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Steve Brockmann - Expected Errors (2007)

oder:
"Not another shredding album!!!" ?

Quasi in Eigenbewerbung flatterte mir dieser Tage eine reine Instrumental-CD ins Haus, die ich mir wohl - ich gestehe! - so eher nicht zugelegt hätte. Denn wer um alles in der Welt braucht denn heutzutage noch ein Guitar Hero Dudelalbum?
So gesehen war es also eine glückliche Fügung, daß sich der aus Nordfriesland stammende Gitarrist und Multiinstrumentalist Steve Brockmann erdreistet hat, sich mit der Bitte um eine Rezension seines nunmehr 3. Albums an das Zine with no Name zu wenden. Denn Expected Errors, zu 100% in Eigenregie eingespielt, produziert und eingetütet (und als Promopackage äußerst professionell in Szene gesetzt) ist eigentlich kaum mit den berüchtigten Produktionen der Mike Varney-Schmiede der achtziger Jahre vergleichbar (Welches ältere Baujahr erinnert sich nicht mit Grausen an all die lichtgeschwindigkeitsschnellen guitar neurotics, die einem seinerzeit als neuer Stern am Gitarrenhimmel verkauft wurden? Mit ein, zwei Ausnahmen vielleicht: Daß es auch anders ging zeigten bereits damals Klampfer wie Tony MacAlpine und Vinnie Moore; gerade letzterer verstand es ausgezeichnet, hohe Gitarren"kunst" mit anspruchsvollem Songwriting zu verbinden und diese Fertigkeiten nach Michael Schenkers definitivem Abgang bei UFO anno 2004 songdienlich in deren Dienste zu stellen). Somit schließt sich auch der Kreis: Expected Errors ist nahezu arpeggio- und tappingfreie Zone, und Steve Brockmann ist es wirklich gelungen, Songs zu schreiben, halt nur ohne Gesang. Und da ja gerade Rezensionen von Instrumentalalben kaum ohne Vergleiche auskommen dürften, sei hiermit gesagt, daß Brockmann stilistisch zwischen eben genanntem Michael Schenker und dem inzwischen wohl auch nicht mehr nur Insidern geläufigen Steve Morse (Deep Purple, Dixie Dregs, Kansas etc.) anzusiedeln ist. Zwar erinnert auch immer wieder einmal ein Lick beispielsweise an Eddie van Halen oder eine Phrasierung an Carlos Santana, aber dennoch gelingt es Brockmann, im wesentlichen eigenständig rüberzukommen.
Die Bandbreite der elf auf Expected Errors gebotenen Songs mit einer Gesamtspielzeit von knapp 52 Minuten reicht von hymnisch-balladesk bis treibend. Geschickt werden Rhythmik und Tempi variiert, mal groovt es unwiderstehlich, mal wird fusionmäßig abgerockt, ohne allerdings in Neo-Jazz- oder gar Country-Gefilde abzudriften, mal klingt es sahnig-bluesig... Hinzu kommt eine recht differenzierte, transparente Produktion, bei der alle Instrumente einschließlich der äußerst geschmackvollen Hammond- und sonstigen Keyboardsounds gleichberechtigt zur Geltung kommen, und auch die sporadisch eingesetzten Synthies wirken alles andere als deplaziert.
Ein paar Songstrukturen weisen frappierende Ähnlichkeiten zu den alten Kansas auf - gerade bei den "progressiveren" Stücken läßt sich ein gewisser Seventies-Einfluß nicht verleugnen - und was mir besonders gut gefällt, ist die Dynamik der Stücke untereinander, die in mir Assoziationen zu Earl Slick´s Meisterwerk In your Face weckt. Sehr gut!
Abwechslung wird also groß geschrieben auf diesem Instrumentalalbum der etwas anderen Art. So sind denn auch meine Anspieltips breit gefächert: Angefangen beim hymnischen The Changeler über die fusionartigen Not necessarily evil und Leaving Soberville (letzteres mit angenehm federnden Latingroove) bis hin zu Without Remorse, bei dem Brockmann vor allem gegen Ende seine Les Paul so herrlich singen läßt, daß man sich an Thin Lizzy´s (!) beste Zeiten erinnert fühlt.
Einzige Kritikpunkte sind - wenn man einmal davon absieht, daß Expected Errors trotz aller songwriterischen Finesse leider für Nicht-Musiker auf Dauer wohl etwas zäh sein dürfte - das gelegentlich ein klein wenig hakelige Drumming sowie die bei zwei oder drei Stücken etwas zu mittig ausgefallene Produktion. Dies aber nur am Rande, wirklich störend wirkt sich dies kaum aus.
Wer also ein Faible für virtuose Gitarristen hat und wer es - vollkommen zu Recht - bedauert, daß sich im Rockbereich nur noch Steve Morse und - mit Abstrichen - der Dream Theater-Ableger Liquid Tension Experiment solche Alben zu veröffentlichen trauen, der kann hier getrost zuschlagen und sich unter www.steve-brockmann.de weitere Informationen holen.
Noch ein abschließender Hinweis: Dieses Album wächst, und nach ein paar Durchläufen wird sich so mancher Hook in den Gehörgängen festsetzen. Macht Spaß, die Scheibe!

- Klaus - 06/07