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TILES

Pat DeLeon (d)
Chris Herin (v, k)
Paul Rarick (v)
Jeff Whittle (b)

Die Ursprünge der Detroiter Formation TILES lassen sich bis in die späten Achtziger zurückverfolgen. Zu dieser Zeit spielten Gitarrist/Keyboarder Chris Herin und Ur-Schlagzeuger Mark Evans zusammen unter dem Banner STANDING PAVEMENT ihre Vision von Prog im Stile von RUSH, KANSAS oder JETHRO TULL, ohne allerdings großartig in Erscheinung zu treten. Dies änderte sich erst als Anfang 1993 Sänger Paul Rarick dazustieß. Man entschied sich, künftig unter TILES zu firmieren – eine Namensgebung, bei der LED ZEPPELIN mit dem Song Out on the Tiles Pate standen – und allmählich nahm das selbst betitelte Debütalbum Gestalt an. In Ermangelung eines festen Bassisten verpflichtete man für diesen Job Kevin Chown, der der Band auch in der Folgezeit als Produzent und Berater erhalten bleiben sollte.
Im Juni 1994 erblickte schließlich der selbst produzierte Erstling Tiles auf dem bandeigenen Standing Pavement-Label das Licht der Welt, ein erstaunlich ausgereiftes Werk, das vor allem RUSH-Fans der Hemispheres- bis Signals-Periode ansprechen dürfte. Auch wenn es noch gut ein Jahr dauern sollte bis sich für dieses äußerst gelungene Album potente Vertriebspartner finden ließen, machten sich TILES in ihrer Heimatstadt schnell einen guten Namen, was nach und nach die ersten Gigs im Raum Michigan/Ohio mit sich brachte.
Mit der europaweiten Veröffentlichung des Debüts via Dream Circle Records im Sommer 1995 wurde dann auch die Fachpresse in der alten Welt auf die Band aufmerksam und geizte nicht mit mehr als nur wohlwollenden Kritiken. Eine Zeit lang sah es gar so aus, als würden TILES zusammen mit SAGA hier auf Tour gehen. Dies zerschlug sich jedoch letztendlich, angeblich aus Gründen, die Dream Circle zu vertreten hatten, was bald darauf mit ein Grund für einen Vertriebswechsel werden sollte.
Nach der Japan-Veröffentlichung ihres Debüts machte sich die Band, verstärkt um den neuen Bassisten Jeff Whittle, an die Aufnahmen zum Nachfolger, welcher im Sommer 1996 unter dem Titel Fence the Clear erneut in Eigenregie fertig eingespielt war. Lediglich den Mix hatte man diesmal in fremde Hände gegeben, und zwar in die von Terry Brown, dem semi-legendären RUSH-Producer.
Folgerichtig zeigt Fence the Clear die Band nach wie vor RUSH-orientiert, doch hatten auch einige experimentelle Einflüsse Einzug in den Sound gehalten, was dem Ganzen einen etwas progressiveren, verspielteren Anstrich verlieh. Wie schon zuvor kamen die USA via Standing Pavement erheblich früher als der Rest der Welt in den Genuß dieses Werkes, was nicht zuletzt auch daran lag, daß man sich in der Zwischenzeit von Dream Circle getrennt hatte. Immerhin hatte das Itzehoer Label den Namen TILES in Europa so populär gemacht, daß die Band zwischen mehreren Angeboten auswählen konnte. Man entschied sich für Inside Out Music als neuen Vetriebspartner, und im Herbst 1997 kam das Album endlich auch in Europa auf den Markt.
Trotz wiederum begeisterter Reaktionen hielten sich auch die Verkaufszahlen des Zweitwerks hierzulande wieder in recht bescheiden Grenzen, so daß das finanzielle Wagnis einer Europatour wohl auch für Inside Out zu groß war. Die Band konnte nicht anders als ihre Liveaktivitäten weiterhin auf den mittleren Westen der USA zu beschränken, vermochte aber Support Shows für JUDAS PRIEST, NIGHT RANGER, KING´S X, FATES WARNING und die STEVE MORSE BAND zu ergattern. Der so gesteigerte Bekanntheitsgrad fand seinen Niederschlag in recht ordentlichen Plattenverkäufen in ihrer Heimat und der Auszeichnung Detroit´s Leading Progressive Rock Band durch die Detroit Free Press.
Nach einem Besetzungswechsel am Schlagzeug (Pat DeLeon ersetzte Mark Evans) nahm man die Produktion von Album # 3 in Angriff. Abermals in Eigenregie eingespielt, abermals von Terry Brown gemixt, und um die RUSH-Affinitäten auf die Spitze zu treiben, wurde mit dem Coverartwork kein Geringerer als Hugh Syme betraut, nachdem Inside Out im nachhinein ihre Unzufriedenheit bezüglich des – zugegeben etwas banalen – Covers von Fence the Clear geäußert hatten.
Wie nicht anders zu erwarten gelang Hugh Syme eine brillante Umsetzung des Titels Presents of Mind, indem er wie schon einige Jahre zuvor bei RUSHs Hemispheres ein Gehirn als Motiv wählte. Die doppeldeutige Message des Titels (presents of mind bzw. presence of mind, also die Gabe des Intellekts zum einen und der Geistesgegenwart zum anderen) steht symbolisch für die Situation der Band zu diesem Zeitpunkt: Man befand sich unter enormem Zugzwang, war aber nichtsdestotrotz (oder gerade deswegen) in der Lage, ein vor musikalischer Intelligenz nur so strotzendes Album einzuspielen, dessen lyrische Tiefe Syme auch letztendlich dazu bewogen hatte, das Artwork zu übernehmen. Wieder ein wenig komplexer ausgefallen als der Vorgänger, besticht Presence of Mind vor allem durch seine hardrockig-eingängigen Melodiebögen ohne jedoch den Einfluß der Hauptinspirationsquelle zu sehr zu vernachlässigen.
Nach der Veröffentlichung des Albums im Februar 1999 erhielten TILES im Herbst darauf die einmalige Gelegenheit, sich im Vorprogramm von DREAM THEATER auf deren 13 Dates umfassenden Metropolis II-Tour dem europäischen Publikum vorzustellen. Zwar blieben allzu euphorische Reaktionen weitgehend aus, da die mit dem Material von TILES kaum vertrauten DREAM THEATER-Fans wohl etwas überfordert waren, und auch die wenigen, die gerade wegen der Detroiter zu den Shows gekommen waren, hatten sich wohl insgeheim etwas mehr von ihnen erhofft.
Allerdings muß man der Band zu Gute halten, daß sie aufgrund widriger Umstände (kaum Soundcheck, keine Möglichkeit zum Einsatz von Keyboards) hinsichtlich der Songauswahl deutlich eingeschränkt war und nur auf ihre rockigeren, ohne besondere Effekte auskommenden Titel zurückgreifen konnte. So bleibt in dieser Hinsicht vorerst nur zu hoffen, daß TILES die finanzielle Herausforderung einer Europa-Tour noch ein weiteres Mal auf sich nehmen, um sich in hiesigen Breiten auch einmal in vollem Glanz präsentieren zu können.
Zurück in den USA folgten einige sporadische Gigs, u.a. im Vorprogramm von SPOCKS BEARD und den FLOWER KINGS, bevor man sich Anfang 2002 allmählich an das Songwriting und die Vorproduktion für die vierte CD machte.
Als Producer wurde diesmal Terry Brown von Anfang an hinzugezogen, und unter Mitwirkung einiger Gastmusiker wie Kim Mitchell an der Gitarre, Hugh Syme an den Keyboards und Matthew Parmenter an der Violine spielten TILES ihr bis dato straightestes und eingängigstes Werk ein. Bei Window Dressing handelt es sich im weitesten Sinne um ein Konzeptalbum, das sich, beginnend mit dem 17-minütigen Titelsong, mit dem für das Auge auf den ersten Blick nicht Sichtbaren in allen möglichen Belangen beschäftigt. Erneut mit einem typischen Hugh Syme-Cover veredelt, wurde Window Dressing im Mai 2004 weltweit veröffentlicht und im Rahmen einiger ausgewählter Konzerte den heimischen Fans vorgestellt.
Ob auch die Proggies jenseits des großen Teiches in den Genuß einer TILES-Livedarbietung kommen werden, steht vorerst noch in den Sternen, doch ist man von Seiten der Band derzeit emsig bemüht, eine Support-Tour auf die Beine zu stellen, um den hier verlorenen Boden wieder gut zu machen und sich neue Hörerschichten zu erschließen.
Wie meinte Ian Anderson von JETHRO TULL, auf TILES angesprochen, so treffend: "Undoubtedly one of the brighter hopes for the musical millenium!" Wo er Recht hat, hat er Recht.

CDs:
"Tiles" Dream Circle Records 1995
"Fence the Clear" Inside Out 1997
"Presents of Mind" Inside Out 1999
"Window Dressing" Inside Out 2004

- Klaus - 11/04