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New Model Army - 15. März 2000 - Nürnberg/Forum

Das Konzert fing damit an, daß es am 15. März wie aus Kübeln regnete und stürmte, was die Fahrt von Regensburg nach Nürnberg zu einer ziemlich anstrengenden und langsamen Sache machte. In dieser Nacht schien halb Regensburg mit österreichischen und tschechischen Lastern nach Nürnberg umzuziehen. Zudem hatten weder ich noch der andere Martin, mit dem ich unterwegs war, eine Ahnung, wo das Forum in Nürnberg lag - mit Hilfe des Stadtplans fanden wir’s schließlich doch und konnten das Auto hinter dem Zeppelin-Feld parken. Mittlerweile hatte es auch zu regnen aufgehört. 
Das Forum war mit ca. 700 Leuten noch ziemlich luftig gefüllt, was sicher auch ein Zeichen dafür ist, daß NMA ihre besten Zeiten, wie in den 80ern, hinter sich haben. Was den Leuten, die gekommen waren, aber ziemlich egal schien, denn anhand der Shirts und der begeisterten Aufschreie, wenn die alten Klassiker angespielt wurden, konnte man sehen, daß die meisten nicht 45 Mark gezahlt hatten, um irgendeine neue gehypte Band zu sehen. Stefan und Frank vom Eternal-Flame-Fanzine (gibt’s immer noch) waren  auch da, und wir kamen später zu dem gemeinsamen Schluß, daß das Publikum definitiv besser aussah (aufgrund des größeren Frauenanteils) als bei irgendwelchen True-Metal-Konzerten, bei dem sich 90% Männer und Prolls die Birne zuschütten. Na ja, überspitzt gesagt. Beim EF wird man weiterhin dem True-Metal fröhnen, aber auf eine angenehme, weniger bornierte Weise, als anderswo (keine Namen; die meisten wissen eh‘ wen ich meine...). Wann die Nummer 4 erscheint, steht noch in den Sternen, aber am besten ihr schaut auf der Homepage vorbei, wo es sicher rechtzeitig angekündigt wird. Etwas Werbung muß sein. 
Wo war ich stehen geblieben? Äh ja, die Vorband nannte sich Caroline’s Spine oder so ähnlich und muß im Rock Hard recht gut weggekommen sein. Irgendwer vor mir im Publikum mutmaßte „Post-Grunge“, hm, ja, vielleicht. „Paranoid“ gab’s als Cover, und der letzte Song der Amis hatte als Refrain „Bye, bye, bye Mrs. Sullivan“, ob das beabsichtigt war? 
NMA fingen mit „Stranger“ vom neuen Album „Eight“ an und ebenso die ziemlich weit vorn auf den Schultern sitzenden  und stehenden Mitglieder der mitreisenden family mit ihren mirakulösen Körperbewegungen. Der Bass-Sound dröhnte das ganze Konzert hindurch für meine Geschmack etwas zu laut, doch man gewöhnte sich daran. Weiß gar nicht mehr, was sie alles in den nächsten zwei Stunden gespielt haben, die besten Songs vom neuen Album („Flying Through The Smoke“, das Justin als Fortsetzung von „255“ von ’89 ankündigte,  „You Weren’t There“, „Snelsmore Wood“ etc.), viele Klassiker (unter anderm „Green And Grey“, „Get Me Out“, „Here Comes The War“) und sogar den Uralt-Song „Notice Me“ (von ’81). War insgesamt ein intensives Erlebnis mit einer sehr stimmungsvollen Lightshow. Ich erzähl‘ ja ungern solche Weisheiten, aber hier konnte man auch ohne Hilfsmittel high sein. Klar ist bei Justin Sullivan schon einiges an Routine vorhanden, trotzdem wirkte die ganze Show immer noch ziemlich spontan und energiegeladen. In einem Interview vom März 2000 (zu finden auf der Homepage von Anja  Tewes) sagte Justin: „Gigs sind ... ein Ritual und ein Fest und ein gemeinsames Erlebnis für die Leute. Ich liebe Auftritte, doch es ist etwas völlig anderes. Wenn ich einen Song singe, jede Nacht, dann vergegenwärtige ich mir dabei nicht, was ich geschrieben habe. Ich mache eine Art Veränderung durch. Ich spiele den Song, um zu einem Punkt jenseits von mir zu gelangen, wie in einer Religion. Wie ein Gebet, Worte machen nicht das Gebet aus, es ist das Gefühl, das wichtig ist. In Auftritten wird man transportiert, in großartigen Auftritten werde ich transportiert, jenseits des Musikspielens. Mein Körper spielt den Song, mein Mund singt den Song, doch ich bin irgendwo anders. Es ist eine Art blendendes weißes Licht, wenn eine große Einigkeit im Raum besteht. Irgendwas passiert“. Zum Schluß, nach zwei Stunden, gab’s den Song auf den viele, vor allem in Hinblick auf die aktuelle politische Lage, gewartet hatte: „for all the fascists in England and Austria“ wurde „Vengeance“ gespielt.
Am T-Shirt-Stand stand Joolz, Justin Sullivans Freundin, die auch für alle Album-Covers von NMA verantwortlich ist, und verkaufte sehr nett die bedruckten Hemden („You want L? XL? Yes, thanks a lot!“). Von ihr gibt’s mittlerweile vier Gedichtbände und einen Roman, über die man mehr auf ihrer eigenen Homepage erfahren kann, oder auf oben erwähnter Homepage von Anja.
Dann ging's 100 Kilometer über die nun einsame Autobahn zurück, mit einem kurzen Zwischenstop bei Mc Donald's  kurz vor Ladenschluß. Es muß hart sein, wenn fünf vor eins, wenn man schon fast die frittierfettigen Klamotten ausgezogen hat, zwei Typen ins verlassene Lokal kommen und eine Bestellung aufgeben. 
Kurz darauf ins Bett fallen. Klappe zu. 

- Martin -  05/00