Vor
kurzem erst, als ich vor wenigen Monaten einmal wieder für einige gemeinsame
Tage "far above the clouds" zu Besuch in Karlsruhe weilte, kamen Eddi und ich
auf Pendragon zu sprechen, welche seit ihrem letzten überweltlichen schillernden
Klangkaleidoskop "Masquerade Overture" fünf zwar nicht unbedingt schmerzvolle,
da dieses und die zwei Alben zuvor für sich bereits Dekaden unnennbarer
Zahl voll Hörfreuden sowie nachvollziehenswerter lyrischer Beigaben boten,
aber doch bedenklich lange Jahre kein Lebenszeichen von sich gaben und spekulierten
unter anderem kurz darüber, wo die Gründe hierfür wohl lägen.
Ob Mastermind Nick Barrett nun etwa endgültig den Weg des Voyagers angetreten
habe und seine sterbliche Umhüllung dem Ozean überantwortete, um hernach
endlich frei und ungebunden im Lichte des vollen Mondes mit den Delphinen zu
schwimmen, zu tauchen, zu spielen, zu tanzen... - ich meine, er surft ja sehr
gerne, wie im Booklet der neuen Disc auch klar ersichtlich, da kann sowas schon
mal vorkommen....
Aber nein, er weilt noch immer unter uns Sterblichen, das Donnerstagskind wird
uns auf unserem langen Weg auch weiterhin begleiten und Linderung verschaffen.
Denn enthusiastisch jubilierend waren die Ausrufe und Dankesgebete der Getreuen,
als die Kunde im Lande gleich dem Licht der olympischen Fackel weiter gereicht
wurde und getragen bis in die äußersten Winkel, es sei ein erneutes
absolutes Wunderwerk dieser Ausnahmeformation in Erscheinungsform getreten,
eine erneute Astral - Symphonie, und fraglos abermals, so prophezeite schon
die Titelgebung, nicht von dieser Welt !!!
Das war und ist "Not Of This World" denn ohne Zweifel geworden; zu vielschichtig
eigentlich und vor kreativer Brillianz unablässig überfließend,
als daß man nun wagen möchte, lyrische Interpretationen anzustellen
und eine musikalische Themenlandkarte nachzuzeichnen. Dies möge ein jeder
für sich selbst tun oder wird es schon getan haben. Na, damit ist das nun
jetzt bereits die zweite Gelegenheit, bei der ich, diese Band betreffend, gekniffen
habe...
Dies Werk Pendragons ist, mit einem simplen Wort ausgedrückt, einmal mehr
Art Rock in Vollendung.
Das neue Album von überirdischer Strahlkraft, nach vielen Jahren wieder
mal ein Lebenszeichen einer der begnadetsten und faszinierendsten Formationen
-und dies nicht nur auf den musikalischem Bereich des Progressive Rock bezogen-,
da sollte man doch annehmen, daß hunderte, ja tausende erwartungfroher
Fans aus allen Teilen der Erde am 26. 11. 2001 gen Karlsruhe pilgern würden,
um den aus ihrem hochgelegenen Olymp in die Substage herabsteigenden Prog-Rock-Göttern
entsprechend zu huldigen und mit ihnen in standesgemäßem Rahmen fröhliche
Wiederauferstehung zu feiern. Aber nein, wir befinden uns ja noch in der realen
Welt, und da kann man einfach nicht davon ausgehen, daß zu einem eher
kurzfristig angesetzten und noch dazu sehr schlecht beworbenen Konzert mehr
als, grob geschätzt, hundertfünfzig Nasen erscheinen... Wie mir einige
Kenner der Szene mitteilten, sei mittlerweile der Erfolgszug für klassische
Neo-Prog-Bands im Allgemeinen und Pendragon im Besonderen sowieso abgefahren,
man erreiche damit inzwischen nur noch seine eigene kleine, begrenzte Klientel,
im Gegensatz zu moderneren, selbstverständlich ebenfalls schätzenswerten
Formationen wie Spock's Beard, Transatlantic (die kurz vorher in KA vor weit
über tausend Leuten spielten) den Flower Kings, Dream Theater oder auch
Radiohead und Sigur Ros, verkörperten etwa Pendragon "nicht die Zukunft
des Progressive Rock". Na und?, frage ich. Bei solch wunderbarer, atmosphärischer,
anspruchsvoller wie anrührender Musik gleich dieser, solch unsterblichen
Worten, Stimmungen, Melodien, interessieren mich erst einmal keine Verkaufszahlen
und nun wahrhaftig keinerlei Zukunft, denn sie sind für mich hier und jetzt
wertvolle, empfindbare, zeitlose Gegenwart und werden dies auch zweifellos für
immer bleiben!
Für die wenigen Leute die ähnlich fühlen und nach KA kamen, sollte
der Auftritt dann allerdings sicherlich ebenfalls zu einem denkwürdigen
Ereignis werden. Nach der "Masquerade Overture" stieg die Band mit "Walls Of
Babylon", nun allerdings auf dessen floydianisches Intro verzichtend, voll ein
und zeigte sich ungemein gut gelaunt und spielfreudig. Überhaupt scheinen
die Jungs und vor allem auch Nick Barrett sehr humorvolle Charaktere zu sein,
eher das nachdenkliche, melancholische, tiefgründig-philosophische Bild
ihrer Kunstwerke kontrastierend. Aber natürlich trägt ein jeder tausend(e)
unterschiedliche Seelen in sich. So alberte Barrett auch mal herum und hatte
manchen lockeren Spruch auf den Lippen; etwa als er meinte, dies sei ihr vorläufig
letztes Konzert in Europa, worauf ihn Keyboarder Clive Nolan kopfschüttelnd
ansah und korrigierte, sie spielten noch zwei Shows in England. Darauf Nick
mit schelmischen Grinsen: "So? Äh...ja, stimmt.... - aber England gehört
doch eigentlich nicht wirklich zu Europa, oder?!?".
Etwas irritierend war, daß unumstrittene Highlights aus dem neuen Album,
welches man durchaus komplett hätte bringen können, wie "If I Were
The Wind" und "Worlds End" ausgespart wurden - aber man muß ja auch hier
wieder mal selektieren. Wollte man wirklich alles Unverzichtbare hören,
müßte die Band vier, fünf Stunden spielen und tatsächlich
jeden Abend fast ihr komplettes Repertoire zum besten geben!
"The Masquerade Overture" wurde mit "As Good As Gold", dem klassisch-epischen,
lyrisch wunderbaren "The Shadow", dem ultimativen Kracher "Paintbox" (diese
Melodien!!!) und dem kompletten "Masters Of Illusion" bedacht, dessen fiebernd
herbei gesehntes minutenlanges, unfassbares, hochemotionales, alldurchdringendes,
kosmorgasmisches Gitarrensolo zum Finale -wahrscheinlich das genialste der gesamten
Musikgeschichte!- leider, leider soundtechnisch zu einem Fiasko wurde, da Barretts
Leadgitarre im Klangbombast hier kaum zu vernehmen war! Wirklich schade, schade,
schade ... aber nun gut, vergessen, kann man sich ja glücklicherweise dennoch
diese elektrisierenden Melodiefolgen weiterhin über Kopfhörer oder
durch die Bewußtseinsspuren der Erinnerung noch tausende Male durch die
Innenräume hallen lassen, mit ihnen verbunden im ekstatischen Taumel der
Glückseligkeit....................................!!!!!!!
Apropos Gitarrensoli! Klar könnte man zu Barretts Spiel anmerken, es sei
nachweislich und unüberhörbar sehr an seinen großen Vorbildern
geschult und orientiert, vor allem zweifellos an Dave Gilmours unverwechselbaren
Stil. Genauso wie manche Leute Pendragons Kompositionen an sich zuwenig Originalität
glauben bescheinigen zu müssen und den Blueprint so mancher Melodie, manches
Sounds bei den alten Genesis (lyrische Akustikgitarren & klassisches Piano)
und Marillion (Keyboards), Yes ( - ich sage nur: "Soon" in Bezug nehmend auf
den Ausklang von "Am I Really Losing You", jaaa, klar, das muß Nick wohl
bewußt gewesen sein, da gibt's kaum Argumente...), wie selbstredend und
vorrangig den Übervätern Pink Floyd (Gitarren, Synthieteppiche) zu
entdecken meinen. Das Thema reizt zu angeregten Diskussionen, wie ich bereits
selbst feststellen durfte. Personen, welche diese Meinung vertreten, sei selbige
natürlich unbenommen. Man könnte jedoch andererseits ebenso sehr darüber
erfreut sein, daß es überhaupt noch klassische Progbands gibt, die
diesen Stil auch im neuen Jahrtausend weiterhin kultivieren - und zudem dieser
seltenen Klasse klanglicher Opulenz wie Barrett & Co. angehören. Weiterhin
sehe ich persönlich Pendragon durchaus nicht nur als Fortsetzung sondern
gar Weiterentwicklung der oben genannten Bands.
Es wird eben beständig das Problem vieler jüngerer Bands, unerheblich
welcher Richtung nun zugehörig, bleiben, mit den Initiatoren des jeweiligen
musikalischen Stils verglichen zu werden. Es wurde ja mittlerweile auch so gut
wie alles mögliche ausprobiert, vieles ist in der einen oder anderen Form
im kreativen Garten der Musikgeschichte schonmal gewachsen, gediehen und aufgeblüht.
Wer kann da heute allen ernstes von sich behaupten, tatsächlich revolutionär
Neuartiges, bislang Ungedachtes, Ungefühltes erschaffen zu haben? Und dies
logischerweise, ohne jetzt gleich mit ungenießbarstem, absurdestem Krampf
daher zu kommen... Was man allerdings mindestens erwarten sollte, sind eine
unverstellte Wahrhaftigkeit des Fühlens sowie eine individuelle, charakteristische
Darstellung und Vermittlung desselben. Beides würde ich Pendragon ohne
Zögern bescheinigen.
Auch das Argument, die letzten vier Alben der Band klängen allesamt identisch,
zieht bei mir keineswegs, da sich in diesem Punkt genauso gut die positive Sichtweise,
nämlich begrüßenswerte Stiltreue, anführen ließe.
Es dürfte wohl noch so manche Veröffentlichung Pendragons anstehen,
bevor ich mich zu jenen nur zu bedauernden Ignoranten geselle, die dann wieder
einmal müde gähnend und gelangweilt abwinken werden. Ich glaube aber,
das wird niemals passieren, da dieser Stil wirklich so viele Möglichkeiten
des künstlerischen Ausdrucks zu bieten scheint, so auch "Not Of This World"
wieder mit einigen Überraschungen, vielen Aufsehen erregenden Parts, sowie
verschachtelten, monumentalen und vor allem treffend emotionalen Kompositionen
aufwartet - und ich zudem kaum Musiker kenne, deren Ouevre sich derart geschlossen
auf solch weltüberblickend hohem Niveau befände.
Nun, um den einleitenden Faden wieder aufzugreifen, nicht nur am Ende von "Master
Of Illusion", sondern in vielen seiner Stücke legt Nick Barrett Zeugnis
davon ab, daß er unbedingt zu den besten Leadgitarristen dieses Planeten
zu rechenen ist, sein einstiges Vorbild Gilmour -man möge mir diesen Frevel
verzeihen-, vor allem gerade was die Häufigkeit der eingestreuten mitreißenden
Gitarrenausflüge angeht, damit mittlerweile eigentlich überflügelnd.
Seine Soli sind derart intensiv und gefühlvoll, spürbar direkt aus
dem Herzen fließend und selbiges beim Wahrnemenden somit unvermittelt
erreichend und entzündend ... unmöglich, davon nicht tiefbewegt zu
werden!
Hmm, ok, laßt uns nach dieser kurzen Betrachtung der mich nicht wenig
überraschenden, erstaunenden und herausfordernden Szenekontroverse um Pendragon,
zu deren Konzert nach KA zurückkehren: "The Window Of Life" war am diesem
Abend, neben "Babylon", mit einem Auszug des superben, auf poetische Weise sinn-
und erlösungverkündende "The Last Man On Earth", dem stimmungsvollen
"Am I Really Losing You?" sowie dem Aufgrund seines Mitsingchorus liveprädestinierten
"Nostradamus" präsent.
Von "The World" wurde das Ende des über 20minütigen "Queen Of Hearts"
sowie eine reduzierte, fast ausschließlich mit zwei Akustikgitarren vorgetragene
und dadurch wildromantische Lagerfeuerstimmung verbreitende Version von "And
We'll Go Hunting Deer" gespielt, bei der Peter Gee den Bass mit der Akustischen
vertauschte, Drummer Fudge Smith sich ins Publikum mischen konnte und Clive
Nolan sanfte Synthiewellen durch die Räume branden ließ. Eine wirklich
berückende Version dieses wunderschönen Liedes. - Jedoch, unglaublich,
einen Akt dieses Albums, einen ihrer absoluten Kultsongs, gemeint ist natürlich
"The Voyager", wollten die Jungs uns partout nicht gönnen!!! Unglaublich.
Selbst, als gegen Ende des Konzertes einige offensichtlich leicht flegelhafte,
fast schon prollige Zeitgenossen (okay, zugegeben, wir waren's...) mehrfach
lauthals danach verlangten und während des Zugabenteils -wo er dann einfach
hätte kommen müssen!- zwischen den Songs schließlich richtig
penetrant wurden, blieb uns der "Voyager", nicht zu fassen, gänzlich versagt!
Selbstredend war es trotz dieses kleinen Makels ein unvergesslicher Abend, mit
einer gut aufgelegten Band, wie auch sympathischen Begegnungen und guten Gesprächen
mit alten und neuen Bekannten und Freunden. Ein Abend, der wieder einmal zeigte,
wie das Leben im Grunde und im ideellen Sinne eigentlich sein könnte und
sollte...
"Skylight's now open to you friend
like a swallow you can swoop and dive
Skylight's now open to you friend
so you can see through the window of life"
- Heiko - Winter '01 & Spring '02
Nun, jetzt wurde es doch noch zu meiner persönlichen Standortbestimmung und vor allem Ehrerbietung einer wunderbaren, kommerziell relativ kleinen und künstlerisch zugleich überlebensgroßen Gruppe musikalischer Freigeister...