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strangers on train  - tracy hitchings

Tracy Hitchings (v)
Karl Groom (g, b)
Clive Nolan (k)

strangers on a train - tracy hitchingsSTRANGERS ON A TRAIN wurden 1990 von Clive Nolan (u.a. ARENA, SHADOWLAND; PENDRAGON) aus der Taufe gehoben, um das von ihm verfaßte epische Konzept The Key musikalisch umzusetzen. Der klassisch ausgebildete Nolan (Musikstudium in London mit Diplomen in Komposition und Dirigieren sowie anschließendem Studium der Filmmusikkomposition) wollte mit diesem Projekt die ausgetretenen Pfade der britischen Neo-Prog-Szene verlassen und seine Vorstellungen von filmsoundtrackorientierter Musik verwirklichen.
Bei der Besetzung der Saiteninstrumente fiel Nolans Wahl auf Karl Groom von THRESHOLD, als Vokalistin wurde die QUASAR-Sängerin Tracy Hitchings verpflichtet. Auf die Hinzunahme eines Schlagzeugers wurde im Hinblick auf die musikalische Ausrichtung des Konzeptes verzichtet, die wenigen Drumparts auf den künftigen Releases sollten einem Computer überlassen werden.
Tatsächlich kommt das noch im Gründungsjahr in Vlissingen/Niederlande eingespielte und via SI Music veröffentlichte Debüt The Key auch fast vollständig ohne Schlagzeug aus, ein Umstand, der jedoch keinesfalls negativ zu Buche schlägt. Darüber hinaus besticht dieses Album durch eine einzigartige, einem Filmsoundtrack nicht unähnliche Atmosphäre, die weitab von allen Klischees ein hohes Maß an emotionaler Intensität vermittelt. Neben Clive Nolans klassisch angehauchten Pianos und unaufdringlichen Keyboards und Karl Grooms dezenter, aber wirkungsvoller Gitarrenarbeit, ist es vor allem Tracy Hitchings ausdrucksstarker bis theatralischer Gesangsstil, der The Key weit aus der Masse der Prog-Veröffentlichungen heraushebt und der der bis dato eher unbekannten Chanteuse nicht nur Vergleiche mit Kate Bush oder Tori Amos, sondern auch szenenweite Anerkennung bescherte. Auch dem Komponisten/Produzenten wurde von allen Seiten reichlich Lob zuteil, und die überschwenglichen Reaktionen auf das ambitionierte Werk taten ihr übriges, um STRANGERS ON A TRAIN auch bei den Anhängern der New Age- und Filmmusik Gehör zu verschaffen.
Im Folgejahr erhielt Nolan den Zuschlag für die Komposition zweier Filmsoundtracks. Diesmal im Alleingang nahm er sich der musikalischen Untermalung der Streifen Cahersiveen und Old Priest an, welche 1991 von SI Music unter dem Titel Conflicts auf einer CD veröffentlicht wurde. Im Gegensatz zu The Key blieben die Reaktionen allerdings hinter den Erwartungen zurück, so daß Nolan seine Ideen hinsichtlich außergewöhnlicher Klänge ganz in den Dienst der Weiterentwicklung des Key-Konzeptes stellen konnte.
Diese war schließlich zwei Jahre später so weit gediehen, daß sich STRANGERS ON A TRAIN an die Aufnahmen zum Nachfolgealbum machen konnten. Verstärkt um den PALLAS-Sänger Alan Reed fand man sich Anfang 1993 in den Nolan/Groom-eigenen Thin Ice Studios ein, um unter der erneuten Federführung dieses Duos The Key Part II: The Labyrinth einzuspielen.
Im Vergleich mit dem eher spartanisch instrumentierten Debüt ist Komponist/Arrangeur Clive Nolan mit dem opulent orchestrierten The Labyrinth ein wahres Meisterwerk gelungen, das sich durch eine breite stilistische Ausrichtung auszeichnet. So findet man auf dem Album nahezu die gesamte Bandbreite sinfonischer Rockmusik von getragenen Balladen über atmosphärische Gitarrenpassagen bis hin zu kammermusikartigen Sequenzen. Auch Tracy Hitchings hatte sich gesanglich noch einmal steigern können, und die Mitwirkung von Co-Sänger Alan Reed machte sich in Form eines erhöhten Anteils an mehrstimmigen Gesangslinien und Duetten bezahlt.
Wie zu erwarten fielen die Reaktionen auf The Key Part II abermals regelrecht euphorisch aus, was SI Music dazu veranlaßte, das Debüt neu aufzulegen. Im Sommer 1993 von Karl Groom neu abgemischt, kam es 1994 unter dem erweiterten Titel The Key Part I: The Prophecy mit neuem Artwork wieder auf den Markt. Interessanterweise wurde mit dem neuen Cover ein Bezug zu Part II hergestellt, indem das Originalmotiv (eine Fotografie einer düster-unheimlich anmutenden Türöffnung in einem alten Gemäuer) mit den Charakteren von Part II und dem Grafikstil des für beide Teile verantwortlichen Zeichners Peter Nicholls verquickt wurde.
Mit der Wiederveröffentlichung von The Key (Part I) etablierten sich STRANGERS ON A TRAIN endgültig in der Progszene, mit der Konsequenz, daß nun auch Tracy Hitchings zu einer ähnlich gefragten Persönlichkeit wie die Herren Nolan und Groom avancierte, was die weitere Zusammenarbeit nicht gerade erleichtern sollte. Clive Nolan zufolge existiert zwar bereits ein im Laufe der Jahre kontinuierlich angewachsenes Tape, auf welchem sich unter dem Arbeitstitel The Revelation ein Großteil des dritten Teils als Rohmix befindet. In Anbetracht der mannigfaltigen Verpflichtungen des Trios dürfte dessen Fertigstellung aber noch einige Zeit auf sich warten lassen.
Da die Karrierewege von Karl Groom und Clive Nolan dem Prog-Anhänger hinlänglich bekannt sein dürften, soll im folgenden der Werdegang von Tracy Hitchings einmal kurz beleuchtet werden; trotz ihres relativen Bekanntheitsgrades innerhalb der Prog-Szene dürfte die derzeit an der Stratford GMS School unterrichtende Sängerin für die meisten Musikfans doch ein eher unbeschriebenes Blatt sein.
Tracy Hitchings begann ihre professionelle Laufbahn 1989 als Leadvokalistin der neuformierten Progressive Rock-Legende QUASAR und ist erstmals auf deren zweitem Album The Loreli zu hören, für das sie auch den Großteil der Lyrics geschrieben hatte. Ihre ausdrucksstarke, variable Stimme paßte hervorragend zur sinfonischen Ausrichtung der Band und war letztlich ausschlaggebend dafür, daß Clive Nolan auf sie aufmerksam wurde und sie 1990 zu STRANGERS ON A TRAIN holte. Diese Zusammenarbeit fand ihre Fortsetzung 1991 mit dem von Nolan geschriebenen und produzierten, speziell auf sie zugeschnittenen Album From Ignorance to Ecstasy, das von Balladen über poppigere Songs bis hin zu kompakten Rockstücken eindrucksvoll Tracy beachtliche gesangliche Bandbreite demonstriert. Als Musiker fungierten auf diesem Werk Karl Groom an der Gitarre, Ian Salmon (SHADOWLAND) am Baß sowie Dave Wagstaffe (QUASAR) am Schlagzeug.
Da Tracys Hauptbetätigungsfeld QUASAR aufgrund einer höchst instabilen Bandkonstellation in der Folgezeit auf Eis lag, ergaben sich für sie nach der Veröffentlichung ihres Soloalbums eine Reihe von Möglichkeiten, Ihr Können unter Beweis zu stellen. Zunächst vom unvermeidlichen Clive Nolan für den vakanten Sängerposten bei LANDMARQ ins Gespräch gebracht – die Band, bestehend aus ehemaligen QUASAR-Mitgliedern, hatte gerade die Instrumentalparts für ihr erstes Album in den Thin Ice Studios eingespielt und suchte händeringend nach einem Sänger – mußte sie sich dem Veto von SI Music beugen, die dieses Vorhaben schlicht und ergreifend verboten! Eine der häufigen obskuren Interventionen dieses Labels, die wohl letztendlich zu dessen Zusammenbruch 1995 führten...
Gerade dieser vermeintliche Rückschlag sollte sich allerdings als Initialzündung für Tracys Karriere erweisen, gab er ihr doch die Möglichkeit an Projekten von Musikern unterschiedlichster Couleur mitzuwirken. So erhielt sie unmittelbar nach dem LANDMARQ-Debakel die Chance, den Titelsong und einige Background Vocals auf GANDALFs Gallery of Dreams einzusingen, gefolgt von der Zusammenarbeit mit dem norwegischen Popmusikkomponisten Teri Refnes. Das 1992 in dieser Konstellation aufgenommene Album Rainbow´s End ist leider aufgrund vertraglicher Schwierigkeiten bislang noch nicht veröffentlicht worden.
Mit dem 1992 gegründeten Nolan/Groom-Projekt SHADOWLAND ergab sich für Tracy Hitchings ein weiteres regelmäßiges Betätigungsfeld, wie eigentlich immer dann, wenn es galt, Produktionen der beiden Workaholics gesanglich zu veredeln, sei es nun als Backgroundsängerin, wie im Falle von SHADOWLAND, oder als Leadsängerin, wie beim 1993 von Nolan/Groom produzierten Debüt der deutschen Band ULYSSES, wo sie auf zwei Stücken vertreten ist.
Eine weitere Kollaboration mit dem Österreicher GANDALF datiert ebenfalls aus dem Jahr 1993: Auf To our Children´s Children ist sie im Alleingang für den Gesang zuständig, ein Umstand, dem das 1994 veröffentlichte Werk mit dem Hinweis "Featuring Vocals by Tracy Hitchings" plakativ Rechnung trägt. Ihr Name war im progressiven Sektor binnen weniger Jahre zu einem Gütesiegel geworden, und Offerten von Künstlern wie Nick Barrett (PENDRAGON), Peter Gee und John Wetton, den sie 1995 als Backgroundsängerin auf seiner Europa-Tour begleitete, waren die logische Folge.
Zwischenzeitlich löste sie im Rahmen von Karl Grooms Projekt BLUE HEAT Sänger Damian Wilson ab, den es zu LANDMARQ zurückzog, der Band, die Wilson drei Jahre zuvor statt ihrer verpflichtet hatte. Von 1994 bis 1996 fungierte sie als Sängerin dieses Projekts, mit dem sie 1996 ein Pop-orientiertes Album namens Dancing on Stones einsang, welches allerdings bis zum heutigen Tag auf seine Veröffentlichung wartet.
Mit der Verleihung des Classical Rock International Award for Best Female Vocalist stellte sich 1995 auch die erste offizielle Würdigung in Tracys Karriere ein. Und obwohl sie es in den Folgejahren etwas ruhiger angehen ließ – der Chronist vermerkt für diese Zeit lediglich ihre Mitwirkung bei Clive Nolans und Oliver Wakemans JABBERWOCKY-Projekt -, konnte sie sich auch drei Jahre später erneut mit dieser Auszeichnung schmücken. Ohnehin dürfte 1995 das bis dato erfolgreichste Jahr in Tracys Vita gewesen sein, avancierte sie nun doch auch noch zum vollwertigen Bandmitglied bei LANDMARQ, die von der Wankelmütigkeit Damian Wilsons endgültig genug hatten. Der Kreis hatte sich geschlossen! Auf dem noch im selben Jahr erschienenen Science of Coincidence ist Tracys Einfluß bereits deutlich herauszuhören: Insbesondere durch die ausgefeilten Gesangsharmonien unterscheidet sich das Album doch deutlich von seinen Vorgängern.
Die folgenden England-Tourneen im Vorprogramm von MARILLION und THRESHOLD wurden teilweise mitgeschnitten und 1999 in Form der Live-CD Thunderstruck veröffentlicht, die bei den Progfans auf reges Interesse stieß. Dies ist nicht weiter verwunderlich angesichts der Tatsache, daß gerade die im Hinblick auf Tracys Gesang umarrangierten älteren Stücke LANDMARQ völlig neue Dimensionen eröffneten. Nach längerem Zögern (und wohl auch um eine kreative Auszeit zu überbrücken) entschied sich die Band dann auch noch, die restlichen, auf Thunderstruck unberücksichtigt gebliebenen Liveaufnahmen auf einer weiteren CD, sinnigerweise Live too betitelt, nachzulegen. Ohne hier der Plattenfirma Synergy Abzockerei unterstellen zu wollen; was für ein weit repräsentativeres Dokument dieser bemerkenswerten Tour wäre wohl die Veröffentlichung einer Doppel-CD gewesen?
Wie dem auch sei; Tracy Hitchings Popularitätsschub war auch QUASAR-Mastermind Keith May nicht entgangen, und er sah darin eine einzigartige Gelegenheit, QUASAR aufs neue wiederzubeleben. Doch die bereits für Ende der Neunziger anberaumten Gespräche verliefen im Sande, und das für das Jahr 2000 anvisierte Reunionsalbum kam über das Planungsstadium nicht hinaus.
Etwas anders verhält es sich dagegen im Hause STRANGERS ON A TRAIN: Nachdem das SI-Label 1995 von der Bildfläche verschwunden war und es immer schwieriger wurde, dessen CDs zu erstehen, hoben Clive Nolan und Karl Groom ihr eigenes Label Verglas Music aus der Taufe, auf dem sie neben einigen anderen Bands auch die beiden Key-Alben sowie Tracy Hitchings´ From Ignorance to Ecstasy wiederveröffentlichten, jeweils mit komplett neuem Artwork.
Das bislang letzte Lebenszeichen der Konstellation Hitchings/Groom/Nolan findet sich auf dem JABBERWOCKY-Nachfolger The Hounds of the Baskervilles, auf dem sich alle drei in bester Verfassung präsentieren, welcher allerdings in der Fachpresse auch auf kontroverse Reaktionen stieß, da dem kreativen Kopf Nolan eine sich allmählich einschleichende Ideenlosigkeit attestiert wurde, objektiv betrachtet nicht einmal von der Hand zu weisen.
Welche qualitativen Auswirkungen die Vielbeschäftigtheit der STRANGERS ON A TRAIN-Mitglieder letztlich auf den noch ausstehenden dritten Teil des Key-Konzeptes haben wird, bleibt abzuwarten. Als sicher gilt jedoch, daß The Revelation eine Fortführung des bisherigen Stils beinhalten wird, Clive Nolan zufolge angereichert mit perkussiven und ethnischen Elementen. Man darf gespannt sein.

CDs:

"The Key" SI Music 1990
"The Key Part II: The Labyrinth" SI Music 1993
"The Key Part I: The Prophecy" SI Music 1994
"The Key Part I: The Prophecy" Verglas Music 1997
"The Key Part II: The Labyrinth" Verglas Music 1998

- Klaus - 11/04