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WALL OF SLEEP: „Wall Of Sleep“ (Woronzow/‘95)

Die schönsten CD/LP-Käufe sind ja die, wenn man ein Album mehr so nebenbei mitnimmt, weil es entweder in der „Ramsch, den keiner mehr mag“-Ecke günstig feilgeboten wurde oder der erste Höreindruck Interesse nach mehr hervorrief und zu Hause stellt sich dann heraus, daß man soeben ein kleines, aber feines Juwel erstanden hat, das während der folgenden Wochen den heimischen CD-Player gar nicht wieder verlassen mag. So ging es mir mit dem Debüt der englischen Band WALL OF SLEEP (H.P. Lovecraft und Black Sabbath lassen grüßen), das binnen kurzer Zeit zu einem meiner persönlichen Favoriten wurde. 
Dem ersten Eindruck hin nach (vier Langhaarige, Siffklamotten, psychedelisches 70er Jahre-Cover) in der Doom-Ecke zu Hause, zeigen WALL OF SLEEP in neun überlangen Songs, daß sie weit mehr auf der Pfanne haben als eine handelsübliche „Black Sabbath mit Ozzy minus X“-Kopie zu sein. Im Gegenteil, eine ausgeprägte Sabbath-Komponente wird man hier kaum finden, eher eine Mischung aus langsamen, angenehm-flüssigen melodischen Riffs (das kann man jetzt Doom nennen), schönen Akustikpassagen und mehrstimmigem, nur selten aggressivem Gesang, der oft von langen Instrumentalparts unterbrochen wird. Schnelle Eingängigkeit ist dabei nicht die Sache der Band, die Länge der Songs bewegt sich in der Regel weit jenseits der 5 Minuten-Grenze. Hat man sich aber mal intensiv in das Material hineinversetzt, möchte man das Album nicht mehr missen.
Selbst Songs, die auf den ersten Eindruck gar nicht so besonders gelungen zu sein scheinen, entfalten mit der Zeit ihre ganz eigene Faszination. Schon seltsam, warum diese Band offenbar so gut wie niemandem bekannt ist, schließlich hatten WALL OF SLEEP ein Potential, mit dem sie so manche der sog. Alternative-Größen locker ziemlich alt hätten aussehen lassen können, wenn man in größerem Rahmen auf sie aufmerksam geworden wäre. Zwar spielten sie einzelne Gigs mit größeren Bands wie Cathedral, mit deren erstem Drummer Ben Mochrie WALL OF SLEEP die EP „Greater Than Zero“ aufnahmen, aber für mehr als lokale Bekanntheit reichte das leider auch nicht.
Solltet Ihr also mal in einem Second hand-Shop auf die CD stoßen (ob´s das Album auf Vinyl gibt, ist mir leider nicht bekannt), dann zögert nicht und zieht das Teil an Land, denn besonders leicht dürfte die CD mittlerweile nicht mehr zu bekommen sein, nachdem sich die Band im September 1996 aufgelöst hat (die Nachfolgerband SLOW CORROSIVE war nach einem Demo ebenfalls bereits wieder Geschichte) und Plattenlabels in solchen Fällen jede Werbung einstellen, es sei denn, es handelt sich um einen Bestseller, den man mit zahllosen „Best of“-Compilations noch kommerziell ausschlachten muß. Möglicherweise könnte sich im Lager von WALL OF SLEEP in der Zukunft wieder etwas tun, da Gitarrist/Sänger Simon Baker eine eventuelle Reunion mit teilweise neuer Besetzung andeutete. Bis dahin muß man leider mit den 1 ½ Alben vorlieb nehmen, die die Band hinterlassen hat.

Zum Abschluß noch fünf gute Gründe, warum man sich die CD sofort kaufen sollte:
1) Du hast bisher nur Death/Black Metal gehört und möchtest jetzt auf Musik umsteigen (KEINE Witze oder spaßige Klammerbemerkungen an dieser Stelle, Herr W.! Ich mußte mich schon im Nonkonform #3 als Lärm only-Fanatiker diffamieren lassen).(OK, keine Klammerbemerkung... - Martin)
2) Du beweist guten Geschmack und Unabhängigkeit vom „Das nächste große Ding“-Geschwafel großer Fachmagazine. Diese Eigenschaft qualifiziert Dich außerdem zum „Nonkonform“-Leser. (Dafür hab‘ ich ihn bezahlt... - Martin)
3) Jede in diese Band investierte DM ist automatisch vor Modern Talking, Dancefloor-Schund und schlechten Coverversionen (vgl. Guano Apes und „Big In Japan“ - grauenhaft!!!) gerettet.
4) .............................................................................................[Bitte selbst eintragen!]
5) Wenn die Band wieder zusammenfindet und tatsächlich populär werden sollte, kannst Du Dir den redlich erworbenen „Fan der ersten Stunde“-Button an die Jacke stecken.

Anspieltips: „Flyblown“, „Slacker“, „Hades Mercedes“.

 

- Stefan N. - 08/00