Überstürzt
herausgebracht wurde dieses Album sicherlich nicht, schon lange war das erste
Soloalbum von Justin Sullivan angekündigt worden. Als Solokünstler
tritt er ja seit Jahren mit dem Red Sky Coven-Projekt (zusammen mit best
friend Joolz und Rev Hammer) oder mit befreundeten Musikern zur Unterstützung
auf. Viele Songs sind den Fans deshalb schon bekannt - "Changing Of The
Lights" z. B. ist auf dem "Big Guitars In Little Europe"-Album
zu hören, welches jedoch nur bei Konzerten oder beim bandeigenen Mailorder
erhältlich ist, "Ghost Train" kennt man vom Live-Mitschnitt
"Red Sky Coven Volumes 1 & 2" (die Ankündigung "this
is the one and only performance of this song that will ever take place"
wurde also doch nicht durchgehalten; ist auch ein schöner Song). Letztes
Jahr, bei der "Justin Sullivan And Friends"-Tour spielte er schließlich
neue Songs, die nun hier zum ersten Mal auf einem regulär und offiziell
erhältlichen Tonträger versammelt sind.
Ein Abbild der Live-Akustik-Sessions ist dieses Album jedoch nicht (dafür
gibt's ja die oben erwähnten oder diverse Live-Bootlegs). Justin selbst
sieht den Unterschied darin, daß der Sound "orchestraler und
ozeanischer" sei, was meiner Meinung nach besonders auf den Song
"Ocean Rising" zutrifft. Gleichwohl steht das Spiel auf der Akustik-Gitarre
im Vordergrund, zusammen mit einem schön brummelnden Bass, etwas Mundharmonika
und unaufdringlichen Keyboards. Streng genommen haben wir es hier besetzungsmäßig
mit einem halben New Model Army-Album zu tun, denn Micheal Dean und Dean White,
die Justin bei der "And Friends"-Tour begleiteten (wer sie nicht
gesehen hat, hat was verpaßt), sind hier ebenfalls mit dabei.
Gut die Hälfe der Songs hat das Meer zum Thema, für das Justin eine
besondere Leidenschaft hat, die schon in früher in dem Song "Marry
The Sea" (von der "Ballads"-EP) sichtbar wurde. Auf die Frage
nach dem Kern des Albums bzw. nach einen "übergeordnetem Thema"
antwortete er: "If there is an overall theme to the album, I hope
that it is the one of beauty" bzw. "there has always been
a strong sense of mysticism and spirituality [in der Musik von New Model
Army - d. Verf.] and it's that which is the central core of this album".
[Das Interview kann man auf auf der offiziellen
NMA Homepage nachlesen].
Wie kann einer mit "Schönheit" und "Spiritualität"
daher kommen, mag sich da mancher fragen - während weltweit der "Krieg
gegen den Terror" gefochten wird und die ersten Demos des Albums gerade
entstanden, als zwei Flugzeuge ins World Trade Center krachten... Justin Sullivan
war schon immer ein politisch aktiver Künstler, hat es jedoch vermieden,
wie manche seiner amerikanischen Kollegen irgendwie doch peinliche Songs zum
"11. September" zu machen (wenn ich mir mal ein Springsteen-Album
kaufe, dann bin ich wirklich alt), denn mit "Here Comes The War"
wurde schon 1993 alles zu diesem Thema gesagt - und "51st State"
hat seine Aktualität ebenfalls nicht verloren. Afghanistan kennt er von
eigenen Reisen, und während der Bombardierung hat er in Bradford Anti-Kriegs-Flugblätter
verteilt - und ging dann zurück ins Studio um etwas anderes zu machen.
Wie gesagt, ein sehr schönes Album, das allen NMA-Fans empfohlen sei,
die sich nicht nach der "Ghost Of Cain" (1986) abwandten, nach der
die Band etwas an Ruppigkeit verloren hatte.
- Martin - 06/03
Im Juli
'96 und im April 2002
hat Justin Sullivan
mit uns gesprochen