STEFAN PETERS - "The 4th Day" (2004)
Als
Rezensent hat man, wie jeder andere Mensch auch, zuweilen mit seinen Voreingenommenheiten
zu kämpfen. Irgendwelchen obskuren (und zudem noch obskur aussehenden)
Eigenproduktionen versucht man im allgemeinen eher aus dem Wege zu gehen.
Allzu oft schon wurde versucht, einem die eigene kostbare Zeit mit unausgegorenem,
dürftig produziertem Zeugs zu stehlen, welches es einem wirklich schwer
machte, die gemeinhin uneingeschränkt positive Selbsteinschätzung
der jeweiligen Erzeuger zu teilen. Als ich vor etwa zwei Jahren das Vorgängerwerk
"Sense Of It All" in die Pfoten gedrückt bekam, um es für's
Eclipsed Magazin zu besprechen, entsprach es jedoch in keinster Weise
meinen Erwartungen, es verflüchtigte sich meine unverzüglich aufziehende
und nicht eben geringe Reserviertheit wie morgendlicher Nebel in der aufgehenden
Sommersonne, als ich mir die CD schließlich zu Gemüte führte.
Wirklich schade, daß meine damalige Rezension niemals im Eclipsed
erschien und offenbar dem Platzmangel zum Opfer fiel. Nun, zumindest in unserem
ZWNN war und ist sie noch zu lesen. Da mir das erste Album also wider
erwarten ausnehmend gut gefiel, war ich diesmal tatsächlich sehr interessiert
an der neuesten Kreation von Stefan Peters, eben jenem Musiker und Komponisten
aus dem, meinem eigenen irdischen Domizil sogar relativ nahegelegenen Städtchen
Heusenstamm, nachdem dieser so frei war, sie mir dankenswerterweise zuzuschicken.
(In der ersten Rezi sprach ich von ihm witzigerweise übrigens deshalb
in der Mehrzahl, weil ich aufgrund meiner üblichen Nullrecherche annahm,
es müsse sich hierbei wohl um eine Band handeln, "Saint Peters"
oder sowas in der Art, meingott, wie peinlich aber auch...)
Sogleich fallen einem die vielversprechenden, da wunderschönen Coverabbildungen
positiv auf, welche vorne einen in vollstem orange-gelben Farbenrausch gleißenden
Himmel, und im innern eine Sonnenfinsternis mit dem dunklem Mondkreis, umgeben
von der solaremittierten, silbrig leuchtenden Corona zeigen. Also, wer mit
einem solchen Artwork daherkommt, darf sich schonmal meiner augenblicklichen
und vollsten Aufmerksamkeit versichert wissen... Bei "The 4th Day" handelt
es sich offenbar um ein konzeptionelles Werk, denn Stefan ließ sich
von einem biblischen Absatz inspirieren, nämlich eben jenem vierten Schöpfungstag
der Genesis, als GOTT - sofern ich da richtig liege - die Sonne, den Mond
und die Gestirne erschuf. Musikalisch bleibt Stefan seiner eingeschlagenen
Linie treu und offeriert in elf Stücken plus Intro bei rund 45 Minuten
Spielzeit seine ureigenste instrumentelle Vielfalt, welche sich zum größten
Teil aus Piano- und Synthsizerklängen aufbaut und sein Fundament sehr
deutlich und tief in der klassischen Musik gründet. Das Ganze erscheint
einem, in seinem Zusammentreffen aus modernen und barocken Elementen - und
damit lasse ich mich einmal mehr zu jenem kleinen assoziativen Spielchen hinreißen,
auf das man im Gespräch über Musik kaum jemals verzichten mag -,
als ob sich Jon Lord, Rick Wakeman und Johann Sebastian Bach zu einem vertraulichen
kompositorischen Stelldichein versammelt hätten. Gleich die ersten beiden
Stücke "Radiant Brightness" und "Rising" gehen in die Vollen, strotzen
nur so vor teils leicht abstrakten, rhythmischen, unkonventionellen, furiosen
Harmonien, da laufen die einzelnen Instrumente mitunter mal munter durcheinander
wie eine aufgeschreckte Antilopenherde. Relativ sprunghafte, allerdings immer
nachvollziehbare und gut ineinandergefügte Strukturen, welche auch ruhigere
Einschübe nicht missen lassen. Song # 3 "The Sun" lädt anschließend
zum durchgehenden durchatmen ein, eine kleine romantizistische Ode, bei welcher
das lyrische Klavier von Harfentönen ergänzt wird. In der ganzen
zugrunde liegenden klangerzeugenden Technik bin ich nicht eben bewandert,
ich schätze aber mal, daß diese Harfe genau wie die an zwei, drei
Stellen sehr effektvoll eingesetzte elektrische Gitarre eingesampled wurden
und somit komplett vom Keyboard kommen. Bei eingeschränkten finanziellen
Mitteln besteht (etwa auch bei Drumcomputersounds) die Gefahr, daß die
Sache letztlich ungewollt künstlich, schwammig, dünn, klobig oder
hohl und dann auch wirklich billig 'rüberkommt, was hier überhaupt
nicht der Fall ist. Auf dem Vorgängerwerk "Sense Of It All" wurden, wie
Stefan mir mitteilte, die Drums allenthalben moniert, wobei sie mir nun nicht
wirklich negativ auffielen; okay, wie man bei einem wundervollen, atmosphärischen
Lied wie "Bachsider" plötzlich mit solch fettem Schlagzeug dazwischenhauen
kann, konnte auch ich schwerlich verstehen, was jedoch eher am ungünstigen
Abmischungsverhältnis als an der vermeintlichen Plumpheit des Rhythmusgerätes
lag. Stefan hat laut eigenem bekunden für's aktuelle Werk sein Sparbuch
geplündert um damit, wie er es nennt, neue "Weichware" und Samples zu
erwerben. Man hört's: An der Subtilität der gelegentlich und variabel
eingesetzten Drums verbieten sich weitere Meckereien nunmehr von selbst. In
der Mitte des neuen Albums hätte nach meinem Dafürhalten - der eigene,
mir innewohnende Komponist möchte sich diese Anmerkung nicht nehmen lassen
- dem einen oder anderen Song ein weitergehendes Ausarbeiten durchaus noch
gutgetan. Dieses bezieht sich allerhöchstens marginal auf das dezente
"Smooth Pale" und das beschwingte "The Moon", beides schöne und stimmige
Pianostücke, sondern vielmehr auf das kaum dreiminütige "Silver
Shimmer", dessen abschließender, geradezu schmetterlingsfluggleicher
solistischer Flötenpart wesentlich breiteren Raum, als nur die paar zugestandenen
läppischen Sekunden, verdient gehabt hätte. Sowas sind für
mich verschenkte Chancen (oder aber, wenn man's denn günstig auslegen
möchte, ein Anzeichen für verschwenderischen Ideenüberfluß),
in diesen traumhaft schönen Flötenklängen hätte man nur
zu gerne noch wesentlich länger geschwelgt. Oder als zweites mir aufgefallenes
Beispiel "Heaven's Dome": irgendwie hätte ich am Ende noch eine Steigerung
erwartet, das Outro kommt mir da einfach zu früh. Aber egal, genug gemault,
's sind ja immerhin, wie all die anderen, gelungene Kompositionen. So auch
"The Sons Of God", bei welchem die Flöte, wenngleich in anderem Kontext,
erfreulicherweise nochmals auftaucht. Gegen Ende, mit dem Titelstück
entscheidet sich Stefan zu einem für Instrumentalisten nicht ungefährlichen
Versuch, nämlich Text und Gesang mit einzubinden. Daran sind schon ganz
andere gestrauchelt bzw. beinahe gescheitert; spontan erinnere ich mich da
an diesen einen etwas einfältigen Song auf Gandalfs "Visions 2001", oder
aber Kitaros Kollaboration mit Jon Anderson auf drei Tracks seines "Dream"-Albums.
Da gerät denn schnell einmal etwas entweder zum süßlichen
Kitsch oder zum fälschlichen, unangenehmen Pathos. Stefan nimmt diese
selbstauferlegte Hürde so einigermaßen elegant, wobei die vortragende
Sängerin zwar durchaus die Töne sauber trifft und zweifelloses Talent
zeigt, sich letztlich allerdings noch etwas zu unausgereift,
etwas zu bemüht anhört. Da fehlt es ein wenig an Ausdruck. Aber
nein, Silke, wie die Chanteuse mit Vornamen heißt, macht ihre Sache
schon mehr als ordentlich, man ist mit geradezu göttlichen Frauenstimmen
vielleicht mittlerweile einfach zu verwöhnt. Alles in allem ein gutes
Stück insgesamt, nicht zuletzt wegen dieser geilen, fetzigen Gitarrenlinien
und den Key-Soli, welche man sich zweifellos noch häufiger und ausführlicher
wünschte. "Songs Of Praise" schließlich bildet mit seinen ruhigen
und abwechselnd in orchestralen Sinth-Fanfaren aufbrausenden Teilen ein siebenminütiges,
wiederum gänzlich instrumentales und erstklassiges, fulminantes Finale.
So, das soll erstmal genügen. Auf alle Details einzugehen bleibt ohnehin
eine Unmöglichkeit. "The 4th Day" ist wie sein Vorgänger ein sehr
gutes, sehr gelungenes, sehr ausgewogenes Werk geworden. Allerdings konnte
es, wie nicht unerwähnt bleiben sollte, sich bei mir nicht zum absoluten
Dauerläufer entwickeln. Was weniger an der gebotenen Qualität, als
vielmehr an meinen subjektiven Vorlieben liegen mag - denn dasselbe gilt genauso
und in noch wesentlich verstärkterer Form für beispielsweise Mozart,
Mahler oder Vivaldi; so mancher große Meister der klasischen Musik prallte
bereits wirkungslos an mir ab, erwies sich als wenig kompatibel mit meinem
seelischen Betriebssystem. Möglicherweise ist mir letztendlich auch S.
Peters, zumindest phasenweise, noch einen Tick zu abgehoben, ein klein wenig
zu verkünstelt und elitär, wer weiß. Ohne daß ich seinen
Stil nun verkopft nennen wollte, keineswegs, das wäre ein Mißverständnis.
Es zieht mich denn aber persönlich doch eher in Richtung symphonisch-meditativer
Klangteppichleger (bei denen sich wiederum Stefan langweilen würde -
s.u.), bzw. emotionaler, atmosphärischer, gerne auch komplexer Rockmusik
- wie sie z.B. Porcupine Tree auf ihrem letzten Werk "In Absentia" vorzüglich
zelebrieren, mich jedesmal in einem melancholisch-sensitiven Gefühls-
und Melodienstrudel mitreißend. Egal. Zumindest sechsmal habe ich mir
Stefans neueste Schöpfung bislang mit ungeteilter Aufmerksamkeit und
einigem Genuß angehört und werde sie im Laufe der nächsten
Jahre sicherlich noch bei der einen oder anderen Gelegenheit wieder einmal
hervorkramen und auflegen.
Es ist mit Stefan Peters auf alle Fälle ein ambitionierter Hobby-Musiker
und -Komponist mit einem hochinteressanten, lebendigen und recht eigenständigen
Sound (wie man ihn in den Regalen der großen CD-Verkaufsfilialen kaum
vorfinden wird) in unseren Breiten unterwegs, dessen veritable Stimme nicht
ungehört, unter den unzähligen anderen sich erhebenden, in den Weiten
des kommunikativen Äthers verhallen sollte. Zumal seine, in seinem Begleitschreiben
kurz umrissene Einstellung aus meiner persönlichen Sicht das grundlegende
Ideal des Künstlers verkörpert: "Es ist aber nicht Eitelkeit,
was mich zu Veröffentlichungen treibt, es ist schlicht die Liebe zur
Musik. So viele hochgelobte Produktionen - sogar von großen Namen, z.B.
Rick Wakeman - sind oft so langweilig, da will ich wenigstens selbst das machen,
was ich auch gerne von anderen hören würde."
Also, vielleicht ist ja bei dem einen oder anderen nun Interesse und Neugier
aufgeflammt, aufgeschlossene Klassik- oder natürlich auch Progressive
Rock-Fans dürfen sich durchaus angesprochen fühlen - und sollten
nicht zögern, diesem sympathischen Burschen die Bude einzurennen...!
Mit eben diesem Ansinnen kann man sich an seinen Vertrieb wenden:
www.musikalspezial.de
info@musikalspezial.de
Am Pfahlgraben 5
D-61239 Ober-Mörlen
Tel. 49 (0)60 02 - 930477
...oder ihn vielleicht geradewegs persönlich kontaktieren:
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- Heiko - 12/04