Erwartungsgemäß
ist "Orgasm" für mich das Metalalbum das Jahres. Ok, angesichts
der Tatsache, daß mich im Metalbereich schon seit einiger Zeit ohnehin
kaum noch irgendwelche Neuerscheinungen ansprechen – zumindest das, was ich
auf den diversen CD-Beilagen der einschlägigen Magazine so höre,
ruft bei mir meist bestenfalls Langeweile hervor –, ist dies keine so große
Überraschung. Aber es ist doch erfreulich zu sehen, daß es doch
immer noch neue Metalalben gibt, die mich begeistern können.
Bislang habe ich "Orgasm" 40mal gehört und schon nach den ersten
Durchgängen ist mir aufgefallen, daß das Album im Vergleich zum Vorgänger
"Terrestrials" sowohl härter
als auch eingängiger ausgefallen ist. Der Begriff "eingängig"
ist in diesem Zusammenhang relativ zu verstehen, denn auf "Orgasm"
wird musikalisch immer noch weitaus mehr Abwechslung als auf den meisten anderen
Metalalben geboten. Über mangelnde Tempo- und Rhythmuswechsel wird man
sich jedenfalls nicht beschweren können. Daß "Orgasm" im
Vergleich zu "Terrestrials" eingängiger wirkt, mag auch daran
liegen, daß Monikas Gesang nun überwiegend etwas gemäßigter
und "schöner" klingt, wobei es immer noch einige schräge
Passagen gibt und sie an Abwechslungsreichtum weiterhin ihre Konkurrenz weit
hinter sich läßt. Wie man anhand zahlreicher Rezensionen in einem
Forum auf der Website der neuen Plattenfirma von Atrox, Code666, nachlesen kann,
scheint das neue Album zumindest bei den Kritikern recht gut anzukommen (während
es beim Vorgänger doch eine Menge Verrisse gab). Wenn jemand jetzt immer
noch behauptet, Monika könne einfach nicht singen (was schon bei den Vorgängern
Unfug war), dann hat der Betreffende schlicht und ergreifend keine Ahnung von
Musik bzw. vom Singen. Ob einem persönlich Monikas Gesangsstil gefällt,
steht auf einem anderen Blatt. Ich mag ihn, wie man schon aus meinen bisherigen
Rezensionen ersehen konnte, jedenfalls sehr.
Die Musik, tja, wie soll ich sie beschreiben? Überwiegend geht es schon
sehr heftig zur Sache, wobei durchaus mehr als einmal vom Härtegrad her
auch Death Metal-Niveau erreicht wird. (Ich rede hier von der Musik und nicht
vom Gesang, wohlgemerkt!) Lediglich der dritte Song "Heartquake" ist
durchgehend gemäßigt gehalten, ohne daß er wie eine typische
Ballade klingen würde. Der Sound ist – sicherlich auch dank der neuen Plattenfirma
– insgesamt hörbar besser, d.h. sowohl differenzierter als auch fetter
als auf dem Vorgänger, den man im Hause Season of Mist ja nach allen Regeln
der Kunst vermurkst hat!
Gerne werden ja irgendwelche Vergleiche zu anderen Bands gezogen. So ist in
sehr vielen Rezensionen von "Orgasm" der Name Meshuggah erwähnt
worden. Da ich diese Band nur vom Namen her kenne, kann ich nicht beurteilen,
ob dieser Vergleich zutrifft. Ich selbst habe vereinzelt eindeutige Voivod-Einflüsse
ausmachen können, aber dabei handelte es sich nur um Passagen von einigen
Sekunden. Wer die Band noch nicht kennt oder mit den beiden Vorgängeralben
nichts anfangen konnte, hört am besten erst mal selbst in die Platte rein
und bildet sich dann seine eigene Meinung.
Was den Gesang angeht, so erinnert mich Monika jetzt ähnlich wie auf "Contentum"
und anders als auf "Terrestrials"
wieder öfters an Kate Bush in ihren frühen Tagen, aber auch das sind
immer nur kurze Momente. Mag sein, daß ihre Stimme in einer bestimmten
Tonlage derjenigen von Kate Bush halt einfach recht ähnlich ist. Persönlich
nicht so recht nachvollziehen kann ich die einer Reihe von Rezensionen auftauchenden
Vergleiche mit Anneke van Giersbergen. Aber alle Verlgeiche sind letztlich ohnehin
belanglos, denn entscheidend ist allein, ob einem der Gesang gefällt –
und das ist bei mir der Fall.
Apropos Gesang: Dieses Mal gibt´s auch an einigen Stellen männlichen Gesang
vom neuen Bassisten (der die Band zwischenzeitlich aber schon wieder verlassen
hat) zu hören. Zunächst hatte ich ja schon befürchtet, daß
hier die Songs mit unmotiviertem, beliebig austauschbarem und eintönigem
Gegrunze versaut würden, aber das ist zum Glück nicht der Fall, da
der Typ hier tatsächlich richtig singt! Mit Monikas Stimme darüber
wie etwa beim zweiten Song "Flesh City" (übrigens einem meiner
Lieblingssongs auf diesem Album) hat mir das doch sehr gut gefallen und ich
mich schon ganz entfernt an ein Metal-Pendant zu Dead
Can Dance erinnert. Gleichwohl singt Monika weiterhin den größten
Teil der Songs selbst – "und das ist auch gut so!" Schließlich
bildet gerade Monikas Stimme einen ganz wesentlichen Faktor im Hinblick auf
die Originalität der Musik von Atrox (womit jetzt nicht die Leistungen
der anderen Musiker als unbedeutend dargestellt werden sollen).
Etwas schade finde ich, daß die auf den beiden Vorgängern recht stark
vertretenen Keyboardpassagen, die meist recht "eerie" klangen, auf
"Orgasm" doch deutlich zurückgenommen wurden.
Unter den insgesamt 8 Songs irgendwelche besonders hervorzuheben, fällt
mir schwer, da eigentlich alle mehr oder weniger auf gleich hohem Niveau liegen.
Im Moment gefallen mir das bereits erwähnte zweite Stück "Flesh
City" und der vorletzte Song "Secondhand Traumas" am besten.
Bei letzterem gibt´s nach ca. 4 ½ Minuten auch ein richtig schönes traurig-melancholisches
Gitarrensolo. Auch in Monikas Gesang kommt nach meinem Eindruck immer mal wieder
eine gewisse Melancholie zum Ausdruck, wie es z.B. auf "Terrestrials"
auch schon bei "Changeling" und "Translunaria" der Fall
war.
Unbedingt erwähnenswert sind einmal mehr Monikas originelle Texte (in denen
man auch schon mal die eine oder andere Neuschöpfung wie z.B. "heartquake"
oder "scapecock" und einige nette Wortspielereien entdecken kann)
und natürlich ihre Gemälde (zu jedem Song gibt es eines), bei denen
Hieronymus Bosch zumindest einer der Einflüsse gewesen sein dürfte.
Die "Freaks", wie Monika die Figuren auf ihren Gemälden nennt,
wirken zwar meist schon recht unheimlich, aber nie plakativ "böse"
und "häßlich", wodurch sie sich wohltuend von den Figuren
abheben, die auf zahlreichen klischeetriefenden Covern – insbesondere im Black
und Death Metal-Bereich – zu finden sind. Manche "Freaks" machen sogar
schon fast einen sympathischen Eindruck.
Daß die Band auch Humor hat, zeigt das selbstironische Backcover der CD,
wo Monika von "Afrox" bis "Fatrox" 6 Variationen zum Bandnamen
sehr anschaulich dargestellt hat. Mal abgesehen von irgendwelchen reinen "Spaß"-Bands
würde wohl kaum irgendeine Metalband Vergleichbares auf einer ihrer Platten
abdrucken. (Mir kommen gerade einige Variationen bezüglich der selbsternannten
Könige des Metal in den Sinn: Manobore, Manogore, Henowar, Manoroar, Fanothor,
Mannomore – die entsprechenden Illustrationen mag sich jeder selbst vorstellen.)
Ich mag "Orgasm" ebenso gerne wie "Terrestrials" (und was
ich von "Terrestrials" halte, ist ja in meiner
entsprechenden Rezension nachzulesen). Allerdings habe ich "Orgasm"
jetzt (Mitte November ´03) gerade mal etwas länger als einen Monat, so
daß sich erst noch zeigen muß, ob mich die Platte auch auf Dauer
begeistern kann. Derzeit finde ich sie jedenfalls richtig geil!
- Burkhard - 11/03