Ich
weiß gar nicht mehr, was ich neulich eigentlich genau im Internet gesucht
habe; irgendwann kam ich jedenfalls auf eine Preisvergleichs-Seite und bei
den Werbelinks las ich etwas von "2112" und "Operation: Mindcrime". Aaah,
nicht schlecht! Also flugs dem Link gefolgt, und so landete ich auf der Bandhomepage
von TORMAN MAXT, die ihr neues Album als eine Mischung aus eben diesen beiden
Über-Scheiben anpreisen. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, stellt
die Band dieses Album inclusive Artwork und Texten auch noch gratis zum Download
bereit! Neugierig geworden lud ich mir das Komplettpaket herunter, und nach
ein paar Hördurchläufen und einem erneuten Besuch der Bandhomepage
war klar: Wieder einmal ein Fall fürs Zine with no Name.
Aber der Reihe nach: Bei TORMAN MAXT handelt es sich um ein allem Anschein
nach bibelfestes Brüdertrio aus Fort Myers, Florida, namentlich Tony,
Dominic und Vincent Massaro, das sich dem Progressive Rock mit deutlichen
Siebziger-Anleihen verschrieben und bereits drei Alben eingespielt hat: Just
talking about the Universe so far, The Foolishness of God und eben das
aktuelle 2007er Werk The Problem of Pain: Part 1. Für 2008 ist
bereits The Problem of Pain: Part 2 angekündigt, und irgendwie
macht all dies (Thematik, Design und Präsentation) einen ziemlich ambitionierten
und zugleich professionellen Eindruck. Denn bei The Problem of Pain
handelt es sich um eine recht ausgeklügelte Geschichte, ein Konzept,
dem das alttestamentarische Buch Hiob zu Grunde liegt, welches insbesondere
für einen der zentralen Mythen des Christentums Pate stand, nämlich,
daß Gottes Wege unergründlich seien. Grob gesagt geht es in diesem
Bibelabschnitt um die reichlich bizarre Abmachung zwischen Gott und Satan,
den gottesfürchtigen Hiob so lange und so heftig auf die Probe zu stellen,
bis sich erkennen läßt, ob dessen vorbildliches Leben aus seinem
Glauben an Gott entspringt oder lediglich ein Produkt seines Wohlstandes oder
Wohlbefindens ist. Also stürzt Satan Hiob in ein gigantisches Chaos,
und als dieser schließlich seine - nicht ganz unberechtigten - Zweifel
und Fragen bezüglich der Gerechtigkeit seines Schöpfers äußert,
erscheint ihm Gott und erteilt ihm eine verbale Demonstration seiner Allmacht.
Hiob wird geläutert und für sein Leid fürstlich entschädigt...
(was aber wohl eher darauf zurückzuführen ist, daß zu Zeiten
der Entstehung dieses Buches der Bibel eine mögliche Wiederauferstehung
noch gar nicht Bestandteil der vorchristlichen Glaubenslehre war und ein Ausgleich
folglich noch zu Hiobs Lebzeiten wiederhergestellt werden mußte)
Die Frage nach dem Sinn des Leidens kann das Buch Hiob allerdings auch
nicht unbedingt schlüssig beantworten, und es bleibt abzuwarten, wie
TORMAN MAXT dies im zweiten Teil des Konzeptes umsetzen wollen (Teil 1 befaßt
sich lediglich mit Hiobs Leidensweg). Dann scheint die Band nämlich zu
beabsichtigen, vom biblischen Vorbild abzuweichen und sich den Erklärungsansätzen
von C.S.
Lewis zuzuwenden (=> britischer Schriftsteller des 20. Jahrhunderts,
evtl. bekannt durch seine Narnia-Chroniken und seine Verbindung zu
Tolkien, durch den er auch vom Atheisten zum Christen "missioniert" wurde,
dann aber von Tolkien fallen gelassen wurde, weil er nicht auch noch den Schritt
zum Katholiken vollziehen wollte...), dessen zentrale Aussage in etwa lautet:
"Wäre Gott gut, würde er wollen, daß seine Geschöpfe
vollkommen glücklich wären. Wäre er allmächtig, wäre
er in der Lage zu tun, was er wollte. Seine Geschöpfe sind aber
nicht glücklich. Also fehlt es Gott entweder an Güte oder an Macht
oder an beidem."
Ich habe mich zwar nicht weiter mit Lewis´ Thesen auseinandergesetzt, aber
soo neu sind seine Ausführungen oberflächlich betrachtet nun auch
wieder nicht, erinnern sie doch frappierend an die Lehre
des Epikur, einem Philosophen der griechischen Antike (341 - 270 v. Chr.),
und verwandte Schulen wie den Stoizismus oder den Skeptizismus, die die Ursachen
und damit in gewisser Hinsicht auch den Sinn von Leid und Schmerz zumindest
logisch begreifbarer machen.
Wie dem auch sei: Was hier in erster Linie zählen sollte, ist die Musik
(insbesondere dann natürlich, wenn sie auch intellektuell ansprechende
Inhalte transportiert), und die ist wahrlich nicht von schlechten Eltern!
Aufgeteilt in fünf Kapitel umfaßt The Problem of Pain: Part
1 insgesamt 13 Songs, die immer wieder verschiedene Leitmotive aufgreifen
und diese in leicht variierter Form in neue Stücke integrieren, so daß
man gewissermaßen von einem symphonischen Aufbau sprechen kann.
Los geht´s mit dem flotten, melodiösen Overture, welches mit schönen,
singenden Gitarrenharmonien aufwartet (Gitarrist Tony Massaro orientiert sich
stilistisch an Kollegen wie Steve Morse, Alex Lifeson oder auch Brian May).
Ab Song Numero zwei wird dann klar, daß das Hauptanliegen von TORMAN
MAXT wohl darin liegt, den Spätsiebziger RUSH-Sound in die Jetztzeit
zu transportieren, freilich angereichert mit verschiedenen anderen Einflüssen,
die von Jam Rock oder Southern Rock à la DIXIE DREGS über filigranes
Akustikgeklampfe und federnde Akustikgrooves im Stile von VAN DER GRAAF GENERATOR
bis hin zu etwas härteren Einschüben der Marke QUEENSRYCHE oder
SHADOW GALLERY reichen. Eingebettet in eine recht knackige, transparente Produktion
kommen alle Instrumente ausgezeichnet zur Geltung, angefangen beim eher unspektakulären,
aber dennoch dynamischen Drumming von Vincent Massaro über die schön
unaufdringlich-filigranen Baßläufe seines Bruders Dominic bis hin
zu den teilweise mehrstimmigen Gitarren- und Gesangsparts von Tony Massaro.
Gelegentlich kommen auch noch sphärisch-schwebende Synthesizer zum Einsatz,
und somit erfüllt dieses Album eigentlich alle Trademarks, die man gemeinhin
mit dem Begriff Progressive Rock assoziiert, einschließlich eines anspruchsvollen,
aber nicht zu komplexen Songwritings. Was insbesondere bei den ersten
vier Kapiteln von The Problem of Pain: Part 1 noch positiv auffällt,
ist die phasenweise etwas an EDVARD GRIEGs Peer Gynt Suite angelehnte
Dramatik; so fühlt man sich bisweilen von der Stimmung her in die Halle
des Bergkönigs versetzt oder wird durch eine orientalisch anmutende Gitarrenmelodie
an einen beschwingten Tanz eben dieser Stilistik erinnert, sehr gut!
Im fünften Kapitel werden dann vermehrt neue Motive eingebracht, und
man hat das Gefühl, daß die ganze Geschichte zu einer – vorläufigen
- Auflösung drängt; genauso soll ein Konzeptstück auf den Hörer
wirken! Mit dem an ganz frühe JUDAS PRIEST erinnernden A Great Silence
und einem etwas mystisch angehauchten Synthiegeplänkel endet dann
nach gut 42 Minuten ein Prog-Werk, dem es zwar an einem absoluten Knallersong
fehlt, das aber vor Abwechslungsreichtum nur so strotzt. Es juckt einen förmlich
in den Fingern, erneut die Play-Taste zu drücken... Da haben arriviertere
Progcombos (ich denke hier vor allem an FATES WARNING und – mit Abstrichen
– DREAM THEATER) schon deutlich uninspiriertere Scheiben abgeliefert. Hinzu
kommt, daß ich selten eine Progband gehört habe, die so groovt!
Fazit: Unbedingt antesten!
Im vergangenen Sommer erhielt ich eine E-Mail von einem der Torman Maxt-Mitglieder mit dem Hinweis, daß ihr Album The Problem of Pain, pt. II inzwischen fertig sei. Da die Band nach wie vor den äußerst fanfreundlichen Service anbietet, deren komplette Alben von der Bandhomepage downzuloaden, war dieses denn auch flugs besorgt. Nun ist der Sommer allerdings nicht unbedingt die Jahreszeit, in der ich mich ausgiebiger mit hörintensiver Musik befasse, und so mußte das Werk ein geschlagenes halbes Jahr warten, bis es endlich den Weg in meinen Player fand.
Und um es gleich vorwegzunehmen: Die im Zusammenhang mit TPOP, pt. I vollmundig
angekündigte Auflösung auf philosophischem Wege bleibt leider auch
auf Teil 2 aus
Statt dessen wird brav die biblische Geschichte von Hiob zu Ende erzählt
mit dem Fazit, daß der Mensch Gottes Wege nun einmal nicht in Frage
zu stellen hat. Da hat man es sich wohl angesichts einer aus christlicher
Sicht möglicherweise eher unbequemen Erklärung im Hause Torman
Maxt meines Erachtens leider etwas zu einfach gemacht!
Musikalisch hat sich zum Glück nicht allzu viel verändert: Wer Teil 1 bereits kennt, weiß sofort, wer hier zugange ist! Etwas härter sind sie teilweise geworden, sind aber immer noch so einfallsreich und verspielt wie man es von ihnen gewohnt ist. Schöne Melodien und Stimmungen - in einzelnen Passagen auch bisweilen von einer akustischen Gitarre getragen - wechseln sich mit heftigeren Einschüben ab; alles ist im Fluß und die Übergänge zwischen den einzelnen Kapiteln verlaufen schlüssig, dazu diese einzigartige orientalische Atmosphäre wirklich sehr angenehm anzuhören!
Auch wenn zum Ende hin - wie schon bei Teil 1 - die Kompositionen immer griffiger werden, so bleibt das Manko von Torman Maxt (so man es überhaupt als eines bezeichnen kann), daß ein wirklicher Killersong auch diesmal nicht zu verzeichnen ist - hier haben ähnlich ausgerichtete, etwas weniger verspielte Bands wie Heart of Cygnus oder auch Presto Ballet eindeutig die Nase vorn.
Für Fans von Konzeptalben wie Hemispheres, 2112 oder meinetwegen
auch Ayreons Frühwerken wie Into the Electric Castle allerdings
durchaus antestenswert!
- Klaus - 01/14