Es
gibt sie also doch noch: Neue Metalalben, an denen ich mich erfreuen kann!
Wie meine derzeitige Lieblingsmetalband Atrox kommen auch Madder Mortem aus
Norwegen und verfügen über eine sehr gute eigenständige Sängerin.
Sowohl die Sängerinnen als auch die Musik der beiden Bands unterscheiden
sich aber erfreulicherweise recht stark voneinander. Agnete Kirkevaag singt
in einer deutlich tieferen Stimmlage als Monika Edvardsen und vollführt
auch nicht vergleichbare Gesangskapriolen wie diese, was zumindest potentiell
einen breiteren Hörerkreis eröffnen dürfte. Der tiefere, kräftige
und teils recht aggressive Gesang (Agnete hat schon einen ordentlichen "Wumms"
in ihrer Stimme!) paßt sehr gut zur Musik, die oft mit einem recht schweren
und fetten Gitarrensound daherkommt und tempomäßig mehr als einmal
in Richtung Doom tendiert (wenngleich man von Saint Vitus und alten Candlemass
meist noch ein Stück entfernt ist).
Erfreulich ist, daß Agnete im Gegensatz zu diversen männlichen
Sangeskollegen nicht einfach gleichförmig und unmotiviert in der Gegend
herumschreit bzw. -brüllt, sondern richtig singt! Daß Agnete über
eine gute Stimme verfügt, merkt man in jedem Fall bei den ruhigeren Passagen
der Songs, insbesondere wenn sie etwa bei "Faceless" an einer Stelle
mal acapella singt oder bei "Distance Will Save Us" und "Silverspine"
während der Strophen sehr dezent (teils nur von Bass und Schlagzeug)
begleitet wird. Stellenweise, d.h. bei einigen Refrains, stimmen zur Verstärkung
auch schon mal Agnetes Bruder, der ansonsten für eine der beiden Gitarren
zuständig ist, sowie der Bassist mit ein, doch auch dann steht immer
eindeutig Agnetes Stimme im Vordergrund. Mir fällt gegenwärtig im
Metalbereich keine Sängerin ein, die von der Stimme her mit Agnete vergleichbar
wäre, was in diesem Punkt schon mal für die Eigenständigkeit
der Band spricht.
Die Songs sind bei weitem nicht so breaklastig wie diejenigen von Atrox, was
einen schnellen Zugang sicherlich erleichtert. Gleichwohl gibt es doch genug
Abwechslung, so daß die Platte nicht schon nach kurzer Zeit langweilig
wird und nur zum Nebenbeihören geeignet wäre. Gerade das Drumming
klingt in meinen Ohren recht abwechslungsreich und originell. (Wer hat da
jetzt gerade gedacht, daß es mal Zeit wird, daß ich zum Ohrenarzt
gehe?) Irgendwie sonderbar: Beim Song "Silverspine" klingen die
schleppenden Gitarrenriffs an einer Stelle im Mittelteil zunächst sehr
stark nach Saint Vitus und kurze Zeit später ist eine cleane Gitarre
zu hören, bei deren Klang ich sofort an "Lifting Shadows of a Dream"
von Dream Theater denken mußte.
Auffallend ist, daß doch bei einer ganzen Reihe von Songs die Strophen
relativ gemäßigt - ich bin fast geneigt, "sanft" zu sagen
- gespielt und gesungen werden, während es bei den Refrains dann richtig
heftig zur Sache geht, wobei diese Wechsel schon recht abrupt erfolgen. Ebenfalls
noch anzumerken ist, daß es auf diesem Album keine Gitarrensoli gibt
(oder habe ich die überhört?).
Irgendwelche Songs besonders hervorzuheben vermag ich nicht, da alle doch
mehr oder weniger auf einem relativ hohen Qualitätslevel liegen.
Mit den allesamt von Agnete verfaßten Texten habe ich mich noch nicht
intensiver befaßt, doch zumindest soviel ist sicher: Es werden hier
keine gängigen Metalklischees verbraten. (Begriffe wie z.B. "Leather",
"Steel", "Sword", "Metal", "Satan"
oder "Hell" sucht man vergebens.) Das Cover paßt zur überwiegend
düsteren Musik, doch hat man sich bei der Gestaltung wohltuend von dem
unsäglichen plakativen Mist abgehoben, mit dem eine nicht unbeträchtliche
Anzahl von Bands (bzw. Plattenfirmen) den Markt überschwemmt.
- Burkhard - 01/03