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ATROX – Orgasm ('03)

atrox - orgasmErwartungsgemäß ist "Orgasm" für mich das Metalalbum das Jahres. Ok, angesichts der Tatsache, daß mich im Metalbereich schon seit einiger Zeit ohnehin kaum noch irgendwelche Neuerscheinungen ansprechen – zumindest das, was ich auf den diversen CD-Beilagen der einschlägigen Magazine so höre, ruft bei mir meist bestenfalls Langeweile hervor –, ist dies keine so große Überraschung. Aber es ist doch erfreulich zu sehen, daß es doch immer noch neue Metalalben gibt, die mich begeistern können.
Bislang habe ich "Orgasm" 40mal gehört und schon nach den ersten Durchgängen ist mir aufgefallen, daß das Album im Vergleich zum Vorgänger "Terrestrials" sowohl härter als auch eingängiger ausgefallen ist. Der Begriff "eingängig" ist in diesem Zusammenhang relativ zu verstehen, denn auf "Orgasm" wird musikalisch immer noch weitaus mehr Abwechslung als auf den meisten anderen Metalalben geboten. Über mangelnde Tempo- und Rhythmuswechsel wird man sich jedenfalls nicht beschweren können. Daß "Orgasm" im Vergleich zu "Terrestrials" eingängiger wirkt, mag auch daran liegen, daß Monikas Gesang nun überwiegend etwas gemäßigter und "schöner" klingt, wobei es immer noch einige schräge Passagen gibt und sie an Abwechslungsreichtum weiterhin ihre Konkurrenz weit hinter sich läßt. Wie man anhand zahlreicher Rezensionen in einem Forum auf der Website der neuen Plattenfirma von Atrox, Code666, nachlesen kann, scheint das neue Album zumindest bei den Kritikern recht gut anzukommen (während es beim Vorgänger doch eine Menge Verrisse gab). Wenn jemand jetzt immer noch behauptet, Monika könne einfach nicht singen (was schon bei den Vorgängern Unfug war), dann hat der Betreffende schlicht und ergreifend keine Ahnung von Musik bzw. vom Singen. Ob einem persönlich Monikas Gesangsstil gefällt, steht auf einem anderen Blatt. Ich mag ihn, wie man schon aus meinen bisherigen Rezensionen ersehen konnte, jedenfalls sehr.
Die Musik, tja, wie soll ich sie beschreiben? Überwiegend geht es schon sehr heftig zur Sache, wobei durchaus mehr als einmal vom Härtegrad her auch Death Metal-Niveau erreicht wird. (Ich rede hier von der Musik und nicht vom Gesang, wohlgemerkt!) Lediglich der dritte Song "Heartquake" ist durchgehend gemäßigt gehalten, ohne daß er wie eine typische Ballade klingen würde. Der Sound ist – sicherlich auch dank der neuen Plattenfirma – insgesamt hörbar besser, d.h. sowohl differenzierter als auch fetter als auf dem Vorgänger, den man im Hause Season of Mist ja nach allen Regeln der Kunst vermurkst hat!
Gerne werden ja irgendwelche Vergleiche zu anderen Bands gezogen. So ist in sehr vielen Rezensionen von "Orgasm" der Name Meshuggah erwähnt worden. Da ich diese Band nur vom Namen her kenne, kann ich nicht beurteilen, ob dieser Vergleich zutrifft. Ich selbst habe vereinzelt eindeutige Voivod-Einflüsse ausmachen können, aber dabei handelte es sich nur um Passagen von einigen Sekunden. Wer die Band noch nicht kennt oder mit den beiden Vorgängeralben nichts anfangen konnte, hört am besten erst mal selbst in die Platte rein und bildet sich dann seine eigene Meinung.
Was den Gesang angeht, so erinnert mich Monika jetzt ähnlich wie auf "Contentum" und anders als auf "Terrestrials" wieder öfters an Kate Bush in ihren frühen Tagen, aber auch das sind immer nur kurze Momente. Mag sein, daß ihre Stimme in einer bestimmten Tonlage derjenigen von Kate Bush halt einfach recht ähnlich ist. Persönlich nicht so recht nachvollziehen kann ich die einer Reihe von Rezensionen auftauchenden Vergleiche mit Anneke van Giersbergen. Aber alle Verlgeiche sind letztlich ohnehin belanglos, denn entscheidend ist allein, ob einem der Gesang gefällt – und das ist bei mir der Fall.
Apropos Gesang: Dieses Mal gibt´s auch an einigen Stellen männlichen Gesang vom neuen Bassisten (der die Band zwischenzeitlich aber schon wieder verlassen hat) zu hören. Zunächst hatte ich ja schon befürchtet, daß hier die Songs mit unmotiviertem, beliebig austauschbarem und eintönigem Gegrunze versaut würden, aber das ist zum Glück nicht der Fall, da der Typ hier tatsächlich richtig singt! Mit Monikas Stimme darüber wie etwa beim zweiten Song "Flesh City" (übrigens einem meiner Lieblingssongs auf diesem Album) hat mir das doch sehr gut gefallen und ich mich schon ganz entfernt an ein Metal-Pendant zu Dead Can Dance erinnert. Gleichwohl singt Monika weiterhin den größten Teil der Songs selbst – "und das ist auch gut so!" Schließlich bildet gerade Monikas Stimme einen ganz wesentlichen Faktor im Hinblick auf die Originalität der Musik von Atrox (womit jetzt nicht die Leistungen der anderen Musiker als unbedeutend dargestellt werden sollen).
Etwas schade finde ich, daß die auf den beiden Vorgängern recht stark vertretenen Keyboardpassagen, die meist recht "eerie" klangen, auf "Orgasm" doch deutlich zurückgenommen wurden.
Unter den insgesamt 8 Songs irgendwelche besonders hervorzuheben, fällt mir schwer, da eigentlich alle mehr oder weniger auf gleich hohem Niveau liegen. Im Moment gefallen mir das bereits erwähnte zweite Stück "Flesh City" und der vorletzte Song "Secondhand Traumas" am besten. Bei letzterem gibt´s nach ca. 4 ½ Minuten auch ein richtig schönes traurig-melancholisches Gitarrensolo. Auch in Monikas Gesang kommt nach meinem Eindruck immer mal wieder eine gewisse Melancholie zum Ausdruck, wie es z.B. auf "Terrestrials" auch schon bei "Changeling" und "Translunaria" der Fall war.
Unbedingt erwähnenswert sind einmal mehr Monikas originelle Texte (in denen man auch schon mal die eine oder andere Neuschöpfung wie z.B. "heartquake" oder "scapecock" und einige nette Wortspielereien entdecken kann) und natürlich ihre Gemälde (zu jedem Song gibt es eines), bei denen Hieronymus Bosch zumindest einer der Einflüsse gewesen sein dürfte. Die "Freaks", wie Monika die Figuren auf ihren Gemälden nennt, wirken zwar meist schon recht unheimlich, aber nie plakativ "böse" und "häßlich", wodurch sie sich wohltuend von den Figuren abheben, die auf zahlreichen klischeetriefenden Covern – insbesondere im Black und Death Metal-Bereich – zu finden sind. Manche "Freaks" machen sogar schon fast einen sympathischen Eindruck.
Daß die Band auch Humor hat, zeigt das selbstironische Backcover der CD, wo Monika von "Afrox" bis "Fatrox" 6 Variationen zum Bandnamen sehr anschaulich dargestellt hat. Mal abgesehen von irgendwelchen reinen "Spaß"-Bands würde wohl kaum irgendeine Metalband Vergleichbares auf einer ihrer Platten abdrucken. (Mir kommen gerade einige Variationen bezüglich der selbsternannten Könige des Metal in den Sinn: Manobore, Manogore, Henowar, Manoroar, Fanothor, Mannomore – die entsprechenden Illustrationen mag sich jeder selbst vorstellen.)
Ich mag "Orgasm" ebenso gerne wie "Terrestrials" (und was ich von "Terrestrials" halte, ist ja in meiner entsprechenden Rezension nachzulesen). Allerdings habe ich "Orgasm" jetzt (Mitte November ´03) gerade mal etwas länger als einen Monat, so daß sich erst noch zeigen muß, ob mich die Platte auch auf Dauer begeistern kann. Derzeit finde ich sie jedenfalls richtig geil!

- Burkhard - 11/03