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Nach der Veröffentlichung ihres zweiten Albums "Lagnadsoger" im Herbst 2013 hatten Bergtatt zunächst ein paar Konzerte in Norwegen gespielt, aber dann wurde es sehr still um sie. Keine Updates auf ihrer Facebook-Seite (die schließlich ganz verschwand - inzwischen ist sie wieder da) und 2014 gab es anders als in den vorangegangenen Jahren noch nicht einmal ein einziges Konzert oder einen Festivalauftritt in Norwegen. Ich hatte schon die Befürchtung, dass sie sich aufgelöst haben könnten, aber dann erfuhr ich vor einigen Monaten, dass sie ihr erstes Konzert in Deutschland spielen würden, und zwar beim diesjährigen WGT (Wave Gotik Treffen) in Leipzig.

Da Bergtatt eine meiner norwegischen Lieblingsbands sind - sie spielen eine Mischung aus Folk, Rock und auch etwas Metal - und mein letzter Konzertbesuch bereits 5 Jahre zurücklag, stand für mich fest: da muss ich hin!

Auch wenn es bis Leipzig ca. 500 km waren, war das doch kürzer als meine Anreise zu ihrem Konzert in Sandane (Norwegen) 2010, die vier Tage gedauert hatte, und auch kürzer als die (Zug-)Reise zu meinem ersten Bergtatt-Konzert (welches auch ihr erstes Konzert war) beim Nordklangfestival in St. Gallen im Februar 2009.

Seitdem hat sich nahezu das komplette Line-Up geändert. Das einzige verbliebene Gründungsmitglied ist nun John Stenersen, der Nykkelharpa, Drehleier und Gitarre spielt. Linn Katrin Øygard hat 2010 die ursprüngliche Sängerin Marianne Lia ersetzt. Bassist Jarle Skår Nor und Schlagzeuger Anders Eek (der auch bei der norwegischen Doom Metal-Band Funeral spielt) sind beide bei Bergtatt vor der Aufnahme des Albums "Lagnadsoger" 2013 eingestiegen, während Gitarrist Andreas Stormo das neueste Bandmitglied und erst vor ein paar Monaten eingestiegen ist. Er hat Rolf-Erik Solstad Karlsen ersetzt.

Bergtatt sollten in Leipzig am 22. Mai auftreten und der Streik der Lokführer hatte erst am Abend zuvor geendet, was zugleich bedeutete, dass noch nicht alle Züge wieder so fuhren, wie sie sollten. So sollte meine Zugverbindung nach Leipzig nun über Berlin führen und ich wusste schon von John, dass Bergtatt auch mit dem Zug von Berlin nach Leipzig reisen würden. So kam es tatsächlich dazu, dass Bergtatt und ich im gleichen ICE (dem einzigen, der an jenem Tag um die Mittagszeit nach Leipzig fuhr) landeten. Normalerweise ist es alles andere als lustig, in einem rappelvollen Zug, der über eine Stunde Verspätung hat, zu reisen, aber wenn man dieses Erlebnis mit den Mitgliedern einer seiner Lieblingsbands teilt und sich dabei auch noch mit ihnen unterhalten kann, kann man dem Ganzen durchaus auch noch eine positive Seite abgewinnen. Wir kamen dann schließlich gegen 14:20 Uhr in Leipzig an.

Bergtatt sollten im Heidnischen Dorf auftreten und hatten mir gesagt, sie würden etwa gegen halb 6 dort eintreffen. Da sie mich netterweise auf die Gästeliste gesetzt hatten (ich hatte sie auf Bitten von John während der Zugfahrt selbst geschrieben) und sie diese vor Ort noch übergeben mussten, wäre es für mich witzlos gewesen, dort früher zu erscheinen.

Als ich schließlich gegen 6 am Heidnischen Dorf ankam, hatte ich ein Erlebnis, welches auch aus dem Film "This Is Spinal Tap" hätte stammen können. Als ich an der Kasse in der Nähe des Eingangs ankam und sagte, dass mich Bergtatt auf ihre Gästeliste gesetzt hätten, teilte man mir mit, dass man keine Gästelisten hätte und ich mich doch bitte an die Hauptkasse einige hundert Meter weiter wenden sollte. Dort gab es tatsächlich einen Kartenschalter eigens für Gäste, wo man aber nichts von einer Gästeliste von Bergtatt wusste und mich wieder zum Kassenhäuschen des Heidnischen Dorfs zurückschicke. Als ich dort wieder ankam und nachfragte, ob vielleicht zwischenzeitlich die Gästeliste eingetroffen sei, bekam ich zur Antwort, dass sie keine Gästeliste hätten und normalerweise auch nie irgendwelche Gästelisten bekommen würden, aber ich könne mich ja mal direkt an die Security am Eingang wenden. Dies habe ich dann schließlich auch getan und - siehe da! - dort hatten sie die Gästeliste tatsächlich gerade überbracht bekommen.

Bergtatts Konzert begann wie vorgesehen gegen 10 vor 8 und dauerte ungefähr eine Stunde. Zunächst sah es vor der Bühne ziemlich leer aus, was allerdings nicht allzu überraschend war, wenn man bedenkt, dass Bergtatts Alben bislang nicht in Deutschland veröffentlicht worden sind und dies ihr allererstes Konzert in Deutschland war. Aber im Laufe des Konzertes kamen immer mehr Leute näher an die Bühne, und als Bergtatt ihren Auftritt beendet hatten, gab es Zugaberufe aus dem Publikum. Zugaben gab es gleichwohl leider nicht - vielleicht auch, weil als danach der Headliner des Abends spielen sollte. Wie dem auch sei, ich glaube, Bergtatt haben mit ihrem Auftritt ein paar neue Fans gewonnen. Ich habe zwar nicht gezählt, aber schätzungsweise 30 bis 40 Leute haben nach dem Konzert noch eine oder beide CDs gekauft und sich diese signieren lassen. Angesichts des Umstandes, dass wahrscheinlich nicht viele von der Band zuvor gehört hatten, war es zumindest ein Anfang. Ich hoffe jedenfalls, dass Bergtatts erstes Konzert in Deutschland nicht schon zugleich ihr letztes gewesen ist.

Zumindest einer war, was mir schon während des Konzertes auffiel, richtig begeistert. Mindestens zweimal im Verlauf des Konzertes rief er: "Kari!". Ich glaube nicht, dass er Linn Katrin für Kari Rueslåtten (Ex-The 3rd And The Mortal) gehalten hat, sondern nehme eher an, dass er ein großer Fan von Kari Rueslåtten ist und einfach zum Ausdruck bringen wollte, dass er von Linn Katrin ebenso angetan war.

Als ich mich mit der Band nach dem Konzert unterhielt, was übrigens wie schon bei der Zugfahrt von Berlin nach Leipzig eine gute Gelegenheit war, mein Norwegisch in der Praxis anzuwenden, sagte mir John, dass bereits mehrere Leute Linn Katrin auf Kari Rueslåtten angesprochen hätten, was man eigentlich nur als positives Zeichen sehen kann. Alle waren mit dem Konzert und auch dem ganzen Drumherum sehr zufrieden. Einer, ich meine, es war der Bassist, sagte, dass sie es von Konzerten in Norwegen gar nicht kennen würden, dass das Publikum bis vor die Bühne kommt - dort würden sich die Leute meist möglich fern von der Bühne (gern in der Nähe vom Wald) aufhalten.

Die Setlist von Bergtatts Konzert sah wie folgt aus:

Dømd
Ravnene
St. Hallvard
Villemann og Magnhild
Ægir
To Systre
Svarte Auge
Bergtatt
Huldra
Hjarterot
Halling

Mit Ausnahme von "Villemann og Magnhild" und "Ægir", die beide vom Debütalbum "Røtter" stammen, wurden nur Songs vom zweiten Album "Lagnadsoger" gespielt. OK, "To Systre" findet man auch schon auf dem Debüt, allerdings unter einem anderen Titel - "Harpa" - und in einer etwas längeren Fassung. Ich hätte ja gerne auch noch "Attgangar" und "Daudens klør" (ein toller Doom Metal-Song) - zwei meiner Lieblingssongs vom Debüt - gehört, aber man kann ja nicht alles haben. Vielleicht beim nächsten Mal?

Nach meinem Eindruck hatten Bergtatt einen sehr guten Livesound und Linn Katrin kann nicht nur mit einer schönen und sanften, sondern auch sehr kraftvollen Stimme singen. Mehr als einmal stand sie mindestens einen halben Meter hinterm Mikro und ihre Stimme war dennoch so laut wie bei anderen Sängerinnen, wenn diese unmittelbar hinterm Mikro stehen. Obendrein sah Linn Katrin einfach bezaubernd aus!

Im Vergleich zu den beiden Bands die davor und danach aufgetreten sind (Cromdale und Feuerschwanz), klangen Bergtatt deutlich anders, nicht nur wegen der norwegischen Texte (deren Klang ich sehr gerne mag), sondern auch, weil ihre Musik - meiner Meinung nach - auf gewisse Weise rauer, weniger glatt und zugleich natürlicher klingt. Ich finde, Bergtatts Musik passt irgendwie zur Landschaft Norwegens. Sie haben sich einfach auf die Musik konzentriert anstatt z.B. zum Mitsingen (bei norwegischen Texten und einem deutschen Publikum wohl ohnehin ein unmögliches Unterfangen) und Mitklatschen zu animieren. Viele Leute scheinen derlei Showelemente ja zu mögen, aber mein Fall ist das nicht.

Insgesamt war es ein großartiges Konzert, und ich hoffe, es wird nicht wieder fünf Jahre bis zu meinem nächsten Bergtatt-Konzert dauern.

Text + Fotos: - Burkhard - Juni 2015