Die
schönsten CD/LP-Käufe sind ja die, wenn man ein Album mehr so nebenbei
mitnimmt, weil es entweder in der „Ramsch, den keiner mehr mag“-Ecke günstig
feilgeboten wurde oder der erste Höreindruck Interesse nach mehr hervorrief
und zu Hause stellt sich dann heraus, daß man soeben ein kleines, aber
feines Juwel erstanden hat, das während der folgenden Wochen den heimischen
CD-Player gar nicht wieder verlassen mag. So ging es mir mit dem Debüt
der englischen Band WALL OF SLEEP (H.P. Lovecraft und Black Sabbath lassen
grüßen), das binnen kurzer Zeit zu einem meiner persönlichen
Favoriten wurde.
Dem ersten Eindruck hin nach (vier Langhaarige, Siffklamotten, psychedelisches
70er Jahre-Cover) in der Doom-Ecke zu Hause, zeigen WALL OF SLEEP in neun
überlangen Songs, daß sie weit mehr auf der Pfanne haben als eine
handelsübliche „Black Sabbath mit Ozzy minus X“-Kopie zu sein. Im Gegenteil,
eine ausgeprägte Sabbath-Komponente wird man hier kaum finden, eher eine
Mischung aus langsamen, angenehm-flüssigen melodischen Riffs (das kann
man jetzt Doom nennen), schönen Akustikpassagen und mehrstimmigem, nur
selten aggressivem Gesang, der oft von langen Instrumentalparts unterbrochen
wird. Schnelle Eingängigkeit ist dabei nicht die Sache der Band, die
Länge der Songs bewegt sich in der Regel weit jenseits der 5 Minuten-Grenze.
Hat man sich aber mal intensiv in das Material hineinversetzt, möchte
man das Album nicht mehr missen.
Selbst Songs, die auf den ersten Eindruck gar nicht so besonders gelungen
zu sein scheinen, entfalten mit der Zeit ihre ganz eigene Faszination. Schon
seltsam, warum diese Band offenbar so gut wie niemandem bekannt ist, schließlich
hatten WALL OF SLEEP ein Potential, mit dem sie so manche der sog. Alternative-Größen
locker ziemlich alt hätten aussehen lassen können, wenn man in größerem
Rahmen auf sie aufmerksam geworden wäre. Zwar spielten sie einzelne Gigs
mit größeren Bands wie Cathedral, mit deren erstem Drummer Ben
Mochrie WALL OF SLEEP die EP „Greater Than Zero“
aufnahmen, aber für mehr als lokale Bekanntheit reichte das leider auch
nicht.
Solltet Ihr also mal in einem Second hand-Shop auf die CD stoßen (ob´s
das Album auf Vinyl gibt, ist mir leider nicht bekannt), dann zögert
nicht und zieht das Teil an Land, denn besonders leicht dürfte die CD
mittlerweile nicht mehr zu bekommen sein, nachdem sich die Band im September
1996 aufgelöst hat (die Nachfolgerband SLOW CORROSIVE war nach einem
Demo ebenfalls bereits wieder Geschichte) und Plattenlabels in solchen Fällen
jede Werbung einstellen, es sei denn, es handelt sich um einen Bestseller,
den man mit zahllosen „Best of“-Compilations noch kommerziell ausschlachten
muß. Möglicherweise könnte sich im Lager von WALL OF SLEEP
in der Zukunft wieder etwas tun, da Gitarrist/Sänger Simon Baker eine
eventuelle Reunion mit teilweise neuer Besetzung andeutete. Bis dahin muß
man leider mit den 1 ½ Alben vorlieb nehmen, die die Band hinterlassen
hat.
Zum Abschluß noch fünf gute Gründe, warum man sich die CD sofort
kaufen sollte:
1) Du hast bisher nur Death/Black Metal gehört und möchtest
jetzt auf Musik umsteigen (KEINE Witze oder spaßige Klammerbemerkungen
an dieser Stelle, Herr W.! Ich mußte mich schon im Nonkonform #3 als Lärm
only-Fanatiker diffamieren lassen).(OK, keine Klammerbemerkung... - Martin)
2) Du beweist guten Geschmack und Unabhängigkeit vom „Das nächste
große Ding“-Geschwafel großer Fachmagazine. Diese Eigenschaft qualifiziert
Dich außerdem zum „Nonkonform“-Leser. (Dafür hab‘ ich ihn bezahlt...
- Martin)
3) Jede in diese Band investierte DM ist automatisch vor Modern Talking,
Dancefloor-Schund und schlechten Coverversionen (vgl. Guano Apes und „Big In
Japan“ - grauenhaft!!!) gerettet.
4) .............................................................................................[Bitte
selbst eintragen!]
5) Wenn die Band wieder zusammenfindet und tatsächlich populär
werden sollte, kannst Du Dir den redlich erworbenen „Fan der ersten Stunde“-Button
an die Jacke stecken.
Anspieltips: „Flyblown“, „Slacker“, „Hades Mercedes“.
- Stefan N. - 08/00
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