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KARI BREMNES – Spor (1991)

Karis drittes Soloalbum, welches 1991 erschienen ist und für das sie in Norwegen – wie schon für ihr 1987 erschienenes Debüt "Mitt ville hjerte" (welches ich bislang noch nicht gehört habe) – mit dem Spellemannpris ausgezeichnet worden ist, gefällt mir musikalisch insgesamt betrachtet fast noch besser als ihre letzten drei Soloalben "Gåte ved gåte", "Månestein" und "Svarta Bjørn". Dieser Eindruck mag allerdings auch darauf basieren, daß mir auf "Spor" die meisten Melodien sofort sehr gut gefallen haben, während auf den anderen genannten Alben doch einige sind, die nicht so schnell ins Ohr gehen (was nicht als Negativkritik verstanden werden sollte).

Anders als auf den eben genannten Alben stammt die Musik auf "Spor" bis auf eine Ausnahme nicht von Kari Bremnes selbst, sondern wurde von ihren Brüdern Ola und Lars geschrieben. Was eine Stilbeschreibung betrifft, so tue ich mich auch bei "Spor" schwer. Vielleicht kann man sagen, daß einige Songs etwas Chansonhaftes an sich haben. (Falls jemand meint, eine treffende Stilbeschreibung gefunden zu haben, möge er/sie sie mir mitteilen!) Mit dem, was sich so unter der Bezeichnung "Popmusik" in den internationalen Charts tummelt und auf den Musiksendern gespielt wird, hat Karis Musik jedenfalls wenig gemein. Es erscheint mir jedenfalls völlig unmöglich, mir einen ihrer Songs auf MTV oder Viva oder in einer Sendung wie "Top Of The Pops" vorzustellen. Auch die fast alle von Kari selbst verfaßten Texte bedienen nun gar nicht die Klischees gängiger Popsongs. Im Hinblick auf Eigenständigkeit bin ich geneigt, Kari Bremnes als norwegische Kate Bush zu bezeichenen, mit der sie auch den Vornamen (Kari ist die norwegische Kurzform für Katharina) gemeinsam hat.

Was nun die einzelnen Songs betrifft, möchte ich besonders "Københavnerkneipe" ("Kopenhagener Kneipe") und "Montreal" hervorheben, in denen Kari zwei Geschichten mit einem leicht traurig-melancholischen Unterton erzählt, der im ersten Fall noch durch den Einsatz einer sehnsuchtsvoll klingenden Mundharmonika unterstützt wird. In diesem Stück erzählt Kari, wie sie zusammen mit ihrem Freund/Mann (?) in einem Sommer durch enge Pflastersteinstraßen in Kopenhagen streift und eine Kneipe betritt, "wo der Sommer nie eingelassen wird". Dort werden sie plötzlich von einem bleichen und zierlichen Mädchen mit langem, zerzaustem Haar leise nach Geld für eine Straßenbahn gefragt. Als ein Kellner das Mädchen hinausschicken will, bitten sie es, sich hinzusetzen, und erfahren dann, daß es aus einem kleinen Fischerdorf aus Nordnorwegen stammt und nach einer Klassenfahrt in Kopenhagen gelandet ist. Das Mädchen sagt: "Es stürmt noch härter hier." Als sie gehen, sehen sie, wie das Mädchen wieder rund geht und um Münzen und Likör bettelt: "Sie brauchte nie eine Straßenbahn, verließ sicher nie die Kneipe dort, sie war zu lange durstig gewesen.".

"Montreal" handelt von Karis Begegnung mit einer sehr jungen, kettenrauchenden und wohlbeleibten Verkäuferin in einer kleinen Boutique ("Sie muß ungefähr 90 Kilo schwer gewesen sein, aber die Kleider, die sie verkaufte, waren den Schlanken vorbehalten"), in die sie zufällig stolperte und wo sie auf wunderschöne Kleider stieß, die sie "beinahe abheben ließen" und die sie schließlich zusammen mit einer aus Saphiren geformten Rose kaufte. Die junge Frau "lächelte ohne Freude", als sie es sagte und "mit einem heimatlosen Lachen" wiederholte: "I´m selling all my mother´s clothes, her lingerie, her skirts and coats. Her beauty was so pure as this affair is sordid, I´m selling all my mother´s clothes and yes, I find it morbid." Die Melodie bei diesem Refrain ist einfach nur schön! Und auch wenn das Akkordeon nicht gerade zu meinen Lieblingsinstrumenten gehört, muß ich sagen, daß sein Einsatz bei diesem – wie auch fünf weiteren Songs – sehr gut zur Stimmung paßt!

Textlich sehr gut zu Kari Bremnes Persönlichkeit scheint mir auch der flotteste und lebhafteste Song dieses Albums, "Følg mæ hjem" ("Begleite mich nach Hause"), zu passen. Der Text ist aus der Perspektive einer (jetzt) selbstbewußten Frau geschrieben, die bei einem überraschenden Regenguß bei ihrem Ex-Partner Unterschlupf sucht und ihn wissen läßt, daß es ihr wunderbar geht, sie alleine zurechtkommt, Karriere macht und nicht daran denkt umzukehren: "...Niemand, der bestimmt über mich und mein Leben und wo ich mit wem hingehe. Mmm. Begleite mich nach Hause...Ich glaube, daß Frauen mehr davon haben, für sich selbst zu leben, alles, was ein Mann mit sich bringt, ist Lärm und Durcheinander und Schmutz, Kumpane und Bier. Du kannst ruhig lächeln, ich habe nicht eine Sekunde deine Hände vermißt, deine Umarmung und deinen Mund. Glaubst du vielleicht, daß ich komme, um mich anzubieten? Das kannst du vergessen, ich bin nicht eine von denen. Mmm. Begleite mich nach Hause." – Wenn ich mir den Songtitel so betrachte, frage ich mich allerdings, ob da nicht vielleicht auch etwas Ironie drinsteckt.

Mit sehr schönen Melodien wissen auf diesem Album auch "Berg og båre" ("Berg und Woge"), "Birds" (der komplett in Englisch verfaßte Text stammt von Karis Bruder Ola), "Sang til byen" ("Lied auf die Stadt") sowie "Skjønnhet kommer utenfra" ("Schönheit kommt von außen") zu gefallen. Das heißt nicht, daß die letzten vier Songs "Orkester", "Øyeblikket" ("Der Augenblick"), "I uro" ("In Unruhe") und "Spor" ("Spur") schlecht wären, nur gefallen mir die ersten sieben musikalisch eben besser.

Bei "I uro", dies sei noch angemerkt, handelt es sich um Karis Übersetzung eines Textes der mir bislang völlig unbekannten schwedischen Schriftstellerin Karin Maria Boye, die 1941 im Alter von 40 Jahren Selbstmord beging und zu der ich in einem Lexikon weiterhin las: "Hoffnungsvoller Zukunftsglaube sowie Angst und Unruhe stehen sich in ihrer Lyrik unmittelbar gegenüber; "Kallocain" (Roman, 1940) ist eine düstere Zukunftsvision des totalitären Staates. – Weitere Werke: Astarte (Roman, 1931), Brennendes Silber (Gedichte, hg. 1963)."

Insgesamt ist "Spor" ein Album, dessen Musik man einfach nur als "schön" bezeichnen kann, was (insbesondere) auch für Karis geühlvolle und ausdrucksstarke Stimme gilt.

- Burkhard - 01/00

[Eine Übersetzung der Texte - ohne Anspruch auf völlige Korrektheit - ist bei Burkhard erhältlich. Siehe Impressum]