Himmel.
Ist "The Love Of Hopeless Causes" das gottverdammt beste Album, das
jemals geschrieben wurde?
Vielleicht.
Vielleicht auch nicht.
Wer würde eine solch absolute Aussage auch ernsthaft vertreten wollen.
Es gibt jedenfalls keines, das mir jemals mehr bedeuten könnte.
Trinke gerade nach einem langen Tag ein Bier und bin emotional so roh
und empfindlich wie ein rohes Ei mit dem eine ins Spiel vertiefte Katze
auf dem Küchentisch herumtätzelt.
Musikalisch vorzüglich vertont und von ursprünglicher Direktheit
angetrieben, sind es vor allem die unglaublich poetischen Texte und
Justins Vortrag, der mich abermals bis auf den innersten Kern
durchschüttelt.
Das gilt für mindestens sieben der zehn Songs. Lieben tue ich aber
natürlich das ganze beschissen schöne Ding.
Selbst wenn einen ein Stück mal nicht so pfeilgerade todbringend ins
eigene Herz trifft wie etwa "My People", könnte man sich diese Hymne
immer noch als agitierende revolutionäre Kraft imaginieren, die
Millionen von Menschen motiviert, auf die Straße zu gehen und gegen
Ungerechtigkeiten zu streiten und für eine bessere, lebenswertere Welt
für alle zu kämpfen.
Fast jeder Satz von etwa "White Light", "Afternoon Song", "Fate",
"Believe It", "Bad Old World" könnte sich auch irgendwo in einem
dunklen, tief-stillen Eck meines Selbstes gebildet und materialisiert
haben.
"Here Comes The War", traurig aktuell wie eh und je, läßt einen die
unerträglichsten Zustände der Menschheit, dessen, wie sie desöfteren
mit sich selbst und ihrer Umwelt umgeht, heraus- und dagegen
anschreien. Die Frustration darüber formulieren, was da weltweit alles
in die falsche Richtung läuft. Was an Abgründen, Ignoranz, Egoismus und
einfach blanker Dummheit in uns existiert und sich ernüchternd häufig
würdelos unzivilisiert und zerstörerisch Bahn bricht.
Ein in sich stimmiges Kunstwerk.
Spiralfarbene ins Unendliche weisende Cover-Art von Joolz, kryptisch
anmutend und wissend lächelnder Titel inklusive.
Ich singe gerade laut und erbärmlich schräg alles mit.
So gut ich es halt vermag.
(Bin gerade auf das tolle Linux Ubuntu Betriebssystem umgestiegen und
dort gibt es eine Software namens "Strawberry" - in augenzwinkernder
Anlehnung an "Apple", you know -, der wohl beste Musikplayer den ich je
hatte. Dort werden alle Lyriken angezeigt. Super hilfreich für die ein
wenig eingerostete Textsicherheit.)
Ganz wie in alten Zeiten. Ganz wie so oft, damals, in den heutzutage
geradezu archaisch anmutenden Neunzigern.
Ganz wie in meiner jüngeren Phase, ist die kathartische Wirkung immens.
Von der Stärke eines reinigenden Unwetters, maßlos alten, verkrusteten
Gefühlsstaub hinweg blasend.
Ich weiß nicht, ob ich überhaupt so weit zurückzudenken vermag, wann
ich zuletzt so ergriffen war wie gerade eben bei "Living In The Rose".
Jede Zeile eine Offenbarung, jeder Ton ein Gedicht, das Gitarrensolo
nach dem gesprochenen Vers wie eine liebesversunkene Enthauptung.
Durchgeschüttelt wie ein alter klappriger Hyperionischer Frachter beim
multidimensionalen Raum-Zeitsprung.
Selten konnte ich so hemmungslos und erleichternd weinen.
Geborgen in nihilistisch angehauchter Lyrik, in überpersönlicher
Natursophie, in liebevollem, hingegebenen Verschmelzen mit der
allumfassenden Einheit des Seins.
Danke dir Justin.
Danke für alles, Jungs.
Wir sehen uns.
- Heiko - 12/2019