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SOFA - Grey (1997)

sofa - greyEine Band bringt nach vierjährigem Bestehen ihr erstes richtiges Album raus und löst sich noch im gleichen Jahr auf. Nichts ungewöhnliches. Die Gründe liegen größtenteils im Dunkeln; auf Verkaufszahlen scheint man bei SOFA nie groß geachtet zu haben, die geringe Resonanz auf "Grey" war also wohl nicht Ausschlag gebend.
Schauen wir uns die Vorgeschichte an, wie wir sie aus spärlichen Aufzeichnungen rekonstruieren können: 1993 gründen Scott Clarkson (Bass), Ian Ilavsky (Gitarre, Orgel, Piano), Keith Marchand (Drums) und Brad Todd (Gesang) SOFA und bleiben in dieser Besetzung bis zur Auflösung 1997 zusammen. SOFA sind Kanadier, die spätere Nähe zum Constellation-Label läßt vermuten, daß sie aus der Gegend um Montreal stammen.
Im Herbst '94 veröffentlicht die Band ihr erstes Album. "Test Tone" heißt es und enthält 9 Songs, 1000 Stück werden gepreßt. Doch schon kurz nach dem Erscheinen empfindet man Selbstekel gegenüber dem ungenügenden Material und wird es in der Zukunft nie wieder spielen. In diesem emotionalen Zustand ist man für wohlwollende Meinungen wenig aufnahmebereit. Der Legende nach lagern 800 Scheiben bis heute in der Garage des Drummers.
1995 nehmen SOFA auf dem Dachboden eines Freundes zwei Demo-Tapes auf, benannt "Town Unsafe" und "Record", welche die musikalische Entwicklung in Richtung einer "verwinkelten Düsternis", die auf "Grey" zu hören sein wird, erahnen lassen.
1996 hört man nichts von SOFA. Die Band arbeitet an neuen Songs, spielt ein paar mürrische Konzerte, verwirft von Selbstzweifel geplagt einige der Songs, schreibt neue und bringt im Mai 1997 ihre zwei einzigen bis heute erhältlichen Tonträger heraus: Die Single "New Era Building" (mit 2 Songs von "Record") und das Album "Grey". Gleichzeitig sind dies die beiden ersten Veröffentlichungen des Montrealer Labels Constellation, welches später mit experimentellem Avantgarde-Rock von sich reden machen wird, ehrfürchtig seien hier nur die Namen Godspeed You! Black Emperor und A Silver Mt. Zion genannt (besteht eine Band aus mindestens acht Mitgliedern, dauern die Tracks um die 15 Minuten und kommt die Band aus Kanada, ist die Chance groß, daß sie ihre Alben auf Constellation rausbringt). Das Cover der Erstauflage von "Grey" wurde von Label und Band per Hand gefertigt, eine Richtung, die das Label mit aufwändigen Papp-CD-Covers und liebevollen Vinyl-Ausgaen beibehielt.
SOFA sind für Constellation insofern ungewöhnlich, weil sie vergleichsweise nahe an dem dran sind, was Hörer mit erweitertem Musikgeschmack noch als "Rock-Musik" bezeichnen. Todds Stimme wurde oft mit Ian Curtis von Joy Division verglichen, was durchaus zutreffend ist, aber SOFA deshalb noch lange nicht zu einer Joy-Division-Tribute-Band macht und 1997 auch ziemlich anachronistisch wirken würde. Musik zu beschreiben ist immer schwierig, Vergleichsbands heranzuziehen macht es etwas einfacher: Es hat mich etwas verwundert, daß in den Besprechungen zu "Grey" nie No Means No genannt wurden, die zudem ebenfalls aus Kanada kommen, jedoch von der Westküste. Jene arbeiten zwar oft mit minimalistischeren Songstrukturen (was sie nicht davon abhielt, "Bitches Brew" von Miles Davis zu covern), weisen aber vor allem hinsichtlich der (Sprech-)Gesangslinien Ähnlichkeiten mit SOFA auf, oder auch bei Stakkato-Bass-Attacken.
Von Selbstzweifeln geplagt hetzen SOFA also durch "Grey" und vertonen die Vergeblichkeit menschlichen Tuns. Entstanden ist ein Album, mit dem die Band sicher wieder nicht 100%ig zufrieden war. Es gab einige begeisterte Besprechungen, die von SOFA zwar zur Kenntnis genommen wurden, sie aber nicht dazu bewegen konnten, weiter zu machen.
Die Erwähnung von SOFA hier im ZWNN wird die Verkaufszahlen sicherlich nicht sprunghaft ansteigen lassen, aber der teils manische, teils klagend/nervenzerrende Lärm der Band hat mich schon fasziniert; ebenso wie der scheinbare Unwillen, ein gut verkäufliches "Produkt" abzuliefern und stattdessen den eigenen Unzulänglichkeitsgefühlen Ausdruck zu verleihen.
Völlig in der Versenkung sind die Musiker nicht verschwunden, auch wenn sie über die die Constellation-Homepage leicht pathetisch einen anderen Eindruck erwecken wollen. Ian (Gitarre) spielt in der Tra-la-la-Band auf des Godspeed-Ablegers A Silver Mt. Zion mit, und mit RE: kreirt er experimentelle elektronische Musik (auf Constellation, wo sonst). Brad (Vocals) ist Teil des "Rusted Satellite Choir" auf "This Is Our Punk Rock" (2003) von A Silver Mt. Zion.
"Grey" ist in Deutschland noch erhältlich, Vertrieb dürfte Indigo oder EFA sein. Oder man bestellt direkt bei Constellation mit Dollarscheinen. Die Leute dort sind zuverlässig, und mit ziemlicher Sicherheit kostet's insgesamt nicht mehr als hier im Laden.

- Martin - 10/03