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THE FULLBLISS - This Temple Is Haunted (2002)

Ich hatte diese Besprechung im Kopf schon so schön ausformuliert, da fiel mir das Presse-Info zum neuen Album "This Temple Is Haunted" in die Hände (nicht, daß wir sowas wie Presse-Infos oder gar Bemusterungen zugeschickt bekämen... kann man sich auch im Internet runterladen). Wo man meine Gedanken schon sehr passend vorweg genommen hatte. Und weil ich davon ausgehe, daß aufmerksame Leser nachrecherchieren, kann ich das ja schlecht abschreiben.
OK, beginnen wir die Sache anders.
Seit ich vor mehr als einem Jahr durch JUD auf das Treiben von David Clemmons aufmerksam gemacht wurde, verfolgte ich sein Tun etwas genauer. "The Perfect Life" von JUD zählte für mich zu den Alben des Jahres 2001, die einen nachhaltigen Eindruck hinterließen, ebenso "Fools And Their Splendor" von THE FULLBLISS, Davids zweitem musikalischen Projekt.
David hatte mittlerweile seinen Lebensmittelpunkt von Kalifornien nach Berlin verlegt und ebenso seine künstlerischen Anstrengungen von JUD auf THE FULLBLISS.
Im Mai 2002 erfuhr ich durch Daves Newletter, daß er Ende April in der Alten Mälzerei in Regensburg vor Justin Sullivan von New Model Army gespielt hatte, allem Anschein nach solo, und zudem anerkennende Worte von Herrn Sullivan bekommen hatte. In Nürnberg, wo ich den New Model Army-Frontmann sah, war dann kein Support dabei. Seit Stefans Interview mit ihm wissen wir ja, daß er ein Fan der QUEENS OF THE STONE AGE ist, da dürfte er auch Gefallen an THE FULLBLISS gefunden haben.
Jene verbinden nämlich perfekt Stoner Rock mit sowas wie alternativem Singer-Songwriter-Rock. Nicht mehr so brachial wie die Letzte von JUD, nicht mehr so melancholisch in sich gekehrt wie "Fools And Their Splendor", und auch die Streichinstrumente kommen nur noch bei ein, zwei Stücken zu tragen. Sehr gefallen hat mir dabei der klare, druckvolle Sound, der klingt, wie am Live-Mischpult mitgeschnitten.
Im Presse-Info heißt das dann: "Mal rauh in geradeaus rockend, dann wieder bedrohlich, abgründig, fast suizidal". Die Tür ist offen, doch niemand tritt ein, das Telefon meldet nur noch Besetztzeichen, den Menschen, der vor einem stehen sollte, gibt es nicht mehr... darauf einen verzerrten Bass-Anschlag. Weltschmerz bzw. "Feel like shit - deja vu" scheint das Grundthema das Albums zu sein, doch wie heißt es schon irgendwo bei Hesse: "Meine Geschichte ist nicht angenehm, sie ist nicht süß und harmonisch wie die erfundenen Geschichten, sie schmeckt nach Unsinn und Verwirrung, nach Wahnsinn und Traum wie das Leben aller Menschen, die sich nicht mehr belügen wollen".

- Martin - 08/02

 

THE FULLBLISS - live am 7. Oktober 2002 in der Alten Mälzerei in Regensburg

Ziemlich genau nach einem Jahr waren THE FULLBLISS wieder in der Stadt. Ein paar Tage zuvor war ein wohlwollender Artikel in der Lokalzeitung zu lesen, aber sonst war das Konzert nicht groß angekündigt. Im Programmheft der Mälzerei konnte man zum Konzert nur eine Zeil lesen (Mo 7: Fullbliss - mit JUD-Sänger Dave Clemmons 21.00 8,-). Es versprach ein Abend zu werden, an dem man ohne verrauchte Klamotten nach Hause gehen würde.
Und so war's dann auch, etwa 35 Leute hatten sich im Keller der Mälzerei versammelt.
Wie letztes Jahr eröffneten wieder SLOW aus der Region mit Stoner Rock, die mir dieses Jahr besser gefielen, vielleicht war auch der Ton besser abgemischt. Beim "Bühnenoutfit" der Band - Jeans und T-Shirt bzw. Sweatshirt - wurde mir wieder mal bewußt, wie lächerlich manche Metal-Band in ihrer Faschingsverkleidung wirkt. Unprätentiöser, aber wuchtiger Auftritt, der für die passende Anfangstaubheit sorgte.
Kurz nach zehn kamen dann THE FULLBLISS die Treppe runter, nachdem sie vorher schon bei ein paar Songs von SLOW vor der Bühne gestanden hatten.
Die Aufforderung, doch etwas weiter nach vorne zur Bühne zu kommen, denn dies sei ein Rock-Konzert, zeigte beim Publikum keine Wirkung, und man blieb in der hinteren Hälfte des Kellerraums oder bei den kleinen Tischen die dort herumstanden. David Clemmons wird dies nicht als Mißbilligung ausgelegt haben, denn die Reaktionen des Publikums während des Konzert waren durchwegs positiv, wenn man wohl auch Hemmungen hatte, dies mit schnelleren Bewegungen zu bezeigen.
Daß nur so wenige Leute gekommen waren, schien die Band nicht zu stören; man glaubte es David, daß er gerne hier sei, und er erwähnte auch den Tag nach dem 11. September 2002, an dem sie ebenfalls hier gespielt hatten. Über zwei Stunden dauerte der Auftritt, keine Minute wurde es langweilig.
Ich kann mir Titel, die bei Konzerten gespielt werden, immer schlecht merken. Es waren Songs aus den beiden Fullbliss-Alben zu hören, ein paar von Jud und auch einer, aus der Zeit als David noch "bei einer Speed-Metal-Band" gespielt hatte (ein Zwischenrufer vervollständigte mit "Damn The Machine"), in einer heftigen Version mit Akustikgitarre. Später hörte ich mir das Damn The Machine-Album an, konnte ihn aber nicht wiedererkennen.
Die Akustik-Gitarre holte David öfter hervor, mal in Verbindung mit der Band, mal im Sinne von "ein Mann und seine Gitarre", was vor allem bei den Zugaben am Schluß Wohnzimmeratmospähre zauberte.
Was soll ich groß erzählen, uneingeschränkte Begeisterung sei dieser Band zuteil. Idealisten müssen sie sein, denn bei 8 Euro Eintritt dürften gerade mal die notwendigsten Kosten gedeckt worden sein, wenn überhaupt. Vergeßt den ganzen "Nu-Metal"- oder "Nu-Rock"-Kram. Vergeßt die Bands, deren "Hit" wochenlang im Radio gedudelt wird (irgendwann unerträglich: "How You Remind Me" von einer Band, deren Sänger einen krätzigen Song zu "Spiderman" singen durfte), die anschließend durch die großen Festivals gekarrt werden und vielleicht sogar noch eine Welt-Tour machen dürfen/müssen. Die zweite Single-Auskopplung aus dem gerade mal durchschnittlichen und hauptsächlich mit Füllmaterial versehenen Album floppt dann mehr oder weniger, und die CD taucht kurz danach in den Second-Hand-Shops auf. In ein paar Jahren langt's vielleicht noch für einen Track auf einer "One Hit Wonder"-Compilation.
David Clemmons macht seit mehr als zehn Jahren Musik. Zum großen kommerziellen Durchbruch wird es wohl nie kommen, wohl aber dürfen wir noch ein paar hörenswerte Alben erwarten und Ausnahmekonzerte, wie dieses. Der Platz im Vorprogramm von Justin Sullivan war mehr als angemessen. Wer das ZWNN etwas genauer gelesen hat, weiß, was so eine Bewertung bedeutet ;-).

- Martin - 10/02