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TVÅ FISK OCH EN FLÄSK – Jungfruburen (2000)

Wie schön, daß es da in Köln ein Label namens Westpark Music gibt, welches beweist, daß Skandinavien auf dem musikalischen Sektor jenseits Weichspüler-Pop der Sorte Roxette, Ace Of Base oder Aqua einerseits und der Black Metal-Flut andererseits eine ganze Reihe wirklich hörenswerter Bands zu bieten hat, die sich nicht an irgendwelche Trends anbiedern. Ähnlich wie bei Garmarna, Hedningarna oder Triakel spielen auch bei den Schweden Två Fisk Och En Fläsk folkloristische Einflüsse sowohl in der Musik als auch in den Texten eine sehr große Rolle. Manche würden jetzt vielleicht sogleich die Schublade mit der Aufschrift "Neo-Folk" oder "Folk" aufmachen. Ich persönlich halte nicht besonders viel von diesen Kategorisierungen, da Stilbeschreibungen vielleicht als grobe Orientierungshilfe dienen können, aber letztlich nicht das Geringste über die Qualität der Musik aussagen.

Im direkten Vergleich zu Garmarna, die ja doch recht gern auch mit Samples und Soundeffekten arbeiten und deren Songs eher eine düstere und getragene Stimmung verbreiten, klingen Två Fisk Och En Fläsk ursprünglicher, deutlich wilder bzw. lebhafter und teilweise auch schräger. Wer sich mal die richtig treibenden "Lussi Lilla", "Meie din" und "Gift med näcken" anhört, wird verstehen, was mit "wild" und "lebhaft" gemeint ist. "Schräg" bezieht sich vor allem auf einige disharmonische Eskapaden der beiden Geiger, von denen der eine gelegentlich auch mal zur Flöte greift und der andere bei dem mit einem klassisch anmutenden Intro beginnenden "Femton gånger" den Gesang übernehmen darf. Daneben gehören zur Band ein Gitarrist sowie drei (!) Schlagzeuger. Im Mittelpunkt steht allerdings die Ohren- und Augenweide Umer Mossige-Norheim, die über eine sehr schöne helle, klare und auch kräftige Stimme verfügt, welche stellenweise etwas an die norwegische Sängerin Kari Rueslåtten (Ex-The 3rd And The Mortal) erinnert.

Wie bei Garmarna werden in den traditionellen Texten oft recht blutige und auch traurige Geschichten erzählt. So handelt etwa "Källarhjonets lilla vän" von der "kleinen Freundin der Wirtsfrau", welche sich zunächst ihr goldenes Haar abschneidet und sich schließlich mit einem Messer das Leben nimmt, weil sie um keinen Preis die Frau des Königs, der sie unbedingt haben will, werden möchte. "Lussi Lilla" spielt am Hofe des Königs, doch als die Höflinge als Lohn für ihr Spiel beschließen: "Sie soll uns nicht als Jungfrau verlassen.", verteidigt sie sich mit einem Degen und "fünfzig Höflinge erschlug sie auf einen Streich." (Recht so!) Als sie sich deswegen vor dem König verantworten muß, teilt sie diesem mit: "Es waren keine Höflinge, die ich erschlug, es war ein Haufen Schelme, der mich überfallen hatte.", woraufhin sie der König zur Frau nimmt. In der traurigen Ballade "Linden bär löv" ("Die Linde trägt Laub") erzählt eine Frau ihre Geschichte, die sie einsam zurückgelassen hat. Als Kind verlor sie ihre Eltern ("Ich war so klein, traf nie meine Mutter, bald trugen sie meinen Vater zu Grabe."), in Armut und sorgenbeladen zog sie als Bettlerin umher und landete dann im Gefängnis. Ein Mann wirbt um sie, der sie unterhalten könnte, doch "je mehr ich im traute, desto mehr betrog er mich". In der letzte Strophe heißt es dann: "Es kam mir vor wie bei den kleinen Vögeln, die ihr Nest auf den Ästen bauen. Wenn einer wegfliegt, bleibt der andere einsam zurück. Gott sei gnädig mit dem, der die Seinigen so verliert." Lobenswerterweise enthält das CD-Booklet (wie man es schon von den Garmarna-Alben kennt) die kompletten deutschen Übersetzungen aller Songtexte. Neben neun schwedischen Texten findet man mit "Fortune plango" (hier klingt die Musik sehr orientalisch!) auch einen lateinischen und mit "Meie din" sogar einen mittelhochdeutschen. Letzterer stammt von dem mir bislang nicht bekannten Neidhard von Reuental, einem Minnesänger aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts.

Två Fisk Och En Fläsk bestehen bereits seit einigen Jahren und haben vor "Jungfruburen" schon ein Album veröffentlicht, welches bislang noch nicht in Deutschland veröffentlicht worden ist, aber mit etwas Glück kann man es über Westpark Music noch bekommen. Sicherheitshalbe sollte man vorher anfragen. Das Debüt ist nicht ganz so stark wie "Jungfruburen", aber auch schon recht ordentlich. Man kann nur hoffen, daß diese Band möglichst bald auch mal in Deutschland live zu sehen und hören sein wird! Gerade bei dieser Musik kann ich mir gut vorstellen, daß sie live noch besser rüberkommt, denn eines hat die Band auf jeden Fall: Spielfreude!

Bedauerlich finde ich, daß man in Magazinen wie Orkus, Sonic Seducer und Zillo mit Berichten und Artikeln über Bands wie In Extremo, Tanzwut oder Corvus Corax regelrecht zugeschüttet wird, als ob diese Bands das geschnittene Brot neu erfunden hätten, aber von den bereits zitierten Garmarna, Hedningarna, Triakel oder eben auch Två Fisk Och En Fläsk mit Glück mal eine Plattenrezension findet! (OK, zu Garmarna gab´s inzwischen wohl auch schon mal das eine oder andere Interview.) Sollte etwa bei den "großen" Magazinen die Auswahl der interviewten Bands und Musiker nicht von der Qualität und Originalität der Musik, sondern der Zahlungskräftig- und -willigkeit der Plattenfirmen abhängig sein???

Abschließend kann ich nur noch einmal feststellen, daß "Jungfruburen" ein Album ist, an dem ich meine helle Freude habe, was heutzutage leider nicht mehr allzu häufig vorkommt.

- Burkhard - 02/01