Das Konzert fing damit an, daß es am 15. März wie aus Kübeln
regnete und stürmte, was die Fahrt von Regensburg nach Nürnberg zu
einer ziemlich anstrengenden und langsamen Sache machte. In dieser Nacht schien
halb Regensburg mit österreichischen und tschechischen Lastern nach Nürnberg
umzuziehen. Zudem hatten weder ich noch der andere Martin, mit dem ich unterwegs
war, eine Ahnung, wo das Forum in Nürnberg lag - mit Hilfe des Stadtplans
fanden wir’s schließlich doch und konnten das Auto hinter dem Zeppelin-Feld
parken. Mittlerweile hatte es auch zu regnen aufgehört.
Das Forum war mit ca. 700 Leuten noch ziemlich luftig gefüllt, was sicher
auch ein Zeichen dafür ist, daß NMA ihre besten Zeiten, wie in den
80ern, hinter sich haben. Was den Leuten, die gekommen waren, aber ziemlich
egal schien, denn anhand der Shirts und der begeisterten Aufschreie, wenn die
alten Klassiker angespielt wurden, konnte man sehen, daß die meisten nicht
45 Mark gezahlt hatten, um irgendeine neue gehypte Band zu sehen. Stefan und
Frank vom Eternal-Flame-Fanzine (gibt’s immer noch) waren auch da, und
wir kamen später zu dem gemeinsamen Schluß, daß das Publikum
definitiv besser aussah (aufgrund des größeren Frauenanteils) als
bei irgendwelchen True-Metal-Konzerten, bei dem sich 90% Männer und Prolls
die Birne zuschütten. Na ja, überspitzt gesagt. Beim EF wird man weiterhin
dem True-Metal fröhnen, aber auf eine angenehme, weniger bornierte Weise,
als anderswo (keine Namen; die meisten wissen eh‘ wen ich meine...). Wann die
Nummer 4 erscheint, steht noch in den Sternen, aber am besten ihr schaut auf
der Homepage vorbei, wo es
sicher rechtzeitig angekündigt wird. Etwas Werbung muß sein.
Wo war ich stehen geblieben? Äh ja, die Vorband nannte sich Caroline’s
Spine oder so ähnlich und muß im Rock Hard recht gut weggekommen
sein. Irgendwer vor mir im Publikum mutmaßte „Post-Grunge“, hm, ja, vielleicht.
„Paranoid“ gab’s als Cover, und der letzte Song der Amis hatte als Refrain „Bye,
bye, bye Mrs. Sullivan“, ob das beabsichtigt war?
NMA fingen mit „Stranger“ vom neuen Album „Eight“ an und ebenso die ziemlich
weit vorn auf den Schultern sitzenden und stehenden Mitglieder der mitreisenden
family mit ihren mirakulösen Körperbewegungen. Der Bass-Sound
dröhnte das ganze Konzert hindurch für meine Geschmack etwas zu laut,
doch man gewöhnte sich daran. Weiß gar nicht mehr, was sie alles
in den nächsten zwei Stunden gespielt haben, die besten Songs vom neuen
Album („Flying Through The Smoke“, das Justin als Fortsetzung von „255“ von
’89 ankündigte, „You Weren’t There“, „Snelsmore Wood“ etc.), viele
Klassiker (unter anderm „Green And Grey“, „Get Me Out“, „Here Comes The War“)
und sogar den Uralt-Song „Notice Me“ (von ’81). War insgesamt ein intensives
Erlebnis mit einer sehr stimmungsvollen Lightshow. Ich erzähl‘ ja ungern
solche Weisheiten, aber hier konnte man auch ohne Hilfsmittel high sein. Klar
ist bei Justin Sullivan schon einiges an Routine vorhanden, trotzdem wirkte
die ganze Show immer noch ziemlich spontan und energiegeladen. In einem Interview
vom März 2000 (zu finden auf der Homepage von Anja
Tewes) sagte Justin: „Gigs sind ... ein Ritual und ein Fest und ein gemeinsames
Erlebnis für die Leute. Ich liebe Auftritte, doch es ist etwas völlig
anderes. Wenn ich einen Song singe, jede Nacht, dann vergegenwärtige ich
mir dabei nicht, was ich geschrieben habe. Ich mache eine Art Veränderung
durch. Ich spiele den Song, um zu einem Punkt jenseits von mir zu gelangen,
wie in einer Religion. Wie ein Gebet, Worte machen nicht das Gebet aus, es ist
das Gefühl, das wichtig ist. In Auftritten wird man transportiert, in großartigen
Auftritten werde ich transportiert, jenseits des Musikspielens. Mein Körper
spielt den Song, mein Mund singt den Song, doch ich bin irgendwo anders. Es
ist eine Art blendendes weißes Licht, wenn eine große Einigkeit
im Raum besteht. Irgendwas passiert“. Zum Schluß, nach zwei Stunden,
gab’s den Song auf den viele, vor allem in Hinblick auf die aktuelle politische
Lage, gewartet hatte: „for all the fascists in England and Austria“ wurde
„Vengeance“ gespielt.
Am T-Shirt-Stand stand Joolz, Justin Sullivans Freundin, die auch für alle
Album-Covers von NMA verantwortlich ist, und verkaufte sehr nett die bedruckten
Hemden („You want L? XL? Yes, thanks a lot!“). Von ihr gibt’s mittlerweile
vier Gedichtbände und einen Roman, über
die man mehr auf ihrer eigenen Homepage
erfahren kann, oder auf oben erwähnter Homepage von Anja.
Dann ging's 100 Kilometer über die nun einsame Autobahn zurück, mit
einem kurzen Zwischenstop bei Mc Donald's kurz vor Ladenschluß.
Es muß hart sein, wenn fünf vor eins, wenn man schon fast die frittierfettigen
Klamotten ausgezogen hat, zwei Typen ins verlassene Lokal kommen und eine Bestellung
aufgeben.
Kurz darauf ins Bett fallen. Klappe zu.
- Martin - 05/00
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