuellen oder Elitemusikern goutierbar ist,
erkunden möchte, darf sich für seine nächste Expedition ins
Unbekannte, ins noch relativ Unerforschte, auch gerne vertrauensvoll an die
Schweden von Isildurs Bane wenden!
Hier läßt es sich noch erleben - das ABENTEUER MUSIK !!!
-Heiko - 04/02
(Nicht) nur für Ver-rückte....!
Post Scriptum
Es ist dies nun bereits die dritte Version dieser Rezension, die ich
an Martin schickte, was einerseits zeigt, daß man niemals vorschnell handeln
sollte, um sein Zeug veröffentlicht sehen zu wollen, andererseits, daß
in diesem Falle es immer wieder neue Aspekte zu entdecken und veränderte
Perspektiven einzunehmen gilt und ein abschließendes, definitives Statement
zu einem vielschichtigen Werk wie es "Mind Vol. 2" darstellt, wohl erst in einigen
Jahren zu erwarten und zu wagen sein dürfte.
Oh ja oh! - der Name .... da könnte man doch gleich mal wieder ein witziges
kleines Rätsel draus ableiten! Also, wer uns im Gästebuch mitteilen
kann, bei welchem Autor und in welchem Buch der heldenhafte Isildur sein
bedauernswertes Verderben findet, darf sich zwar nicht
über den Gewinn eines nagelneuen Ford Mondeo freuen, kann sich allerdings
zumindest unser aller Anerkennung sicher sein....