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ANNE VADA / AKI FUKAKUSA– Solrenning ('97)

ZAU-BER-HAFT! – Nein, damit ist jetzt keine Unterbringungsform krimineller Elemente mittels magischer Kräfte gemeint...obwohl, was letztere angeht, so könnte ich schon, wenn ich es recht überlege, sagen, daß mich die Stimme von Anne Vada in ihren Bann gezogen und somit zugleich gefangengenommen hat!

Bedauerlicherweise ist auch dieses 1997 erschienene musikalische Kleinod aus dem Hause Kirkelig Kulturverksted bislang nicht in Deutschland veröffentlicht worden, aber da gibt es ja den ars!-Versand in Hamburg, bei dem man auch dieses Album bestellen kann.

Stilistisch und von der Stimmung her sind die 12 Songs auf diesem Album vielleicht am ehesten mit dem Material von Kari Rueslåtten auf der "Demo Recordings 1995" zu vergleichen. (Dies nur als Groborientierung!) Die Arrangements sind durchweg sehr spartanisch ausgefallen, so daß die wunderschöne Stimme von Anne Vada, die mich ebenfalls etwas an Kari Rueslåtten erinnert, ganz klar im Mittelpunkt steht. Begleitet wird Anne von einem Percussionisten, einem Keyboarder sowie zwei japanischen Musikern, von denen einer zwei japanische Flöten (Saku-hachi und Shino-bue) und der andere – der auf dem Cover genannte Aki Fukakusa – ein dreisaitiges japanisches Instrument namens Shin-kin spielt. Bei zwei Songs – "Bendik og Årolilja" und "Den fyrste song" – kommt auch noch eine E-Gitarre sehr effektvoll zum Einsatz.

Bei allen Stücken auf diesem Album handelt es sich um norwegische Volksweisen. Die Melodie-Arrangements stammen aber laut Klappentext allesamt von Aki Fukakusa "mit Beihilfe von den übrigen Musikern".

Gleich der erste Song "Den dag kjem aldri at eg deg gløymer" ("Nie wird der Tag kommen, daß ich dich vergesse") ist zumindest für diejenigen, die bereits die "Tideland" von Rita Eriksen & Dolores Keane kennen, nicht unbekannt, wobei die Interpretation von Anne Vada doch um einiges ruhiger als diejenige von Rita Eriksen ausgefallen ist. Mir persönlich gefallen beide Fassungen sehr gut.

Auch die nachfolgende norwegische Mittelalterballade "Solfager og Ormekongen" – übersetzt man diese Eigennamen wörtlich, heißt der Titel wohl in etwa "Sonnenschön und der Wurmkönig (oder: Schlangenkönig)" – kann man noch auf einem anderen Album aus dem Hause Kirkelig Kulturverksted hören, nämlich auf dem Werk "Arv" des norwegischen Bassisten Arild Andersen, welches ebenfalls durchweg norwegische Volksweisen enthält, allerdings in teilweise recht jazzlastigen Fassungen. Mir persönlich gefällt da die Version auf dem vorliegenden Album eindeutig besser.

Da die Songs auf diesem Album alle sehr ruhig ausgefallen sind, fällt es schwer, einzelne hervorzu-heben. Der vielleicht sanfteste Song ist "Lite bane", ein norwegisches Schlaflied "mit instrumentaler Ergänzung von einem Schlaflied aus Itsuki in Japan". Bei diesem traumhaft schönen Lied gibt es außer "Lite bane" keinen Text. ("Lite bane" dürfte wohl einfach "kleines Kind" heißen.)

Bei "Då eg va liti" ("Als ich klein war") klingt die Melodieführung des Gesangs auffallend fernöstlich, es handelt sich aber um eine Volksweise aus Setesdal, in der das Single-Dasein gepriesen wird: "...Und frei wie der Vogel, so werde ich spielen, und so niemanden mein Herz besitzen lassen. Ja, frei wie der Vogel muß ich sein, und niemanden mein Herz stehlen lassen."

Bei der wunderschönen norwegischen Mittelalterballade "Bendik og Årolilja" könnte es sich inhaltlich um eine norwegische Version von "Tristan und Isolde" handeln. Dies legt zumindest der in lateinischer Schrift eingefügte Zusatz "(Tristan & Isolde)" in der für mich ansonsten völlig unlesbaren, ebenfalls abgedruckten japanischen Übersetzung nahe.

Was den Inhalt der Texte angeht, die zu übersetzen mir leider nur teilweise gelungen ist (die meisten sind in Nynorsk oder irgendwelchen Dialekten verfaßt, so daß ein handelsübliches Norwegisch-Wörterbuch keine große Hilfe ist), so handeln diese u.a. um Liebe und Sehnsucht, z.B. nach dem abwesenden Geliebten in dem wunderschönen "Om kvelden" ("Am Abend"), bei dem Annes Gesang allein und ganz dezent von Aki Fukakusas Saitenspiel begleitet wird, nach der verstorbenen Liebsten in "Jeg lagde meg så silde" oder aber (vermutlich religiös motiviert) nach Kanaan in "Akk, mon min vei til Kanaan" ("Ach, ob wohl mein Weg nach Kanaan...noch sehr lang ist.").

"Den fyrste song" ("Das erste Lied") handelt vom ersten Lied der Mutter an der Wiege, dessen "sanfte Worte zu Herzen gingen...Sie säuselten mich so wunderbar, so still und sanft in den Schlaf...ich höre immer noch vom Grab meiner Mutter das Lied, das alles heilt."

Im (relativ gesehen) munteren "Vi skal ikkje sova bort sumarnatta" heißt es: "Wir sollen nicht die Sommernacht verschlafen, sie ist zu hell dafür. Da sollen wir gemeinsam draußen wandern, unter den laubbehangenen Bäumen...wandern zusammen unter dem blaßblauen Himmel, bis die Vögel die Flügel heben. Und fühlen, daß wir verbunden sind mit der Erde, mit dem Wind und den weißen Wolken..."

"Jeg råde vil alle" dürfte einen religiösen Hintergrund haben und mahnt zur rechtzeitigen Besinnung: "Ich will allen raten in den Tagen der Jugend, daß sie sich dennoch mit der Zeit besinnen müssen, man kann nicht die Tage zurückrufen, man kann nicht wissen, wann Gott Gericht hält. Wenn das Licht ausgelöscht wird und die Tür des Himmels geschlossen wird. Wenn der Tag vorbei ist und die Nacht kommen wird. Da ist es zu spät, um sich zu besinnen..."

Auch ich will allen raten (zumindest denjenigen, die ein offenes Ohr für schöne klare Frauen-stimmen und ruhige, teilweise schon fast meditative Songs haben), sich zu besinnen und sich unbedingt dieses Album mit traumhaft schönen Songs zuzulegen!

Auch den musikalischen "Heiden" bei denjenigen Magazinen, bei deren Lektüre gelegentlich der Eindruck entstehen könnte, Sängerinnen seien allenfalls als dem Blickfang dienende Duettpartnerinnen geeignet, die sich von ihrem das "Biest" mimenden und des Singens unfähigen männlichen Gegenpart immer in die Parade grunzen oder kreischen lassen müssen, täte etwas musikalische Missionierung sehr gut!

Abschließender Kommentar: Beauty in perfection made audible!

(Für Punktefetischisten: Die Höchstnote! – Was sonst???)

- Burkhard - 05/00