Zur Rubrik "Musikmacher"
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Psychotic Waltz in Deutschland auf Tour (´91) - ein Traum! Und wie es das Glück so wollte, trafen wir die Musiker sogar, aber wie das so ist im Leben (leider ist man ja kein Teil einer Fernsehshow, oder doch?!) hatte man keine Interviewfragen dabei, und auch die Phantasie schien sich einen Moment verabschiedet zu haben! Alles, was wir dann erreichten, war ein Versprechen von Buddy Lackey, uns auf Fragen zu antworten, die wir ihm nach Amerika schicken würden. Leider gab es auf eine schriftliche Anfrage meinerseits noch im Sommer '91 keine Antwort, obwohl wir uns damals in Wilhelmshaven recht lang unterhalten hatten und er mir seine Adresse gegeben hatte, noch bevor wir ein Interview überhaupt erwähnt hatten, und der Brief, den ich ihm dann schrieb auch kein Interview enthielt, sondern einfach nur ein Brief war.

Die Antwort blieb also aus, das Interview schien in weite Ferne gerückt zu sein, bis eines Tages ein Brief von Dan Rock(!) bei mir ankam, "nur so", gegen Ende '91. Das war also unser neuer Interviewpartner. Die Fragen, die die Texte behandelten, beantwortete zwar tatsächlich Buddy Lackey, allerdings ohne einen Gruß an uns. Ich kann einfach nicht glauben, daß sein ganzes Gerede an diesen Abenden in Wilhelmshaven und in Werl nur amerikanischer Small - Talk gewesen sein soll! Dazu vielleicht ein anderes Mal, denn im Moment bin ich noch zu enttäuscht um darüber zu schreiben.

Buddy Lackey - Foto: Thorsten Wittig

Ich (Frank) denke, daß speziell Buddy Lackey seine Lyrics für seinen Intimbereich hält, und wer erzählt schon gerne völlig offen und öffentlich über seine Empfindungen. Das ist mir damals schon in Werl aufgefallen, wo er sich zwar Fans gegenüber sehr zuvorkommend benahm und auch höflich antwortete, aber immer eine gewisse Distanz walten ließ. Auch unsere Frage nach der Tätowierung auf seinem Oberarm ("Death Sweet Death") wurde nur ausweichend beantwortet. Unsere Fragen in diesem Inti wurden daher ebenso nach diesem Muster beantwortet. Daß Buddys verfaßte Texte zum Teil "nur" Bilder aus seiner Vorstellungskraft sind, in welchen Zuständen auch geschrieben, halte ich für eine ernstzunehmende Antwort auf unsere schwierigen Fragen. Zum Schluß kann ich nur sagen, daß die bisher besten und tiefsten Antworten Lackeys im GIANTS LORE 3 zu lesen sind. Soweit das Vorwort, nun zur Sache:

Welche Show war eure beste bisher? Auf welcher waren die meisten Fan-Reaktionen?

Unsere absolut beste Show war das Dynamo-Open Air '91 in Holland, wir haben noch nie so viele Leute vor uns gesehen, die auf unsere Musik reagiert haben. Das Rock Hard - Festival in Berlin war auch sehr gut, genau wie die Show in Werl. Eigentlich war jeder bisherige Auftritt eine wirklich tolle Erfahrung. Die Leute in Europa sind wirklich cool und das Bier war super!

Was haltet ihr von Life Artist, Sieges Even und Deathrow?

Es war unheimlich gut, mit Life Artist zu touren. Die Gitarristen, Frank und Dirk, sind sehr gute Musiker, und auch sonst gut drauf. Von Sieges Even hab ich leider nicht viel gesehen, was ich gehört habe, war aber wirklich gut. Deathrow waren die beste Band, mit der man einen Tourbus teilen kann. Mit dem Gitarristen und seinem Freund Siggy haben Norman und ich in Berlin ein Album aufgenommen, es heißt End Amen. Ich kann nur jedem raten, es zu kaufen!

Kennt ihr noch andere deutsche Progressiv-Metal Bands?

Ja, Megace sind wirklich genial. Ansonsten noch Jesters March.

Fühlt ihr euch wie eine Progressiv-Metal Band?

Ich glaube, wir sind die erste Band, deren Stil als "Progressive Hippie Metal" bezeichnet wird, das ist eine neue Kategorie.

Die neuen Songs sind ziemlich kompliziert, so wie "Strange"; wir haben aber auch gehört, daß ihr mehr von den 70ern beeinflußt sein sollt. Wie wird denn das neue Material?

Unser nächstes Album wird nicht nach Disco-Musik klingen, aber wir haben einige Klassik-Rock-Sounds der 70er dabei. Sachen wie Black Sabbath, Led Zeppelin, Jethro Tull und Pink Floyd. Ich bin mir nicht sicher, ob man das mit den 70ern verbindet, aber da liegen unsere Haupteinflüsse. Einige der neuen Songs sind ziemlich kompliziert, aber sie haben auch recht einfache Parts. In den 70ern gab es extrem komplexe Musik, so wie Kansas, Yes und Styx, aber auch seltsam schöne "straight forward to the point simplicity". Das kommt teilweise sogar besser. Ich denke, daß wir diese Aspekte vereint haben und unsere eigene kleine "Psychoness" dazugebracht haben. Deswegen Progressive-Hippie-Metal!

Artwork: Eva Ebenhöh

Wie habt ihr Mike Clift kennengelernt, und wie habt ihr ihn dazu gekriegt, für euch zu zeichnen?

Ich habe Mike in der dritten Klasse kennengelernt, wir waren auch in der gleichen Pfadfindergruppe. Damals, zu einer Zeit in der wir noch nicht einmal wußten, daß er zeichnen und ich Gitarre spielen kann. Wir sind als die besten Freunde aufgewachsen, während wir beide unsere Kunst lernten. Er war in der Army in Deutschland. Ich habe ihm Tapes mit unserer Musik geschickt, und er schickte mir davon inspirierte Zeichnungen zurück. Als er wiederkam, zeichnete er einfach weiter diese "psycho Pictures". Das Ganze ist eine Sache zwischen Freunden, die sich einfach gut verstehen.

Gibt es in eurer Stadt Bands die ähnliche Musik machen wie ihr?

Solche Bands hier in der Gegend kenne ich, ehrlich gesagt, nicht. Es gibt aber Bands, die in ihrem eigenen Stil sehr gut sind, zum Beispiel Daddy Long Legs. Das sind gute Freunde und fähige Musiker. Sie haben so einen "Funk-Jazz-fusion-percussion"-Stil. Das ist meine persönliche Lieblingsband hier aus der Gegend.

Habt ihr eine bestimmte Fan-Gemeinde in Amerika?

Wir sind eigentlich noch gar nicht so oft in Amerika aufgetreten. In Europa haben wir eine größere Tour gemacht, als hier. Aber in San Diego haben wir auf jeden Fall die meisten Fans von den Bands aus der Gegend. In L.A. kennt uns allerdings niemand besonders gut.

Wir haben gehört, daß ihr in Europa besser ankommt, als in Amerika, ist das so?

Ja.

Glaubt ihr, daß eure Fans eure Musik wirklich verstehen?

Das ist eine ziemlich schwere Frage. Unsere Musik und besonders die Lyrics von Buddy zu verstehen, soll für jeden offen sein. Man kann unterschiedliche Bedeutungen in fast allem sehen, was einen selbst oder andere betrifft. Buddy hat früher schon Sachen geschrieben. Ich habe ihm dann gesagt, was für eine Bedeutung ich darin sehe, und er hat meistens gesagt, daß er etwas anderes beabsichtigt hat, aber meine Interpretation auch versteht, obwohl er sie noch nicht vorher erkannt hat. Ich denke schon, daß unsere wahren Fans uns verstehen. Alles ist über Emotionen, Gefühle und Ehrlichkeit. Genauso fühlen wir uns. Wir wollen keine Rock-Stars sein, sondern unsere Gedanken und Begabungen mit denen teilen, die sich die Mühe machen zuzuhören. Und es sieht so aus, als wären das ziemlich viele.

Was sollten eure Fans, eurer Meinung nach fühlen oder denken, wenn sie eure Musik hören?

Jeder sollte sich zurücklehnen, relaxen, unsere CD auflegen, Kopfhörer aufsetzen und wirklich zuhören. Sie sollten dabei sich selbst fühlen und diese Erfahrung genießen.

Was glaubt ihr, bedeutet ihr und eure Musik euren Fans?

Noch so eine schwere Frage. Wir, persönlich, bedeuten ihnen vielleicht gar nichts. Wir haben auch schon Leute getroffen, die dachten, wir wären reich und berühmt, das sind wir nicht. Brian könnte eine Inspiration für Menschen, die eine Behinderung haben sein. Man kann alles erreichen! Wenn es einen Weg gibt, Gitarre mit einem zerstörten Handgelenk zu spielen, werde ich derjenige sein, der ihn findet! Ich hoffe, daß auch ich Menschen inspiriere. Musikalisch, hoffe ich, daß wir den Leuten so etwas wie ein bißchen Gehirnfutter bedeuten.

Buddy Lackey  - Foto: Thorsten Wittig

Ihr habt auf dem Konzert in Werl angefangen, einen Jimi Hendrix Song zu spielen, aber Buddy hat ihn abgebrochen, weil er, soweit ich das mitgekriegt habe, die Halle zu unwürdig für Jimi fand. War das wirklich so?

Ich glaube, wir haben nur mit einer Melodie rumgespielt, die wir gar nicht so gut kannten. Ich erinnere mich gar nicht mehr daran. Es kann sein, daß die anderen nur die Zeit ausfüllen wollten, als mir eine Saite gerissen ist. Außerdem tun wir halt manchmal verrückte Sachen.

Was bedeutet Jimi Hendrix für euch? Gibt es noch andere Menschen, die euch sehr beeinflußt haben?

Mein Lieblingsstück von Jimi Hendrix ist "Angel" von dem "Cry of Love"-Album. Es hat mir sehr geholfen. Buddy hat auch viel von ihm gelernt, das wird man auf dem nächsten Album merken. Da wird auch ein kurzer Cello-Part drauf sein; eine Beatles-Inspiration. Wer mich persönlich inspiriert hat? Mein Vater, die Beatles und George Martin, Jimi, Randy Rhoads, Van Halen, Ritchie Blackmore, Craig Goldy (mein Lehrer), David Bowie, der Sound von klassischem Orchester, und ... eigentlich gibt es sehr viele, aber ich weiß keinen, der kein Musiker war. Außer vielleicht Tim Rice, er hat den Text zu "Jesus Christ Superstar" geschrieben. Andrew Lloyd Weber schrieb dazu die geniale Musik. Hab ich schon Monty Python erwähnt?

Was für Bücher lest ihr?

"Per Anhalter durch die Galaxis" und die Bücher von Piers Anthony lese ich sehr gern. Er hat wirklich gute Sachen geschrieben, in der Split Infinity Serie. Die Incarnations of Immortality Serie ist noch besser. Ward liest hauptsächlich Stephen King, von ihm habe ich bisher nur "The Dark Half" gelesen. C.S. Lewis schrieb ein gutes Buch, das "A Grief Observes" heißt und davon handelt, wie jemand mit dem Tod seiner Frau fertig wird. Ich habe es in Europa dreimal gelesen und glaube, daß es mir geholfen hat; eigentlich denke ich nicht, daß etwas Geschriebenes deine Probleme beseitigen kann, aber es führt einen doch in die richtige Richtung.

Was sind eure Lieblingsfilme? Habt ihr 2001 gesehen?

Alles von Monty Python, Beatles-Filme, Blazing Saddle´s, The Wall, Amadeus, Spinal Tap, Yellow Beard, Dr. Seuss Cartoons, Bugs Bunny und 2001.

Was habt ihr noch für Hobbies, außer der Musik?

Ich bin früher ganz gern von Brücken gesprungen, bis zum letzten Mal... Ich glaube nicht, daß ich dazu noch einmal in der Lage bin. Ich habe es echt genossen, aber ich wäre fast gestorben! Ich fahre sehr gerne Ski, außerdem mache ich Fallschirmspringen und Wandern. Das alles werde ich wohl jetzt nicht mehr machen. Aber die Musik stand immer über allem.

Habt ihr nebenbei noch Jobs?

Buddy arbeitet ganztags in einem Plattenladen und Norman arbeitet in einem anderen halbtags. Brian und ich bekommen Behindertenunterstützung und Ward lebt auf Kosten seiner Freundin.

Rasiert ihr euch naß oder trocken?

Ich rasiere mich naß, allerdings nur alle vier oder fünf Tage, genau wie Norman, Buddy rasiert sich trocken...

So, jetzt noch eine kurze Unterbrechung von mir. Die nächsten Fragen hat Buddy Lackey beantwortet. Und sie haben mich etwas enttäuscht, weil ich die Textstelle, nach der ich speziell gefragt habe plötzlich nicht mehr so genial finde wie früher, denn irgendwie ist es enttäuschend, zu erfahren, daß gar nicht so viel an Bedeutung dahintersteckt, wie man es gerne hätte. Trotzdem, da stimme ich Dan zu, ist Buddy Lackey einer der besten Texter und die Lyriks passen total gut zur Musik.

Wovon werden die Texte der neuen LP handeln?

Die Songs auf dem neuen Album handeln wesentlich von sozialkritischen Themen. Die künstlerische Seite wird mehr betont: "A journey through my mind" "The shaded patterns moving through these places far across the faces of my memory". Die Lyrics sind weniger einfach verständlich, dafür "bunter" und schöner und weniger tragisch, als die auf der "A Social Grace". Sie sind aber nicht ohne Bedeutung. Diesmal ersetzt allerdings die Poesie die Lehre. Möglicherweise sind das sogar psychedelische Untertöne, die persönliche Acid-Trips beschreiben, die ich während der letzten Jahre erfahren habe. Zum Teil, so wie bei "Into the Everflow" schreiben sich die Lyrics selbst. Ich füge Wörter zusammen, um ein Bild zu schaffen. Manchmal hat dieses Bild keine Bedeutung, obwohl es ein Feeling hat, oder vielleicht verstehe ich nur selbst nicht, was es bedeutet, wenn ich es schreibe. Mein Gefallen an guter Poesie ist stärker als die Suche nach einer Botschaft.

Der Song "Successor" hat einen sehr visionsartigen Text. Wie kamst du darauf ihn zu schreiben und was ist seine genaue Bedeutung für dich?

"Successor" ist über einen Zentralcomputer, der auf globaler Ebene alles kontrolliert. Die menschliche Gesellschaft, das Militär und die Wirtschaft unterstehen den Computern. Dieser Song soll ausdrücken, daß alle wichtigen Dinge, so wie Bankgeschäfte und nationale Verteidigung, soweit von Computern gesteuert werden, daß die Computer mittlerweile uns kontrollieren und nicht andersherum. Außerdem wird beschrieben, wie ein Computer, der zentral geschaltet ist und alle Informationen und Aufzeichnungen speichert und damit weit mehr weiß als irgendein Volk oder ein Mensch, "aufwacht" und dann bewußt seine Welt reagiert. Es ist ein bißchen Science Fiction, vielleicht wird dieser Computer der Gott, an den wir seit Jahrhunderten glauben. Auf jeden Fall müssen die Computer uns jetzt schon immer die Erlaubnis für irgendwelche Aktionen geben, Bankgeschäfte sind da ein gutes Beispiel.

Der Song "Another Prophet Song" enthält die Zeilen: "The flames of sorrow blazing on To light the sun of Babylon / While bloody moon lies dying on her own sword / Dying long" Was bedeuten diese Zeilen?

Das ist genau das, was ich vorhin meinte. Es entsteht ein Bild, das keine "Bedeutung" hat, ich hatte hier keine bestimmte Botschaft oder Prophezeihung beabsichtigt. Ich wollte nur schöne Wörter, die ich singen konnte, um ein Bild hervorzurufen. Diesen Versuch werde ich bei den neuen Songs häufiger machen.

 


Interview geführt Ende 1991. Original erschienen im Nonkonform #1 (März 1993)
Text: Frank Schudlich; große Graphik: Eva Ebenhöh
Fotos: Thorsten Witting

Fürs Netz bearbeitet im März 2002
[Wir haben versucht, zumindest ansatzweise das Klebelayout des Heftes in HTML-Code umzusetzen - und sind natürlich kläglich gescheitert...]
Abgetippt und gescannt von Tina
Bildschirmlayout: Martin und Stefan